Ballycastle, Nordirland
Ihr werdet es nicht glauben, aber seit unserer Ankunft in Norfolk, Virginia, absolvierten wir auf unserem Weg von Belfast nach Ballycastle nun zum ersten mal wieder eine reine Tagesetappe! Jedes Mal, wenn wir seit Norfolk die Leinen los geworfen hatten, waren wir durch mindestens eine Nacht gesegelt, also freuten wir uns umso mehr zur Abwechslung mal wieder am gleichen Abend einen Hafen zu erreichen.
Bevor wir uns auf den Weg machten um Belfast Richtung Norden zu verlassen, hatten wir im Hafen noch eine kleine, aber lustige Wild-Life-Begegnung. Ein Otter huschte über den Steg, als wir gerade aus der Stadt zurück gekommen waren. Vorsichtig folgten wir dem Tier, denn anfangs waren wir uns nicht ganz sicher, was für einer Tierart wir hier begegnet waren. Der Otter sprang in ein verlassenes kleines Plastikboot und trank dort das auf dem Boden des Bootes stehende Regenwasser. Wir wunderten uns ein wenig, warum der Otter beim Laufen so ein lautes Klappern von sich gab, als wir sahen, dass er offenbar mit seiner Vorderpfote versucht hatte eine Miesmuschel zu packen. Die Muschel war aber schlauer als der Otter und hatte sich fest zugeklappt. Dummerweise hatte der pelzige Räuber sein Pfötchen sozusagen schon in der Keksdose gehabt und so klemmte die Muschel nun fest an seiner Tatze und klapperte bei jedem Schritt auf dem Boden. Helfen konnten wir dem Otter leider nicht, denn wir wollten uns einerseits nicht leichtfertig so einem wilden Tier nähern und andererseits hätte er sich sicher auch nicht anfassen lassen. Auf eine Tetanus-Auffrischung können wir gut verzichten…



Dank einer kräftig mitschiebenden Strömung kamen wir auf dem Weg nach Norden gut voran, dafür hatten wir allerdings kaum Wind und mussten einen guten Teil der Strecke den Motor mithelfen lassen. Tja, dass der Motor laufen musste, war allerdings nicht das größte Problem, dass uns der fehlende Wind bescherte. Schon eine Weile lang hatten uns so komische schwarze Fliegen umschwirrt. Diese Viecher waren ausgesprochen nervig, denn sie hatten nicht nur keinerlei Selbsterhaltungstrieb, sie flogen einem auch einfach so direkt ins Auge, setzen sich in die Haare oder fielen einem hinten in den Kragen. Wir wedelten die ganze Zeit mit den Händen herum um die lästigen Biester zu vertreiben, bis es mir irgendwann reichte und ich nach unten in den Salon abhaute.
Damit wir nicht auch noch überall Fliegen im Boot hätten, steckten wir unser Plexiglas-Schott ein und verschlossen so den Niedergang. Christian war mal wieder härter im Nehmen als ich und harrte draußen aus, wo er das Geschwirre stoisch ertrug. Irgendwann hörte ich allerdings einen entsetzten Aufschrei. Der Wind kam von hinten, der Motor schob uns vorwärts, sodass an Bord absolute Windstille herrschte und wir waren gerade ganz offensichtlich in einen biblischen Schwarm der schwarzen Selbstmord-Fliegen reingefahren! Der normalerweise weiße Windgenerator und unsere Radom-Antenne waren so dicht mit den kleinen Fliegen voll, dass beide komplett schwarz aussahen. Das Deck, die Sprayhood und Windschutzscheibe und sogar der Mast waren über und über mit schwarzen Punkten gesprenkelt! Ekelhaft!



Christian schoss erst mal ein paar Fotos, drehte die Krassy in den Wind und fegte dann mit einem Besen so viele Fliegen von Bord wie möglich. Statt wegzufliegen fielen die meisten einfach herunter und unser Deck und das Cockpit sahen plötzlich aus wie ein Massengrab für Insekten. Sowas hatten wir noch nie erlebt!
Kurz nachdem Christian wieder auf Kurs gegangen und ich mich aus meiner Deckung getraut hatte, ging es schon wieder los. Mittlerweile musste man wirklich aufpassen, wo man hin griff um dabei nicht eine ganze Fliegenfamilie versehentlich auszurotten. Erst als endlich etwas Wind aufkam wurde es besser, die Krassy war allerdings gesprenkelt mit zerquetschten Fliegen…
In Ballycastle legten wir im kleinen gemütlichen Yachthafen an und pünktlich zu unserer Ankunft setzte der Regen ein. Wir beschränkten unseren Rundgang durch den Ort also auf ein Minimum, konnten aber immerhin feststellen, dass es hier wirklich nett aussieht. Für uns ging es an diesem Abend früh ins Bett, denn wir hatten für den folgenden Tag mal wieder große Pläne.


Nach einem schnellen Frühstück packten wir unsere große Kamera mit dem Tele-Objektiv ein, schmierten uns ein paar Brote und machten uns auf den Weg um unsere Fähre nach Rathlin Island, Nordirlands nördlichster Insel, zu erwischen. Hier sollte es eine Kolonie der niedlichen kleinen Papageientaucher oder auch Puffins geben, die sich an der Westspitze der Insel zum Brüten niederlassen. Normalerweise leben diese Seevögel tatsächlich das ganze Jahr über auf See, vor allem im Nordpolarmeer, und kommen nur zur Brutzeit im Frühjahr an Land um dort ihre Jungen aufzuziehen. Google hatte uns verraten, dass diese Brutzeit normalerweise bis Anfang August andauerte und so hatten wir gehofft noch nicht zu spät dran zu sein.
Ich nehm das jetzt mal vorweg: natürlich waren wir zu spät dran! Und zwar knapp zwei Wochen, denn der Sturm Flores hatte vor kurzem endgültig dafür gesorgt, dass die Kolonie aufgebrochen war. Mist! Das hatten wir schon befürchtet…
Bis wir mit einem Bus am Seevogel-Zentrum an der Westküste der kleinen Insel angekommen waren, hatten wir noch gehofft, dass wir vielleicht doch noch den ein oder anderen Puffin sehen würden, aber erst als man uns ein Eintrittsgeld abgenommen hatte und wir die Aussichtsplattform betraten, von der aus man die Vögel beobachten kann, sahen wir, dass nicht nur keine Puffins, sondern so gut wie gar keine Vögel mehr dort waren. Ich fühlte mich ehrlich gesagt ein bisschen verarscht, denn in jedem Hafen flattern mehr Seevögel herum als hier! Einzig eine Handvoll Eissturmvögel zog hier noch seine Kreise, die hatten wir allerdings auch auf See schon einige Male gesehen. Da wir bisher nicht gewusst hatten wie diese Vögel heißen – wir Ornitologen für Arme – hatten wir sie übrigens einfach „Bully Vögel“ genannt. Mit ihrem kurzen, dicken Hals und den kräftigen kleinen Flügeln wirkten sie nämlich ein bisschen wie die Schulhof-Prolls, die sich gern mal ein bisschen aufspielen.







Nachdem wir eine Weile die wenigen Eissturmvögel beobachtet hatten machten wir uns enttäuscht auf den Rückweg. Auf der Internetseite des Seevogel-Zentrums war mit keinem Wort erwähnt worden, dass bereits ALLE Vögel weg sind, nicht mal, dass die beliebten Puffins bereits weitergezogen waren. Vielleicht wären wir dann gar nicht erst hier her gekommen…
Aber gut, so ist es eben manchmal und vielleicht waren wir einfach schlecht informiert. Eine gute Lektion, dass man nicht alles glauben sollte, was im Internet steht…

Wir wanderten von der Westküste der Insel auf der einzigen, sehr schmalen Straße in den Hauptort der Insel zurück und ließen uns dabei viel Zeit um die tolle Landschaft zu bestaunen. Immerhin hatte die Insel auch ohne Vögel einiges zu bieten, denn auf den sanft geschwungenen, von lila und gelben Blumen bewachsenen Hügeln grasten Kühe und Schafe, am Wegesrand wuchsen bunte Blumen und das allgegenwärtige, saftige Grün ließ keinerlei Zweifel daran, dass wir hier in Irland sind.










Im Ort schauten wir uns eine Weile lang um bevor wir uns auf der Terrasse des örtlichen Pubs ein alkoholfreies Guiness (erstaunlich lecker!) gönnten und dann mit einer früheren Fähre als ursprünglich geplant zurück nach Ballycastle übersetzten.
Wir hätten wirklich sehr gerne noch ein paar Puffins gesehen, aber das muss dann wohl noch ein Weilchen auf unserer Wunschliste warten. Und trotzdem hatten wir einen schönen Tag auf einer ausgesprochen ruhigen Insel. Wenn man mal erleben will, wie es ist die Natur richtig zu genießen, dann ist Rathlin Island genau der richtige Ort dafür. Und die rasante Fahrt mit der Fähre zurück nach Ballycastle machte zudem noch besonders viel Spaß!