A Day at the Races

Galway, Irland

Da in den nächsten Tagen ein fieser Sturm über die britischen Inseln ziehen soll, hatten wir schon beschlossen noch ein paar Tage länger in Dún Laoghaire zu bleiben. Allerdings wollten wir auch ein bisschen was vom Land sehen, solange wir die Krassy noch guten Gewissens allein im Hafen lassen konnten. Irland ist ziemlich einfach zu bereisen, denn es gibt hier ein gut ausgebautes Bahn- und Busnetz und da das Land so klein ist, ist man auch in wenigen Stunden auf der anderen Seite der Insel. 

Unser Ziel war Galway im County Connemara. Ich war vor vielen Jahren mit einer Freundin dort und hatte den kleinen Ort an der Westküste noch in guter Erinnerung. Die Zugverbindung dort hin war ab Dublin ganz einfach, also buchten wir einfach ein Zugticket und schauten dann nach Hotels in der Stadt. Huch, die waren aber teuer! Das hatten wir nicht erwartet. Wir bekamen zu einem stolzen Tarif noch ein Zimmer in einem netten Bed & Breakfast in der Stadt und beschlossen, dass das offenbar hier die Tarife sind. Mit der Buchungsbestätigung der Unterkunft kam dann aber die Erklärung: in Galway ist Festival-Saison und an diesem Wochenende findet dort das Event des Jahres statt, die Galway Races! Das ist das größte Pferderennen im Land und wird im Laufe der Woche von ca. 140.000 Menschen besucht. Das erste Rennen fand hier bereits 1869 statt und wurde fortan zur Tradition in Galway. Da mussten wir hin! Eigentlich hatten wir geplant eine ganztägige Bustour zu den berühmten Cliffs of Moher zu machen, aber die Steilküste könnten wir uns auch ein anderes Mal ansehen. So ein Pferderennen ist doch die spannendere Veranstaltung, vor allem, wenn es offenbar so ein lokales Highlight ist. 

Eine kurze Recherche ergab, dass auf dem Gelände des Rennens der inoffizielle Dresscode „Smart Casual“ herrschte. Christian kramte also sein einziges Hemd aus dem Schrank (das er nur für den Fall dabei hatte, dass wir mal in einem edlen Yachtclub absteigen…), ich packte ein Kleid ein und auf dem Weg zum Bahnhof organisierten wir für Christian noch eine passende Fliege zum Hemd, die ihm einen Hauch von Karl Lauterbach verlieh… 

Nachdem wir in unserer gemütlichen Unterkunft die schweren Taschen abgestellt hatten spazierten wir noch eine Runde durchs abendliche Galway, wo wir in einem Pub was essen wollten. Die Straßen des kleinen Ortes waren bunt geschmückt und die Pubs waren brechend voll. Nicht nur das, die Leute sahen alle aus als wären sie gerade von einer schicken Hochzeit zurückgekommen. Die Mädels in hautengen, bunten Abendkleidern mit perfektem Haar und Make-up, die Jungs in Anzug oder zumindest Chino-Hose und Hemd, gern auch mal kombiniert mit Weste oder Troyer, aus dem die Krawatte herausblitzte. Ganz schön edel…

Beim Abendessen bekamen wir, auch was die Rennen am folgenden Tag anging, schon mal eine kleine Vorschau. Zum Shepard‘s Pie lief im Hintergrund auf dem Fernseher die Live-Übertragung der Pferderennen und wir konnten uns schon mal ganz grob mit dem Ablauf vertraut machen. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle auch erwähnen, dass wir beide sowohl was Pferde, als auch Wetten angeht, völlig ahnungslos sind. 

Am Samstag Morgen warfen wir uns wie geplant in Schale und machten uns auf den Weg in die Stadt. Vom zentral gelegenen Eyre Square fuhren im Minutentakt Shuttle-Busse zum Rennplatz, wo sie ihre gut gekleidete Fracht abluden. Neben dem 1 1/4 Meilen langen Race Track befand sich das Festival-Gelände mit einer großen Tribüne, Champagner-Lounges, Food Trucks und natürlich der Parade Ring, auf dem sich die Buchmacher in einem großen Kreis aufgestellt hatten um Wetten anzunehmen. 

Da wir wie gesagt keine Ahnung von Pferdewetten hatten, ließen wir uns das Ganze mal erklären. Zuerst kauften wir uns eine sogenannte Race Card, ein kleines Heftchen in dem man alle Informationen zu den Rennen des Tages findet. Detailliert kann man hier alles Wissenswerte zu jedem einzelnen Pferd nachlesen, was man für seine Wettentscheidung braucht: Alter, Zuchtlinie, gelaufene und gewonnene Rennen, Jockey, Besitzer und noch viele andere Infos, die uns Laien größtenteils etwas rätselhaft blieben. Vor jedem Rennen kann man dann bei den Buchmachern sehen, wer welche Quote für welches Pferd anbietet. Die Quote sagt aus, wieviel man für jeden eingesetzten Euro zurückbekommt, wenn man gewinnt, also zum Beispiel bei einer Quote von 1:20 bekäme man im Fall eines Sieges 20 Euro für jeden eingesetzten Euro als Gewinn heraus. Allerdings sinkt die Quote je wahrscheinlicher ein Sieg ist. Die Favoriten haben dabei immer die schlechtesten Gewinne, macht ja auch Sinn. Im besten Fall hat man also auf einen Außenseiter mit hoher Quote gesetzt, der dann unerwartet gewinnt, aber das passiert offenbar eher selten. Wetten kann man auf Sieg oder auf Platz, in Irland bekannt als „win“ oder „each way“. Bei einer Wette auf „each way“ ist der Einsatz doppelt so hoch wie bei der Wette auf Sieg, dafür gewinnt man hier schon, wenn das Pferd, auf das man gesetzt hat unter den ersten 3 ins Ziel geht (je nach Anzahl der antretenden Pferde auch mehr). Der Gewinn ist dann zwar nur anteilig, aber insgesamt ist die Gewinnchance deutlich höher. 

Beim Einsatz muss man also abwägen, wie viel Risiko man eingehen will und ob man es wagt auf einen Außenseiter zu setzen. Das wichtigste beim Wetten ist aber sich ein Limit zu setzen. Wir hatten uns im Vorfeld jeder einen Betrag zum Wetten als Obergrenze gesetzt und verteilten diesen den ganzen Tag über auf die verschiedenen Rennen. Und wollt ihr mal raten? Richtig: wir haben nicht gewonnen! Egal, wir hatten trotzdem Spaß, denn ganz besonders wenn man auf ein Pferd gesetzt hat, ist es wahnsinnig spannend beim Rennen mitzufiebern und sein Pferd anzufeuern. 

Über den Tag verteilt gab es 8 Rennen mit jeweils zwischen 10 und 24 Pferden. Übrigens müssen für einen Sieg immer sowohl Pferd als auch Reiter ins Ziel laufen. Klingt Banane, aber tatsächlich kam gleich beim ersten Rennen des Tages ein Pferd ohne Jockey über die Ziellinie gelaufen… Wo der Reiter unterwegs abgeblieben war, bleibt ein Rätsel. In der halben Stunde zwischen den Rennen konnte man seine Wetten platzieren, Getränke oder Essen erstehen, Live Musik genießen und natürlich die Leute beobachten. Und hier gab es einiges zu sehen! Die aufgestylten Damen, die allesamt schon nach kurzer Zeit ihre Highheels gegen bequeme FlipFlops oder sogar Hauspantoffeln austauschten und mit ausgefallenem Kopfputz beeindruckten, wie man ihn sonst nur von Royal Weddings kennt, Gruppen von fachsimpelnden Männern, die die bunt gekleideten Damen umwarben und natürlich auch den ein oder anderen bierernsten Wettprofi, der fachmännisch die Race Cards studierte. Pferdewetten sind nur so lange lustig, wie man sich unter Kontrolle hat und es sich leisten kann zu verlieren. Nur damit wir uns richtig verstehen: Wetten kann schnell zur ernsthaften Sucht werden, wir wollen hier nicht den Eindruck vermitteln, dass uns das nicht bewusst ist. Falls ihr also mal wetten wollt, dann tut das, aber tut es umsichtig. 

Nachdem auch die letzten Pferde auf die wir gesetzt hatten eher unter dem Motto „Zwo -Eins-Rohrkrepierer“ irgendwo im Mittelfeld ins Ziel gestolpert waren, machten wir uns langsam auf den Weg zurück in die Stadt. Pünktlich zu unserem letzten Rennen hatte der Regen eingesetzt und wir fragten uns langsam, wie viele der sehr, sehr leicht bekleideten Damen wohl nächste Woche mit einer Erkältung das Bett hüten würden. Es wurde richtig kalt und so waren wir froh in Galway wieder in einen gemütlichen, wenn auch sehr vollen Pub eintauchen zu können, wo wir an diesem Abend sogar eine Live-Band bekamen, die irische Klassiker spielte. Ein rundum gelungener Tag, auch wenn wir durchgehend auf die falschen Pferde gesetzt hatten… 

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