Schaut man sich in den sozialen Medien um, so scheint es als würde alle Welt ihr Hab und Gut an Land aufgeben, Boote kaufen und auf Weltumsegelungen gehen. Manche Crews propagieren diesen Lifestyle so sehr, dass es scheint als gäbe es nichts einfacheres auf der Welt. Einfach machen und der Rest fügt sich dann schon…
Manche sprechen sogar die implizite Botschaft offen aus: ihr braucht nicht viel Geld, alte Boote bekommt man auch ganz günstig, Erfahrung braucht ihr auch nicht, die kommt dann schon noch… Um das mal klarzustellen: so ist es nicht! So schön die Vorstellung auch sein mag, so gefährlich sind diese Aussagen auch.
Ja, man kann günstig alte Boote kaufen. Sind die sicher und seetauglich? In der Regel nicht. Ein Boot ist ein teurer Spaß, denn mit der Anschaffung ist es bei weitem nicht getan. Man muss ständig dabei bleiben, Reparaturen und Wartungen durchführen und man muss nun mal auch hier und da Materialien neu kaufen. Leinen können durchscheuern, Ankerketten rosten, das Rigg weich werden, Segel reißen und vom Motor fange ich jetzt gar nicht erst an. Je älter und im schlimmsten Fall heruntergekommener ein Boot ist, desto teurer und aufwändiger wird die Instandsetzung. Ein durchgegammeltes Seeventil oder eine undichter Ruderschaft kann hier schon ausreichen, dass das Segelabenteuer schnell vorbei ist.
Das Leben an Bord ist natürlich günstig. Man spart die Miete und wenn man viel ankert und wenig motort kann man mit sehr geringen Allgemeinkosten zurechtkommen. Es gibt sogar Crews die fast ausschließlich das essen, was sie selbst angeln. Ist vielleicht auf Dauer etwas unausgewogene Kost, aber kann man machen. Unterwegs zu arbeiten ist für viele mittlerweile auch kein Problem mehr.
Neben den Kosten sollte man allerdings auch technisch wissen was man tut. Wer zwei linke Hände hat wird Reparaturen wahrscheinlich nur schwer selbst bewältigen können. Und auch das kann teuer werden. Man muss – und sollte – nicht unbedingt alles selbst machen können. Fachbetriebe haben in vielen Fällen ihre Berechtigung und ganz besonders, wenn man zum ersten Mal mit bestimmten Materialien hantiert oder an komplexe Systeme wie den Motor oder die Elektrik geht, dann sollte man sich unbedingt Hilfe holen. Hier kann man unbemerkt viel falsch machen und große Schäden anrichten. Auf Social Media scheint es manchmal so als bestünde das Bordleben daraus knapp bekleidet an Deck Yoga-Übungen zu machen oder mit einem hübschen Blumenstrauß auf dem Tisch bei Sonnenaufgangseinen Matcha-Tee zu schlürfen, aber so ist es die meiste Zeit leider nicht. Wer schon mal die Dichtungen einer Klopumpe gereinigt hat wird verstehen, was ich meine…
Will man mit seinem Boot dann auch noch lossegeln, sollte man natürlich auch segeln können. In Deutschland ist es erstaunlich einfach ein Boot zu führen. Für alle Boote mit Motoren mit einer Leistung von über 15 PS braucht man einen Sportboot-Führerschein, den SBF See. Alles unter 15 PS kann man ohne Schein führen. Um Segeln zu können muss man im Zweifelsfall gar nichts vorweisen. Die meisten Vercharterer fordern zumindest, dass der Skipper einen Sportküstenschifferschein (SKS) vorweisen kann, für den auch ein Nachweis über eine bestimmte Anzahl an gesegelten Meilen vorgelegt werden muss.
Mit dem SBF See lernt man kein bisschen das Segeln. Das ist ein Führerschein für Motorboote und man lernt zwar unter anderem die rechtlichen Grundlagen der KVR, Navigation, etwas Wetterkunde und muss in der praktischen Prüfung zeigen, dass man das Boot an- und ablegen und aus der Fahrt heraus eine Boje einsammeln kann (Mann-über-Bord-Manöver). Segeln kann man dann noch lange nicht. Bevor man sich also auf einen Hochseetörn wagt sollte man sich unbedingt die Zeit nehmen mit einem guten Segellehrer oder erfahrenen Skipper richtig Segeln zu lernen. Am besten verbringt man ein paar Saisons in geschützteren Gewässern wie der Ostsee (auch die kann rau werden) und lernt wie man sich in verschiedenen Situationen verhält, wie das Boot reagiert und wann man vielleicht auch mal im Hafen bleiben sollte. Segeln lernt man nicht in einer Woche und auch erfahrene Crews geraten in Seenot.
Ich habe übrigens auch nur einen SBF See. Vor unserer letzten Reise wollte ich noch einen Sportseeschifferschein (SSS) machen, aber am Tag vor dem obligatorischen Ausbildungstörn mit der praktischen Prüfung erfuhr ich, dass meine Mama im Sterben lag und sagte den Törn dann natürlich ab. Danach hätte ich es zeitlich nicht mehr geschafft einen anderen Törn zu buchen und so blieb es dabei, dass ich mich zwar auf die Prüfungen vorbereitet und den ganzen theoretischen Stoff parat hatte, sie aber nie die Prüfung ablegte. Nach der Reise, mit bis dahin ca. 15.000 qualifizierten Seemeilen (nach Erhalt des SBF See gelten die Meilen als qualifiziert) und reichlich Segelerfahrung, machte ich den Schein dann nicht mehr.
Christian ist dagegen ziemlich gut aufgestellt. Er hat schon vor längerer Zeit alle Scheine bis hin zum Sporthochseeschifferschein (SHS) gemacht. Das ist auch ganz gut so, denn neben der langjährigen Segelerfahrung kennt Christian auch die Theorie sehr gut, kann bei Bedarf einen Sextanten bedienen und Wetterlagen gut einschätzen. Ich hab während unseren gemeinsamen Segeltörns sehr viel von ihm gelernt!
Uns war es extrem wichtig, dass wir beide auch allein in der Lage wären unser Boot sicher in den nächsten Hafen zu bringen, falls einer von uns aus irgendwelchen Gründen ausfallen sollte. Es reicht schon ein verstimmter Magen oder eine mittelschwere Verletzung und schon ist man außer Gefecht gesetzt. Für beide ist es dann gut zu wissen, dass man den sicheren Hafen trotzdem noch erreichen kann. Gleich bei unserem ersten Törn mit der Krassy ließ ich mir zeigen wie man die Manöver fährt und seit dem ist das mein Job an Bord. Mit meinen 1,60 m Körpergröße auf einen wackeligen Steg zu springen ist zwar möglich, aber für mich relativ riskant. Wo Christian einen großen Schritt macht muss ich einen Weitsprung hinlegen, also hat sich unsere Arbeitsteilung ziemlich gut bewährt.
Hat man also ein seetüchtiges Boot mit einer verlässlichen Ausrüstung und ausreichend Segelerfahrung braucht man noch das wohl teuerste Gut: Zeit. Die meisten von uns sind den größten Teil ihres Lebens an ihre Berufe gefesselt. Sei es als Selbstständiger oder als Angestellter, in beiden Fällen muss man die Möglichkeit haben sich für einen längeren Zeitraum frei zu nehmen und das kann unter Umständen gar nicht so einfach sein. Wenn wir etwas gelernt haben, dann ist es, dass es nie den perfekten Zeitpunkt gibt und dass einem niemand etwas schenkt. Ein Arbeitgeber wird nicht sagen: „ach, jetzt wäre es günstig, willst du nicht vielleicht ein Sabbatical nehmen?“ Gerade wenn manseine beruflichen Auszeiten aufeinander abstimmen muss sollte mindestens einer bereit sein, seinen Job im Zweifelsfall aufzugeben. Wir hatten, was das angeht, bisher das Glück immer wieder auf unsere alten Arbeitsstellen zurückkehren zu können. Das ist aber nicht selbstverständlich.
Um das Arbeiten ganz an den Nagel hängen zu können braucht man natürlich entsprechende Rücklagen oder alternative Einkommensquellen. Sowas haben wir leider noch nicht und müssen daher nach unser Reise wieder arbeiten gehen. Ich beneide alle, die das Glück oder die Weitsicht hatten, ihre Zelte komplett abzubrechen und finanziell ungebunden für den Rest ihres Lebens unterwegs sein können. Das ist aber weiterhin eher die Ausnahme, es sei denn man hat einen Beruf, den man auch von unterwegs aus ausüben kann und der einträglich genug ist um die Kosten für ein Leben an Bord zu decken. Auch hier vermitteln die sozialen Medien zuweilen den Eindruck, dass es absolut kein Problem ist, unterwegs genug Geld zu verdienen ohne zu arbeiten. Vielleicht sind wir an dieser Stelle dann doch langsam zu alt und zu sicherheitsbedürftig um das für realistisch zu halten… Aber ich lasse mich natürlich gern eines besseren belehren!
Wenn man, wie wir, nur für begrenzte Zeit auf Reisen geht, dann stellt sich die Frage: was macht man mit seinem Zuhause? Wir wohnen in einer kleinen Mietwohnung, also gibt es im Prinzip 3 Möglichkeiten für uns. Wir könnten unsere Wohnung kündigen, unseren Kram einlagern und nach unserer Rückkehr eine neue Wohnung suchen. Das ist organisatorisch aber sehr aufwändig und wir mögen unsere Wohnung sehr. Alternativ könnten wir die Tür hinter uns schließen und die Miete weiter zahlen. Das hätte aber gleich mehrere Nachteile, denn es wäre nicht nur wahnsinnig teuer, sondern auch nicht gut für unsere Wohnung. Ein Jahr lang nicht zu lüften oder zu heizen ist keine allzu gute Idee, also würden wir diese Option sehr gern vermeiden. Wir haben uns für die dritte Möglichkeit entschieden: Untervermietung. Unser Vermieter ist einverstanden, dass wir für die Zeit unserer Abwesenheit einen Zwischenmieter in unsere Wohnung lassen. Wir haben einen Makler beauftragt, der bereits 2017 für uns einen Zwischenmieter gefunden hat und hoffen nun, noch rechtzeitig einen geeigneten Mieter zu finden. Unsere Möbel und viele unserer Sachen lassen wir in der Wohnung, nur die persönlichen Sachen räumen wir natürlich aus. Die kommen dann wahrscheinlich bei unseren Familien unter oder finden im Keller Platz.
Man muss so einiges bedenken, wenn man für ein ganzes Jahr oder länger das Land verlässt. Für die Vorbereitung der Reise inklusive aller Arbeiten am Boot, organisatorischen und logistischen Überlegungen und Aufwänden kann man nach unserer Erfahrung ca. 2 Jahre einplanen. Bei unserer zweiten Reise geht natürlich einiges schneller als beim ersten Mal, aber trotzdem ist der Aufwand nicht zu unterschätzen. Alle Dokumente wie Flaggenzertifikat, Visa und ähnliches zusammenzubekommen, Rettungsmittel warten zu lassen, Bootsreparaturen oder -optimierungen vorzunehmen, die Wohnung auszuräumen und vieles mehr frisst neben der Arbeit wahnsinnig viel Zeit. Aber ist man erst mal unterwegs, dann war die Vorbereitung jede Minute wert!