Der Millionär und der heilige Geist

Dún Laoghaire, Irland

Wenn wir schon mal in einem Vorort von Dublin sind, dann machen wir natürlich auch einen Ausflug in die Irische Hauptstadt. Da Dún Laoghaire ein offizieller Vorort Dublins ist, verfügt der kleine Ort praktischerweise über eine direkte S-Bahn-Anbindung in die Stadt – und das auch noch genau vor den Türen der Marina. Wir mussten uns also nur ein Ticket aus dem Automaten ziehen und konnten dann ganz bequem in einen der Züge einsteigen, die hier alle 15 Minuten in die Stadt fahren. 

Unsere Bahn spuckte uns mitten in Dublin aus, wo wir uns direkt im Großstadtgewimmel wiederfanden. Nach Den Haag, London, Lissabon, Washington D.C. und New York City reiht sich Dublin nun in die Liste der Weltstädte ein, die wir auf unserer Reise schon besuchen durften. 

Dublins Geschichte reicht weit zurück, denn die erste Erwähnung fand dieser Ort bereits im Jahr 140. Der Name Dublin entstand jedoch erst über die Zeit und geht zurück auf ein von den Wikingern gegründetes Dorf namens Duiblinn, was so viel bedeutet wie „Schwarzer Teich“. Erst später, im Jahr 988 erhielt die Stadt ihren irischen Namen Baile Átha Cliath. Falls ihr euch jetzt fragt wie man das ausspricht: keine Ahnung! In Irland ist tatsächlich ALLES, was man auf irgendwelchen Schildern, Wegweisern oder sogar öffentlichen Durchsagen liest und hört immer auf Irisch und dann auf Englisch. Zwar hört man die keltische Sprache im Alltag sonst kaum, trotzdem ist sie allgegenwärtig. Um ehrlich zu sein, für mich klingt Irisch immer ein bisschen wie Klingonisch und ist auch ähnlich gut oder schlecht zu verstehen… Meine Harry Potter Ausgabe auf Irisch mit dem schönen Titel „Harry Potter agus an Órchloch“ hab ich allerdings schon gefunden! 

Wir ließen uns wie üblich erst mal ein wenig durch die Stadt treiben, bummelten durch ein paar Einkaufsstraßen, ließen uns durch das Ausgehviertel Temple Bar treiben und spazierten zu ein paar der großen Sehenswürdigkeiten. Anders als London oder New York City strahlt Dublin mit seinen ca. 520.000 Einwohnern nicht ganz so viel Großstadt-Flair aus, verlässt man aber die allzu touristischen Bereichen, kann man hier einige schöne Fleckchen entdecken. Immer mal wieder stolpert man in kleine grüne Oasen hinein, wenn man zufällig wieder mal einen kleinen Park gefunden hat und was Shopping angeht lassen sich die Dubliner auch nicht lumpen! 

Am frühen Nachmittag meldete sich wie ein Schweizer Uhrwerk unser Hunger. Ich weiß ja nicht, ob es euch schon aufgefallen ist, aber wir essen gerne. Und ganz besonders gern probieren wir uns durch die lokale Küche, wenn wir ein fremdes Land besuchen. Im Vorfeld hatte ich also schon mal nachgeschaut, was man in Irland unbedingt mal gegessen haben sollte. Das Internet war sich hier einig: Irish Stew und natürlich alles mögliche aus Kartoffeln, quasi das Nationalgemüse dieses Landes. Irish Stew ist ein deftiger Fleischeintopf, oft aus Lamm- oder Hammelfleisch, mit Wurzelgemüse und gewürzt mit Kümmel. Ich war da also raus, denn ich esse vieles gern, aber Hammelfleisch und Kümmel sind ganz eindeutig zwei Dinge, die mir jedes noch so leckere Essen verderben können. Zum Glück hat Irland aber mehr zu bieten als ein einziges Nationalgericht. 

In einem wahnsinnig gemütlichen Pub etwas außerhalb der Touristenmeilen wurden wir fündig. Hier bekam Christian ein Irish Stew (mit Lamm, statt Hammel) und für mich gab‘s Bangers & Mash, herzhafte Würstchen auf cremigem Kartoffelbrei mit einem riesigen Berg hausgemachter Röstzwiebeln oben drauf. Lecker! 

Das herzhafte Essen war genau richtig, denn wir hatten für den Nachmittag noch was vor. Irland ist nicht nur bekannt für seine Kartoffeln, sondern auch noch für ein anderes Nahrungsmittel: Whiskey. Statt uns dem Touristenstrom in der Guiness-Brauerei anzuschließen wollten wir lieber eine Whiskey-Destillerie besichtigen. Wir hatten uns die eher unbekanntere Pearse Lyons Destillerie herausgesucht, die besonders dadurch interessant wurde, dass sie in einer alten Kirche untergebracht ist. 

In einer kleinen Gruppe führte uns eine sympathische junge Französin durch die wunderschön renovierte Kirche und über das umliegende Gelände. Die Tour startete mit einem liebevoll gemachten Film, in dem vor allem der 2018 verstorbene Pearse Lyons höchstpersönlich zu Wort kam und erzählte, wie die Destillerie überhaupt in eine Kirche kam. Lyons und seine Frau hatten im Jahr 2013 die völlig verfallene Kirche samt umliegenden Friedhofs erworben. Pearse Lyons war hier nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft aufgewachsen, die Kirche hatte auch deshalb einen großen persönlichen Wert für ihn, da hier eine ganz Reihe seiner Ahnen auf dem Friedhof beerdigt worden war. 

Die St. James Church (übrigens bezogen auf den Heiligen Johannes, der auch der Patron der Jakobspilger ist), wurde in ihrer langen Geschichte mehrfach zerstört und wieder aufgebaut. Zuletzt in den 1860er Jahren restauriert und wieder eröffnet wurde die Kirche nur ca. 100 Jahre später wieder stillgelegt und dem Verfall überlassen. Grund hier für war, dass es zu dieser Zeit im katholischen Irland nicht mehr genügend Protestanten gab, die die Kirche besuchen konnten. Wer nicht katholisch war, war zu dieser Zeit bereits nach Nordirland oder nach Übersee ausgewandert. Für eine protestantische Kirche gab es also keine Verwendung mehr. 

Als die Lyons‘ das alte Gebäude erwarben, war die Spitze des Kirchturms durch einen Blitzschlag zerstört und vollständig abgebaut worden, die Dächer des Kirchenschiffs waren allesamt undicht und an einigen Stellen waren sogar Bäume aus dem Dach heraus gewachsen. Der umliegende Friedhof war so überwuchert, dass nicht mehr zu erkennen war, dass hier noch Grabsteine standen. Der – sagen wir mal – gemütlich wohlhabende Lyons hatte sich für die Restaurierung der Kirche und des Friedhofs sowie dem Aufbau einer Whiskey-Destillerie einen Zeitrahmen von 4 Jahren und ein Budget von 4 Millionen Euro gesteckt. Die Stadt Dublin hatte aber anderes vor, denn nur 2 Wochen nachdem Lyons und seine Frau das Gebäude erworben hatten, änderte die Stadt den Status der Kirche um und erklärte diese für denkmalgeschützt. Dieser fiese kleine Schachzug bedeutete nicht nur, dass für die Restauration ausschließlich Original-Materialien verwendet werden musste, sondern auch, dass Budget und Zeitrahmen mit einem Knall gesprengt wurden. Aus 4 Jahren wurden 5 und aus 4 Millionen wurden 20 Millionen Euro. Für Pearse Lyons war es ein Herzensprojekt und da er es sich offensichtlich leisten konnte, nahm er den Mehraufwand in Kauf um dem Stadtteil in dem er selbst groß geworden war, seine Kirche in neuem Glanz zurückzugeben. 

Die Restauration des Gebäudes war eine Sache, der Friedhof eine ganz andere. Schnell wurde Lyons klar, dass auf dem Friedhof mehr zu finden war, als gedacht und so heuerte er eine Archäologin an, die nicht nur einige interessante Grabbeigaben fand, sondern auch jeden einzelnen Grabstein katalogisierte und den Hintergrund der Menschen recherchierte, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Die meisten von ihnen stellten sich dabei übrigens als ehemalige Brauerei-Mitarbeiter heraus. Steht man am Fuß der Kirche und blickt über den kleinen Friedhof stellt man schnell fest, dass man sich hier auf einem Hügel befindet. Bei den Arbeiten am Friedhof wurde klar, dass dies offenbar daran lag, dass hier mehrere Schichten an Gräbern übereinander liegen. In insgesamt 8 Lagen hatte man über die Jahrhunderte um die 100.000 Menschen auf dem Friedhof beigesetzt und so war ein stattlicher Hügel angewachsen. Klingt ein bisschen makaber, ist aber gar nicht unüblich bei alten Kirchen… 

Lyons Frau Deirdre leitete den Wiederaufbau des Kirchengebäudes und da sie zufällig auch Künstlerin ist und besonders mit dem Werkstoff Glas arbeitet, wurde entschieden, die zerstörte Turmspitze aus eben jenem Material nachzubauen. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, denn das Gebäude sieht von innen wie von außen top aus! Die traditionellen kupfernen Kessel runden das besondere Flair dieser ungewöhnlichen Destillerie noch ab. Und auch wenn es bei unserer Besichtigung nicht so aussah, hier wird tatsächlich Whiskey – und auch Gin – produziert, von dem wir am Ende der Tour noch ein paar Sorten probieren durften. Ein Glück hatten wir gut gegessen… 

P.S.: Sorry an unsere lieben Abonnenten, aber wir hatten in den letzten Wochen ein paar Problemchen mit unserem Mail-Service, deshalb sind nicht immer alle Benachrichtigungen über neue Beiträge rausgegangen. Das Problem ist jetzt hoffentlich endgültig behoben. Falls ihr einen Beitrag verpasst habt, dann könnt ihr hier auch noch mal die alten Posts nachlesen.

Written by 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.