I want to believe

Lossiemouth, Schottland

Der Caledonian Canal liegt nun hinter uns, und wir sind immer noch ganz begeistert von der letzten Woche. Wir hatten eine 7 Tage-Transitlizenz gekauft, die gestern (am 26. August) abgelaufen ist. So stand schon von Anfang an fest, dass wir die letzte Seeschleuse in Inverness gestern passieren mussten. Die Lizenz kostet ca. 27 Pound Sterling pro Meter, und im Preis inbegriffen sind die meisten Anleger entlang des Kanals, die ganz ähnlich wie ordentliche Marinas mit Duschen und Toiletten, manchmal auch mit Waschmaschinen und Trocknern ausgerüstet sind. 

Am Sonntag nach den Highland Games absolvierten wir das letzte Drittel von Loch Ness, und endlich war mal wieder genug Wind da, dass wir segeln konnten! Es wäre auch echt eine Schande gewesen, über den wohl berühmtesten See des Königreichs nur zu motoren. Außerdem wollten wir Nessie noch sehen, und man munkelt, dass die Chancen besser sind, wenn der Motor nicht läuft, denn das Ungeheuer ist wohl sehr scheu. Wir hielten also gründlich Ausschau und sahen: Nüscht. Naja, nicht ganz nichts, denn interessanter Weise waren punktuell immer mal wieder ein paar kleine Wellen an der Wasseroberfläche zu sehen, die wir keinem anderen Schiff zuordnen konnten. Für Vögel oder springende Fische waren sie jedenfalls zu groß. Hat da etwa jemand den Kopf aus dem Wasser gesteckt? Wir denken: Ja!

Um das berühmte Seeungeheuer drehen sich viele Geschichten und Legenden, die zurückreichen bis ins Jahr 565. Damals war es wohl Columban von Iona, ein irischer Mönch, der einen seiner Gefolgsleute vor einem Angriff eines Wassertieres im Fluss Ness rettete, indem er dem Tier mit Gottes Hilfe befahl von dem unglücklichen Mann abzulassen. Der Hype um Nessie begann aber erst 1933, als eine angebliche Sichtung es in die Lokalmedien geschafft hatte und so eine Horde von Journalisten aus London anlockte. So gab es bis in die 2000er immer wieder mal Sichtungen oder unscharfe Fotos, es gab wohl auch Versuche, Nessie per Sonar oder Taucher aufzuspüren, aber so richtig erfolgreich war das alles nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass das Wasser im Loch Ness sehr tief ist (bis zu 230m) und durch den hohen Torfgehalt sehr trüb. Wir denken, dass Nessie einfach zu schlau ist und sich all die Jahre gut versteckt hat. Never stop believing!

So kamen wir Sonntag Nachmittag, nachdem wir noch einmal eine einzelne Schleuse und einen letzten „Lock Flight“, bestehend aus vier Schleusenkammern, absolviert hatten, im Binnenhafen von Inverness an, der nördlichst gelegenen Stadt des vereinigten Königreichs und der kulturellen Hauptstadt der schottischen Highlands. Den Montag nutzten wir für eine kleine Stadterkundung, für einen größeren Lebensmittel-Einkauf und für eine Ladung Wäsche. Und obwohl wir am liebsten wieder umgekehrt wären, um ein zweites Mal durch den Kanal zu fahren, müssen wir uns allmählich wieder unserer Reiseplanung widmen und die nächsten Schritte in Angriff nehmen.

Wir möchten möglichst bald die Nordsee in Richtung Norwegen überqueren. Die ist allerdings nicht gerade für ihr gutes Wetter bekannt, es gibt viel Verkehr und Offshore-Plattformen, und mittlerweile wird es nachts schweinekalt. Es deutete sich ein mögliches Wetterfenster an, wenn wir Montag oder Dienstag gestartet wären. Von Inverness wären das ca. 320 sm bis Stavanger, also wahrscheinlich drei Nächte auf See, wenn wir nicht bei Dunkelheit ankommen wollen. 

Die letzten milden Tage (auch in Deutschland) hatten wir tatsächlich Erin zu verdanken, dem ersten großen Hurricane der Saison, der jetzt als außertropisches Tiefdruckgebiet nach Europa kommt. Der scheint sich westlich von Irland festzusetzen und allmählich aufzulösen, bestimmt aber hier sehr dominant das Wetter. Für unsere nächste Etappe hieße das vorwiegend Südliche bis Südöstliche Winde mit 4-5 Windstärken. Erin bringt aber auch ordentlich Böen mit. Und je nachdem, in welches Modell man schaut, können die auch großflächiger auf 7 Windstärken hochgehen. Das schockt uns normalerweise nicht besonders, allerdings würden wir einen Großteil der Strecke am Wind oder gar hart am Wind zurücklegen. Und da machen 7er Böen wirklich keinen Spaß. 

So beschlossen wir, erstmal nichts zu überstürzen und in den nächsten Tagen nach Peterhead zu fahren, dem östlichsten Punkt des schottischen Festlands. Peterhead ist perfekt gelegen, denn von dort aus ist die Überfahrt nach Stavanger nur noch ca. 260 sm lang – also nur etwas mehr als schlappe 48h. Außerdem hat das den Vorteil, dass wir noch ein paar Tage in Schottland bleiben können!

So sind wir am Dienstag in die Nordsee geschleust und für eine Nacht in den Außenhafen von Inverness gegangen. Eigentlich war bestes Wetter, um ein paar Meilen weiter zu fahren. Die Häfen hier entlang des Moray Firth, der Bucht, in dessen Scheitel Inverness liegt, sind aber fast allesamt Gezeitenhäfen, die man nur um Hochwasser herum erreichen kann. Und die Gezeit passte gestern nicht.

So ging das heue für uns weiter, der Wecker klingelte erbarmungslos um halb sieben, und noch vor sieben gingen die Leinen los. 5 Knoten Strömung spülten uns aus Inverness heraus und spuckten uns in die Nordsee. Nun liegen wir in Lossiemouth, einem netten Örtchen am Moray Firth. Die Hafeneinfahrt ist für uns jeweils drei Stunden vor und nach Hochwasser passierbar , und so kamen wir schon gegen 13h an, etwa zwei Stunden vor Hochwasser. 

Genug Zeit also, einmal durch den echt schönen Ort zu laufen und uns einen netten Pub für ein Mittagessen zu suchen. Auf das Pint hätten wir vielleicht verzichten sollen, denn das hat in Verbindung mit dem Schlafmangel ordentlich eingeschlagen… Morgen geht es ähnlich früh weiter nach Osten. Freitag wollen wir Peterhead erreicht haben. Am Wochenende scheint es sehr stürmisch zu werden, und danach hoffen wir mal, dass wir eine gute Gelegenheit bekommen, nach Norwegen rüber zu huschen. Ewig Zeit haben wir ja nicht mehr…

Vor uns liegt jetzt übrigens die Spey Bay, wo der River Spey ins Meer mündet. Whisky-Liebhaber werden jetzt sicher hellhörig. Hier kommt nämlich der gute Speyside-Whisky her. Entlang des Flusslaufes liegen wahnsinnig viele Destillerien, auch einige der ganz bekannten Namen. Anlass für mich, bei unseren nächsten Pub-Besuchen noch ein paar  der hiesigen edlen Tropfen zu probieren.  

Steffi hat heute übrigens ein größeres Strick-Projekt beendet. In Galway hatte sie sich einen Berg Wolle gekauft, und seitdem nutzte sie jede ruhige Überfahrt und jeden gemütlichen Abend, um an ihrem Projekt weiter zu stricken. Und heute ist er fertig, ihr  Norweger-Pullover, kurz bevor es rüber geht nach Norwegen, und pünktlich zum nordeuropäischen Spätsommer, der uns schon öfter dazu bewogen hat, die Dieselheizung anzuschmeißen. Kann sich schon sehen lassen, oder? 😊

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2 thoughts on “I want to believe

  1. Moin,

    wow, tolle Arbeit der Pulli. Die Geduld so etwas anzufertigen – bei dem Muster darf man sich wohl auch keinen Fehler erlauben(?) – hätte ich wohl nicht.
    Gute Überfahrt nach Norwegen – wobei „Erin“ Euch wohl noch bis Montag ärgern wird.

    1. Moin Jürgen,

      die Geduld hätte ich auch nicht! 😂 Es ist schon abgefahren, wie viel Planung in so einem Pulli steckt. Allein um das Muster mitsamt der Verjüngung zum Kragen hin zu entwerfen, hat Steffi viele Stunden und viele Seiten Karo-Papier benötigt. Und dann muss sie wirklich ständig mitzählen, um keinen Fehler zu machen. Und wenn dann doch mal einer passiert ist, wird halt wieder aufgetrennt…

      Jetzt haben wir erstmal ein paar Hafentage gewonnen, und dann sehen wir, wie es weitergeht. Kann sein, dass sich zur Mitte der Woche etwas auftut…

      LG!

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