Wie man einen Berg hinauf segelt

Caledonian Canal, Schottland

Wir befinden uns mit der Krassy gerade unglaubliche 32 Meter über dem Meeresspiegel. Das klingt nicht nach viel, aber für eine Segelyacht ist das eine unglaubliche Höhe – zumindest, wenn sie dabei noch immer im Wasser ist. 

Und wie sind wir hier her gekommen? Über die Treppe. Neptun’s Treppe, um genauer zu sein. Denn wir sind endlich an einem unserer Sehnsuchtsziele angekommen: dem Caledonian Canal. Schon seit Jahren haben wir darüber philosophiert, wie wir es schaffen könnten in einem ganz normalen Jahresurlaub von wenigen Wochen von Cuxhaven aus hier her zu segeln und kamen dabei immer wieder zum gleichen Schluss. Gar nicht. Das wäre einfach zu weit um dann die Zeit in Schottland genießen zu können. Aber zurück zur Treppe: Der Caledonian Canal ist eine 97 km lange Wasserstraße, die quer durch Schottland von Fort William bis nach Inverness führt. Der Kanal verläuft dabei durch das sogenannte Great Glen (großes Tal) und durchquert einige natürliche Gewässer. Genauer gesagt durchfährt man auf dieser Strecke das berühmte Loch Ness, wo man nach dem mystischen Monster Nessi Ausschau halten sollte und einen See mit dem großartigen Namen Loch Lochy. Herrlich! Ich frag mich immer noch, wer sich den Namen mal ausgedacht hat… 

Und was hat das jetzt mit Treppen zu tun? Ihr fragt euch zu Recht. Da der Kanal praktisch einmal quer durch die wunderschönen Highlands verläuft, gibt es hier eine gewisse Höhendifferenz zwischen den verschiedenen Abschnitten. Genauer gesagt beträgt diese Differenz ganze 32 Meter und das ist für eine Wasserstraße ziemlich viel. Die einzige Möglichkeit um Boote bergauf und bergab zu bewegen sind Schleusen und davon gibt es hier im Kanal stolze 29 Stück. Wo die Höhenunterschiede besonders groß sind, findet man Kaskadenschleusen, das heißt, hier sind mehrere Schleusenkammern direkt hintereinander angeordnet in denen man jeweils ein paar Meter Höhe überwindet. Die größte ist dabei die Neptun‘s Staircase mit unglaublichen 8 Schleusenkammern, die wir heute durchfahren haben. Und das war mal wieder ein ganz schönes Abenteuer, kann ich euch sagen! 

Als wir nach dem Frühstück Fort William verließen, hatten wir nur eine kurze Distanz hinter uns zu bringen, denn der Eingang zum Kanal liegt direkt hinter der Stadt in Corpach. Hier meldeten wir uns sich zunächst per Funk bei der ersten Schleuse an und konnten dann auch gleich einfahren. Man begrüßte uns ganz typisch für Schottland mit ehrlicher Herzlichkeit und wir bekamen ein paar Unterlagen, einen Plan vom Kanal und einen Schlüssel für die am Weg liegenden Sanitäranlagen ausgehändigt. In der ersten Schleuse in Corpach ging es gleich einige Meter für uns nach oben und als die Krassy langsam in die Höhe stieg kamen nach und nach ein paar spitze Öhrchen und die Nase eines Hundes in Sicht. Lock-Dog Luna, der Schleusenhund wartete mit einem Stock im Maul sehnsüchtig darauf, dass wir endlich mit ihm spielten. Das Stöckchen wurde oben an der Kaimauer abgelegt und Luna spähte mit angespannten Muskeln abwechselnd auf mich und ihr Spielzeug. Das Problem war nur: wir waren noch viel zu weit weg. Als ich endlich den Stock erreichen konnte und ihn auf die Wiese warf stürzte Luna glücklich hinterher und wollte gleich weiter spielen. So ging es, bis sich die Schleusentore öffneten. In der darauf folgenden Doppelschleuse wartete Luna wieder sehnsüchtig an der Kaimauer, wieder mit einem Stöckchen und erwartungsvollem Blick. Es gibt schlimmere Arten sich beim Schleusen die Zeit zu vertreiben… 

Nach der Doppelschleuse waren wir schon ein ganzes Stück über den Meeresspiegel aufgestiegen, jetzt folgte Neptun‘s Treppe. Ein bisschen aufregend war es schon, denn die Spuntwände sind hier ziemlich hoch und anders als bei den Schleusen im Kielkanal oder in Holland gibt es hier weder Schwimmstege, die mit hoch oder runter fahren, noch kann man auf halber Höhe die Leine um eine Klampe legen. Man macht oben auf der Mauer fest und muss dann die Leine entsprechend nachführen. Wir waren das einzige Boot, das hier schleuste und so kümmerte sich gleich ein ganzes Grüppchen gut gelaunter Schleusenwärter um uns und half mit den Leinen. 

Das Ganze läuft hier so ab: man fährt mit sehr langen Leinen an Bug und Heck in die Schleuse ein und wirft diese dann zu einem Helfer hoch. Dann klettert mindestens ein Crewmitglied nach oben und übernimmt die Leine. Hat man genügend Leute an Bord, sollte man besser 2 Personen auf die Kaimauer schicken, denn die ziehen das Boot von Kammer zu Kammer. Da einer an Bord bleiben, das Boot steuern und mit dem Motor langsam in die nächste Kammer fahren muss, während oben die beiden Leinenhelfer vorsichtig ziehen, blieb ich am Steuer. Nebenbei musste ich auch aufpassen, dass die Fender an Ort und Stelle bleiben und wir uns nicht den Rumpf verschrammeln, denn mal liegt hier direkt an einer uneben gemauerten Wand an. Zum Glück fahren wir seit Jahren ein Fenderbrett durch die Gegend, das wir jetzt zum ersten Mal nutzten. Die lange Holzdiele verhindert, dass die Fender auseinander rutschen und sorgt zusätzlich dafür, dass auch die Fender nicht völlig zerkratzt oder eingerissen werden. 

In den Schleusenkammern war ordentlich Strömung durch die sich öffnenden und schließenden Tore und natürlich durch das einströmende Wasser. Die Krassy an Ort und Stelle zu halten war also eine kleine Herausforderung, aber bei 8 Kammern stellt sich spätestens nach der dritten ein gewisser Lerneffekt ein. Die gesamte Kaskade zu durchfahren dauert etwa 90 Minuten in denen man immer wieder die gleichen Handgriffe macht und dabei von unzähligen Touristen bestaunt und fotografiert wird. Schon witzig, wie der ein oder andere sich „ganz unauffällig“ vor der Krassy in Stellung brachte um sich fotografieren zu lassen. Ist aber auch ein wirklich schönes Boot! Ich jedenfalls hatte ziemlich viel Spaß dabei zuzusehen, wie einige ganz heimlich ihr Handy in Stellung brachten und dann Selfies in sexy Posen machten, auf denen wir im Hintergrund an den Leinen herumracken… Wenn das mal nix fürs Familienalbum ist, dann weiß ich’s auch nicht! Manche sprachen uns auch an und so kamen wir, während wir warteten, dass sich die Kammern füllten auch hier und da in einen netten Schnack. 

Anstrengend war die Schleusenkaskade allemal, aber das hier ist schon was ganz besonderes, das man sicher nicht alle Tage erlebt! Wir freuen uns jetzt darauf, eine ganze Woche lang den Kanal zu durchqueren, 18 Schleusen liegen dabei aber noch vor uns. 

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2 thoughts on “Wie man einen Berg hinauf segelt

  1. Hi ihr zwei.
    Eine schöne kleine Geschichte. Die Lektüre hat wie gewohnt Spaß gemacht.
    Auch Back in Europe habt ihr jede Menge spannende Erlebnisse. Toll! Schönes Finale eurer Auszeit wünsche ich euch weiterhin.

    Viele Grüße
    Thomas

    1. Moin Thomas,

      ja, good old Europe… Uns ist auch wieder bewusst geworden, wie toll Europa doch eigentlich ist. Man muss gar nicht so weit in die Ferne schweifen, um schöne Orte zu finden. So stehen nun, nach einem Jahr Segeln, die europäischen Reviere (Galizien, Irland, Schottland) ganz weit oben auf unserer Favoritenliste.

      LG!

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