Ein mieser Start mit den Azoren

Horta, Faial, Azoren

Wir sind angekommen! Nachdem der Motor dann zum Ende hin noch einmal über 50h am Stück laufen musste, haben wir gestern Horta auf Faial erreicht und diesen großen Teil unserer mittlerweile vierten Atlantiküberquerung erfolgreich abgeschlossen.

Wir waren ziemlich genau 20 Tage unterwegs, haben 2300 Seemeilen durchs Wasser geloggt, woraus sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit durchs Wasser von 4.8 Knoten ergibt – gar nicht mal so schlecht für die wechselhaften Bedingungen, die wir hatten. Die zurückgelegte Strecke über Grund liegt durch mitlaufende Strömungen bei ca. 2400-2450 Seemeilen. 

Die Überfahrt war wirklich kein Spaziergang, wir mussten sie uns zum Teil echt hart erarbeiten. Insofern sind wir ein bisschen stolz auf unsere Leistung und glücklich darüber, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Leider konnte bisher aber nicht so richtig Ankunftsfreude aufkommen. Die Azoren haben es uns auch echt nicht leicht gemacht. Was sind die drei Dinge, die wir nach so einer langen Ozeanpassage haben wollen? Ein vernünftiger Liegeplatz, eine ausgiebige Dusche und ein schönes Essen in einem Restaurant. Mit keinem dieser Punkte hat es bisher geklappt.

Als wir uns den zentraleren Inseln der Azoren näherten und morgens das erste europäische Funknetz seit langer Zeit hereinwehte, war es uns ein Anliegen, mit der Marina von Angra do Heroismo auf Terceira, die wir als Ankunftshafen auserkoren haben, zu klären, wie das ist, wenn wir nachts ankommen würden. Wo sollten wir uns also am Besten hinlegen, sollten wir einfach auf eigene Faust einen Platz suchen, usw.

Tja und die Antwort war leider: Wir sind momentan total voll, legt euch am Besten vor dem Hafen vor Anker zu den anderen wartenden Booten und wir schauen die Tage, ob wir euch reinholen können. Geil. Hinzu kam, dass Ostwind herrschte, und dass der Ankerplatz aus der Richtung nur begrenzt Schutz bot, zumal der Wind in den nächsten Tagen noch etwas zulegen soll.

Was waren also die Alternativen? Velas auf Sao Jorge und Horta auf Faial, beide locker bei Tageslicht zu erreichen. Wir sind nicht gerade Horta-Fans, unsere Horta-Experience bei unserer letzten Tour war auch eher enttäuschend. Der Hafen ist Mist, man liegt im Päckchen, und die Sanitäranlagen sind unterirdisch. Hinzu kam noch, dass wir eine französische Familie mit Schrei-Kindern als Päckchen-Nachbarn hatten, was nicht gerade zu einem erholsamen Aufenthalt beigetragen hatte. Also malten wir schnell unser Bild auf die Mole, tranken ein Bier im berühmten Peter Café Sport und sahen zu, dass wir wieder wegkommen.

Gut, also Velas. Der Hafen ist klein aber gemütlich, allerdings hat damals eine Kolonie endemischer, nachtaktiver Seevögel uns schreienderweise den Schlaf geraubt. Egal, Hauptsache irgendwo ankommen. Ein Anruf später war klar: Der Hafen ist total voll, die Ankerbucht auch, es läuft wohl gerade ein Festival, daher ist es gerade besonders voll. Grimf, also Horta. Dort wurde uns telefonisch mitgeteilt, dass auch sie recht voll sind, auf Schiffe von einer Rallye warten, und dass das Procedere so ist, dass wir erst ankern, dann ins Hafenbüro gehen, und dann sehen sie, was sie machen können.

Wir haben natürlich wenig Lust, das saubere und verstaute Dinghy wieder rauszukramen. Unser Plan war, erstmal an den Tanksteg zu gehen, Diesel zu bunkern und dann ins Office zu gehen. Das hat auch funktioniert, wir bekamen einen Liegeplatz zugeteilt (natürlich im Päckchen) und mussten nun doch nicht ankern.

Wir fuhren unseren zugewiesenen Platz also an, um bei dem Nachbarboot längsseits zu gehen. Es war nicht erkennbar, ob da jemand an Bord ist oder nicht, also stieg ich mit unseren Leinen rüber und begann uns festzumachen, als die „Bewohner“, vor allem die „Bewohnerin“ mit hochrotem Kopf heraussprangen und begannen uns anzupöbeln: Was uns denn einfalle, in ihr Boot zu fahren, dass wir irgendwelche Schäden verursacht hätten (die sie uns nicht zeigen konnten), dass durch den „Aufprall“ unten ihr Laptop vom Tisch gefallen wäre usw., ein Riesen-Haufen Bullshit. Der „Aufprall“ war wahrscheinlich allein meinem elfenhaften Sprung bei ihnen an Deck geschuldet. Das ganze führte zu einem wilden Wortgefecht, vielen hochgezogenen Augenbrauen auf den Booten um uns herum und zu dem schönen Gefühl: „Willkommen in Horta!“.

Ich ging direkt zum Hafenbüro und bat um einen neuen Platz. Wenn wir dort blieben, würde die Lage früher oder später eskalieren und am Ende noch ein echter Schaden auftreten, ggf. auch an der einen oder anderen Nase. Wir durften uns also freundlicherweise verholen, und liegen nun an einem etwas größeren Boot längsseits, das von einem freundlichen dänischen Profi-Skipper gerade von der Karibik nach Europa gesegelt wird. 

Endlich in freundlicher Nachbarschaft war es an der Zeit, zu duschen und etwas zu Essen zu fangen. Duschen war nicht, ausgerechnet jetzt waren sie geschlossen. Super. Immerhin fanden wir auf dem Weg zu den Duschen unser altes Hafenmolen-Bild von 2018 wieder (zumindest das, was noch davon übrig war). Ein neues Bild wird es aber nicht geben. Das Essen fiel dann auch ins Wasser, sämtliche Restaurant waren noch geschlossen (naja, wir waren mit fünf, halb sechs auch recht früh dran), es gab aber auch kein Café mit herzhaften Snacks, und so tief, dass wir jetzt zu KFC gehen würden, sind wir noch nicht gefallen.

Wir gingen also mit knurrendem Magen zurück zum Boot, es gab Pasta mit Pesto, und wir ließen den Abend an Bord bei ein paar wohlverdienten Bierchen ausklingen. Nach zwölf Stunden super-erholsamen Schlaf sah die Welt heute schon anders aus. Wir frühstückten in Ruhe, und konnten endlich die wohlverdiente Dusche genießen. Die kostete allerdings 3€ pro Person, das ist uns bisher noch gar nicht untergekommen. Der freundliche Geldeintreiber lächelte auf unsere Frage, ob da denn auch eine Massage inklusive sei und ob er uns dann wenigstens trocken rubbeln würde nur verlegen. Egal, die Dusche war ein Highlight, und im Gegensatz zum letzten Mal gibt es ein neues und gepflegtes Sanitärgebäude. Immerhin ein Minuspunkt weniger für Horta.

Heute ließen wir uns mit deutlich besserer Stimmung durch Horta treiben und heute Abend haben wir unser triumphales Ankunftsessen in einem tollen Restaurant mit riesigen Garnelen und Steaks nachgeholt. Morgen wollen wir noch ein paar Dinge am Boot machen, und dann sehen wir zu, dass wir hier wegkommen. Wir wollen definitiv noch nach Terceira, auch wenn wir dort vor Anker auf einen Liegeplatz warten müssen. Dort wartet noch ein Paket auf uns, mein Vater hat uns freundlicherweise die Lieferung eines Ersatzteils organisiert. Vielen Dank dafür noch einmal! Und dann hoffen wir, auf Terceira noch ein paar entspannte Tage zu haben, bevor wir die letzte wirklich lange Überfahrt dieser Tour in Angriff nehmen.

P.S.: Hier noch ein paar Impressionen von unserer Überfahrt.

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8 thoughts on “Ein mieser Start mit den Azoren

  1. Moin Ihr beiden und Glückwunsch das längste Stück geschafft zu haben.
    Endlich wieder schöne Fotos anschauen macht uns natürlich Freude, im Text fallen
    die pöbelnden Kurzzeitnachbarn unangenehm auf, sind bald vergessen.
    Dort ist halt auch Urlaubshochsaison und Ihr müsst leider warten, aber wird schon auf
    Terceira. Klasse Impressionen: z.B. der Bonito und das vegane Essen im prall gefüllten
    Netz, wohl von Beginn der Passage. Alles Gute A & A.

    1. Hey ihr beiden,

      vielen Dank für eure Glückwünsche! Wir sind echt froh, dieses große Stück nun hinter uns zu haben. Jetzt noch eine längere Etappe und dann ist der Rest hoffentlich ein Spaziergang. 😊

      Die lästigen Nachbarn sind auch schon wieder abgehauen, und wir sind hier momentan in sehr netter Nachbarschaft. Ob das mit Terceira noch klappt, werden wir sehen. Die Insel ist momentan wirklich überfüllt.

      Wir haben übrigens, abgesehen von den beiden Fischen, uns auf der gesamten Überfahrt vegetarisch ernährt. Fleisch hält sich ja nicht lange, einen Gefrierschrank haben wir nicht, und Wurst oder sowas haben wir gar nicht eingekauft. So gesehen war das schon eine Detox-Überfahrt. 😊

      LG!

  2. Willkommen zurück in Europa! Schön zu erfahren, dass ihr den Atlantik bewältigt habt. Ich habe jetzt auch eine ganz andere Sicht auf meine Dusche, die mir ja täglich zur Verfügung steht. Die Fotos sind äußerst beeindruckend und toll, dass ihr immer noch so zivilisiert kocht.
    Liebe Grüße von Armin und Anja

    1. Hey Anja,

      vielen Dank! Ja, manchmal sind es die einfachen Dinge des Lebens… Wir haben uns ja gegen eine Seewasserentsalzungsanlage entschieden, weil die teuer sind, anfällig, und weil der Einbau ein riesen Projekt gewesen wäre. Vor allem ich hatte da gar keine Lust drauf.

      Aber mittlerweile bin ich auch so weit, dass ich mehr Frischwasser an Bord sehr zu schätzen gewusst hätte. Tja, letztes Mal hat mich das gar nicht gestört. Ich werde wohl auch älter. Steffi war übrigens von Anfang an Team Watermaker. 😊

      LG!

  3. Hallo, Aschenputtel zu sehen das ihr über das Atlantik geschafft habt , schöne Fotos!
    Ich hoffe wir sehen uns mal wieder irgendwann
    Monika aus Portsmouth,VA

    1. Hey Monika,
      Wie toll von dir zu hören! 🙂
      Wir würden uns auch sehr freuen, dich mal wieder zu treffen! Hoffentlich geht es euch gut.
      Viele liebe Grüße aus Horta von uns beiden

  4. Moin,

    da Ihr ja immer noch in Horta seid, scheint es sich ja noch zum Besseren gewendet zu haben … den Bildern nach könntet Ihr vielleicht doch noch Horta-Fans werden.

    Bin über Eure Schilderung des ersten Anlegemanövers echt baff, hab‘ ich als Küstenschipper doch immer gedacht, Langfahrtsegler sind da locker ‚drauf. Tja: gibt eben überall solche und solche. Da lob‘ ich mir doch unsere (nicht nur!) diesbezüglich entspannten N-lichen Nachbarn.
    Gute Erholung von der doch etwas anstrengenden Überfahrt – Nordatlantik ist eben nicht Passat.

    Lieben Gruß,

    Jürgen

    1. Moin Jürgen,

      tja, Ausnahmen gibt es nun einmal immer. Bisher hat sich die Langfahrergemeinde uns auch immer als freundliches und vielleicht auch etwas kauziges Völkchen präsentiert. So etwas hatten wir bisher noch nicht und hoffentlich nie wieder.

      Wir hatten nun doch ein paar schöne und entspannte Tage in Horta, haben viele nette Gespräche geführt und viele nette Menschen kennengelernt. Insofern sind wir tatsächlich etwas versöhnt mit Horta. 🙂

      Aktuell sind wir unterwegs nach Terceira, mal sehen, ob wir da einen Platz bekommen.

      LG!

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