Flaggen und Fritten 

Wir haben es geschafft! Zum 4. Mal haben wir jetzt den Atlantischen Ozean bezwungen und somit auch endlich die ganz langen Passagen hinter uns. Über beides sind wir ehrlich gesagt ganz froh. 

Unsere Überfahrt von den Azoren war relativ ereignislos. Die erste Hälfte war noch ziemlich anstrengend, denn mit Halbwind liegt die Krassy permanent auf der Seite, was den Alltag äußerst beschwerlich macht. Da muss man aufpassen, dass man nicht wie ein Flummi durchs Boot fällt oder einem das Essen vom Teller rutsch. Kommt dann auch noch eine Welle dazu, wird es umso ungemütlicher. Nach den ersten Tagen merkten wir beide so langsam, wie uns die rauen Bedingungen zusetzten. Blaue Flecken und müde Knochen sind beim ständigen Rollen und Stampfen fast unumgänglich. Und das mit dem Schlafen funktioniert auch nur so la-la. Wir stellen langsam beide fest, dass wir älter werden… Aber immerhin kamen wir flott voran und allmählich wurde die See ruhiger und der Wind drehte ein bisschen, sodass unser Bordalltag deutlich an Qualität gewann. 

Der durchgehend graue Himmel und die kühler werdenden Temperaturen erinnerten uns daran, dass wir jetzt nicht mehr in karibisch warmen Gefilden unterwegs sind, dafür stieg der Luftdruck konstant an und ließ uns sicher wissen, dass wir uns im Azorenhoch bewegten. Und das wiederum bescherte uns in den letzten Tagen auf See noch richtig schönes Segeln. 

Und ein paar Begegnungen der besonderen Art hatten wir natürlich auch: ein riesig großer Wal – wir vermuten ein Blauwal – tauchte nur wenige Meter hinter uns aus dem Wasser auf. Zuerst hatten wir nur ein lautes Schnaufen gehört, aber dann sahen wir den massiven Rücken des Tiers mit der kleinen Flosse. Wie ehrfürchtig man angesichts so eines Tieres in freier Wildbahn wird, lässt sich kaum beschreiben. Der Wal tauchte nur ein paar mal auf und verschwand nach wenigen Sekunden wieder in den Weiten des Ozeans, aber wir konnten zumindest ein paar halbwegs brauchbare Fotos machen. 

Kurz vor Irland bevölkerten dann unzählige Delfine die See. Wie so oft begleiteten uns die eleganten Meeressäuger immer wieder oder jagten ganz in unserer Nähe. In der Karibik hatten wir uns noch ein ums andere Mal gefragt, wo eigentlich die ganzen Delfine hin sind – jetzt wissen wir‘s: in Irland! 

Die Krassy hielt sich auf der Überfahrt alles in allem ganz tapfer und muckte nur gelegentlich mal rum. Nicht nur wir haben ab und an Weh-Wehchen, auch unser treues Boot… Eine unserer Winschen rastete nicht mehr richtig ein, also mussten wir hier einmal den Deckel abnehmen, ein bisschen schmieren und die Winsch gab wieder ihr gewohnt sicheres Klacker-Geräusch von sich. 

Auch für das elende Quietschen, das wir unserem Ruderlager in die Schuhe geschoben hatten, fanden wir die eigentliche Ursache: die Steuerzüge der Ruderanlage quietschten! Ein bisschen WD-40 – der beste Freund des Seglers – und plötzlich war Ruhe. Na also, damit war dann auch die Achterkabine wieder für Nachtwachen nutzbar. 

Ein bisschen mehr Kopfweh bereitete uns mal wieder der Motor, denn das Problem, das wir schon in Horta mit der Kühlwasser-Zirkulation hatten, war plötzlich wieder da. Dummes Gefühl, wenn man mitten auf dem Atlantik in der Flaute steht und Motor kein Kühlwasser fördert… Sowas passiert übrigens auch ausnahmslos nachts, sonst wär‘s ja langweilig… Wir bekamen das Kühlwasser schließlich doch wieder in Gang und haben ganz stark das Schnüffelventil (mein absolutes Lieblings-Bauteil – neben dem Lümmelbeschlag) im Verdacht. Das werden wir die Tage mal ausbauen und reinigen, denn möglicherweise sind hier die Rückschlagklappen durch Salz oder Kalk verklemmt und verhindern so, dass der Kühlwasserkreislauf in Gang kommt. Zum Glück trat das Problem nur ein einziges Mal auf, bei jedem weiteren Starten des Motors lief alles wie gewohnt. 

Nach 10 Tagen und 5 Stunden auf See mit 1.322 Seemeilen (also einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,4 Knoten) erreichten wir vorgestern Abend Dún Laoghaire (ganz wichtig: das spricht sich Dun-Leery, so verraten es einem hier sogar die Mülltonnen). Ursprünglich anvisiert hatten wir das im Süden der Insel gelegene Cork, aber der Wind war so günstig, dass wir unterwegs entschieden, doch noch in die Irische See hinein und Richtung Dublin hoch zu segeln. Die Gezeit war dabei auch ganz auf unserer Seite und schob uns mit fast 3 Knoten Strömung Richtung Norden. Dún Laoghaire ist so eine Art Vorort von Dublin und hat eine riesige, außerordentlich gut geschützte Marina und einen S-Bahn-Anschluss in die Hauptstadt. Ganz ungewohnt nach langen Etappen konnten wir uns hier schon unterwegs auf einen Liegeplatz, die obligatorische Dusche und ein Abendessen freuen, denn bei einem kurzen Anruf in der Marina bekamen wir gleich eine Liegeplatznummer mitgeteilt und konnten so ganz entspannt ankommen. 

Wie üblich hatten wir, sobald wir die irischen Gewässer erreichten, unsere Gastlandflagge gehisst. Die Flagge des besuchten Landes an Steuerbord in den Mast zu hissen ist eine Geste der Höflichkeit und für uns als Langfahrer selbstverständlich. Vielleicht könnt ihr euch auch noch daran erinnern, dass ich vor unserer ersten Reise in einem kleinen Mammut-Projekt alle Flaggen für unsere mögliche Route als Rohlinge nähte und dann entsprechend bemalte. Das Ganze bekam natürlich noch eine passende Flaggentasche, die seither im Salon der Krassy hängt und immer wieder interessierte Blicke und Nachfragen auf sich zieht, wenn wir Gäste an Bord haben. Die Flaggen waren wahrscheinlich das bisher aufwändigste Geburtstagsgeschenk, dass ich Christian je gemacht habe, aber wir haben sie seit dem fast alle benutzt! Fast alle, denn unter anderem in Irland waren wir mit der Krassy bisher noch nicht. Und erst als wir die Einfahrt der riesigen Mole erreichten, die den Hafen schützt, stutzten wir beide kurz. Auf dem Molenkopf wehte eine überdimensionierte irische Flagge in grün, weiß und orange. Wir bewunderten gerade die leuchtenden Farben als unsere Blicke fast zeitgleich in unseren Mast hoch glitten: ach du Scheiße! Was fuhren wir denn da durch die Gegend?! Italien? Nee, auch nicht. Unsere Flagge war falsch herum – wie peinlich! Schnell wieder runter mit dem kleinen Stoffstück, bevor das noch jemand sieht… Zum allerersten Mal mussten wir ohne Gastlandflagge in einem fremden Land einlaufen, aber hey, besser als unser grässlicher Faux-pas! Heute kauften wir beim Ausrüster schnell eine neue Flagge, leider viel zu groß (und ganz schön teuer), aber das ist dann wohl der Preis für meine Unachtsamkeit beim Flagge malen. 

Irland empfing uns trotz Flaggen-Fail so herzlich, wie es nur geht. Die Gastliegeplätze in diesem wirklich großen Hafen sind zwar am hintersten Ende des Stegs, aber der Hafenmeister war absolut liebenswert und gab uns auch gleich ein paar Tipps, wo wir ein leckeres Abendessen finden könnten. Uns zog es aber zuerst in den Pub, denn seit wir die USA verlassen haben, haben wir insgesamt über 30 Tage – einen ganzen Monat – auf See verbracht und dafür sollte es jetzt einen anständigen Anleger geben! 

Wir hatten gehofft im Pub auch eine herzhafte Mahlzeit zu bekommen, aber hier gabs nur Flüssignahrung. Egal, ein Guiness, Live-Musik und zwei weiche Sessel in gemütlicher Umgebung ließen uns so richtig ankommen! Nachdem wir unsere Gläser geleert hatten taumelten wir aus dem Pub um endlich was zu futtern. Auf den Azoren bekam man vor 19 Uhr nirgendwo ein Abendessen, hier in Irland ist um 21 Uhr schon die Küche kalt. Kurz vor Knapp konnten wir gerade noch zwei Burger mit Pommes bestellen, genau das Richtige, nach der Zeit auf See! So richtig erklären können wir es nicht, aber wir haben festgestellt, dass lange See-Etappen bei uns beiden ein unbändiges Verlangen nach Pommes auslösen. Falls da einer von euch eine Erklärung für hat, dann immer her damit. 

Nach einer herrlich ruhigen Nacht und einer ausgiebigen Dusche wollten wir den Tag gestern ganz entspannt angehen und uns um die Krassy kümmern. Die Duschen hier sind übrigens eine kleine Kuriosität, die wir so noch nie gesehen haben: da der Weg von unserem Ende des Steges zum Land wirklich weit ist, hat die Marina einen alten Kahn zum Dusch-Boot umgebaut. Das urige Stahlboot ist mit mehreren Kabinen ausgestattet, die vollständige und erstaunlich geräumige Badezimmer enthalten. Komplett mit Klo, Dusche, Haartrockner und Waschbecken ist alles da, was man braucht! 

Auch von offizieller Seite bekamen wir noch kurz Besuch. Der Zoll klopfte freundlich an, als wir gerade mit dem Frühstück fertig waren, kontrollierte unsere Papiere und wünschte uns dann einen schönen Tag. Da wir aus der EU in die EU eingereist sind, müssen wir gar nicht groß was machen, der Zoll kommt nur, da Irland offenbar nicht zum Schengen-Raum gehört. Durchsucht haben die Jungs nichts und der Besuch war rundum freundlich. 

Eigentlich wollten wir heute direkt mit der Bahn nach Dublin rein fahren und die Stadt erkunden, aber nachdem wir gestern ausgiebig die Krassy geputzt und eine riesige Ladung Wäsche gewaschen haben, sind wir beide hundemüde. Heute gönnen wir uns doch noch einen Ruhetag. Und außerdem ist Dún Laoghaire auch ganz hübsch. 

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