Dudelsäcke und starke Frauen

Drumnadrochit, Schottland

Im kleinen Ort Drumnadrochit gibt es einen winzigen und sehr flachen Hafen, der genau einen Liegeplatz für ein Segelboot hat. Schon vor einiger Zeit hatten wir diesen einen Platz gefunden und lauerten darauf. Zwar ist es wahrscheinlich der einzige Liegeplatz im Caledonian Canal, für den wir bezahlen müssten, aber er hatte einen entscheidenden Vorteil für uns: in Drumnadrochit fand heute ein Event statt, das wir unbedingt besuchen wollten! Dazu später mehr… 

Als wir gestern die Urquhard Bay erreichten waren wir aus der Ferne nicht ganz sicher, ob der goldene Liegeplatz noch frei wäre, aber als wir näher kamen stellten wir fest, dass wir Glück hatten! Wir legten also in knapp 2 Metern Wassertiefe an, zahlten gleich online für 2 Nächte und freuten uns diebisch. 

Da es noch recht früh am Nachmittag war, stiefelten wir als erstes los Richtung Ort, denn hier sollte es einen kleinen Tea Room geben, an den auch eine Farm angeschlossen ist. Hier hätten wir eine gute Chance die berühmten Highland Cows aus der Nähe zu sehen. Diese Kuhart sieht besonders hübsch aus, weil sie nicht nur lange, spitze Hörner, sondern auch ein goldfarbenes, zotteliges Fell habt, das den Kühen meist lässig ins Gesicht fällt. Die Highland Kühe sind in den Souvenier-Läden omnipräsent, denn man kann dort allen erdenklichen Plunder kaufen, von dem aus einem diese Kühe die lange Zunge entgegenstrecken. 

Der Tea Room war ein typisch britisches, super gemütliches Café in dem wir uns einen klassischen Afternoon Tea mit Sandwiches und natürlich Scones mit Marmelade und Clotted Cream bestellten. Wir genossen unseren Snack mit einer wundervollen Aussicht auf die Weiden und wie es hier ebenfalls üblich ist von bunt zusammengewürfeltem Geschirr. Die Kühe waren auch da und zwar ein wenig abseits der Terrasse, wo die Besucher des Cafés sie füttern und streicheln konnten. Man könnte fast den Eindruck bekommen, diese Tiere sind es gewohnt für Fotos zu posieren, so perfekt blickten sie in unsere Kameras. Welche die hübscheste ist, das überlassen wir euch zu entscheiden. Christian macht bei dem Wettbewerb übrigens auch mit, den frisurentechnisch steht er den Highland Cows in nichts nach! 

Das eigentliche Event für das wir hier sind, fand dann aber erst heute statt: das Glenurquhart Highland Gathering & Games! Die Highland Games gehören zu Schottland wie der Whisky, finden aber nur ein mal im Jahr in verschiedenen Orten statt. Wir hatten riesiges Glück, dass ausgerechnet an diesem Wochenende hier am Loch Ness eine der größeren Veranstaltungen dieser Art stattfand. Aber was genau sind eigentlich Highland Games? Im Kern handelt es sich um einen Wettkampf, bei dem sich die Schotten in traditioneller Tracht – also Kilt – in verschiedenen Disziplinen messen. Dazu gehören hauptsächlich Kraftsportarten, die allerdings einen kleinen Twist haben. Neben Kugelstoßen und Hammerwerfen werden zum Beispiel auch riesige Baumstämme geworfen. Das Ganze wird begleitet von viel Tradition: Kilts in den Tartans der verschiedenen Clans, Volksfeststimmung und natürlich Dudelsäcke. Parallel zu den Disziplinen der sogenannten Heavy Games gab es am Vormittag auch noch ein Radrennen, verschiedene Langstreckenläufe und, ein wenig wie bei den Bundesjugendspielen, auch Leichtathletik-Disziplinen wie Hoch- und Weitsprung, Staffelläufe und Sprints, in denen der schottische Nachwuchs glänzte. 

Das wirklich besondere an diesen Highland Games war, dass hier zum allerersten Mal die Weltmeisterschaft der Heavy Games für Frauen stattfand. Im Mittelpunkt standen also diesmal nicht die Herren der Schöpfung, sondern richtig starke Frauen! Insgesamt traten 8 Frauen aus Schottland, den USA und England an, ihnen gegenüber stand der Wettbewerb unter den Männern, für den es allerdings nur 4 Teilnehmer gab. Alle, Männer wie Frauen, wirkten auf den ersten Blick als würden sie kleine Kinder frühstücken, aber im Laufe der Wettbewerbe wurden wir langsam vertrauter mit dem kleinen Grüppchen und es kristallisierten sich die Eigenheiten jedes und jeder einzelnen heraus. Und Kraft, so viel kann man schon mal sagen, hatten und brauchten alle von ihnen. 

Nach dem Kugelstoßen und Hammerwerfen hatte sich schon eine klare Favoritin hervorgetan: die gerade mal 16 Jahre alte Jules Ramsay brach ihren eigenen Rekord im Hammerwerfen und knackte damit inoffiziell sogar den Weltrekord für den von einer Frau am weitesten geworfenen Hammer aller Zeiten (über 100 ft.). Unauffällig und schüchtern wurde Jules im Verlauf des Nachmittags nicht nur zum Publikumsliebling, sie glänzte auch in jeder einzelnen Disziplin und gewann schließlich absolut verdient diese erste Weltmeisterschaft. Stolz und Schüchternheit wechselten sich auf dem Siegertreppchen in ihrem jungen Gesicht ab, als sie ihren Preis in Empfang nahm und von ihren Mitstreiterinnen und dem Publikum gefeiert wurde. Die Stimmung war ausgelassen und auch wenn die sportlichen Leistungen natürlich die eigentliche Attraktion waren – allen voran das Werfen von 200 Pfund schweren Baumstämmen – gab es für uns auch unter den Zuschauern viel zu sehen. 

Touristen und Einheimische vermischten sich auf dieser Veranstaltung recht ausgeglichen, auch wenn der ein oder andere Touri etwas peinlich auffiel: im Kilt aus dem nächstgelegenen Geschenkeladen und mit Flip Flops… Völlig unpassend unter den aufwändig in der Tracht ihres jeweiligen Clans zurechtgemachten Schotten. Selbst die Hunde waren hier immer wieder ein Hingucker, denn wir sahen fast ausschließlich Jagdhunde, die meisten von ihnen reinrassig. Vom dicken Basset bis zum jungen Dackel war hier alles dabei! 

Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete natürlich das sogenannte „Caber throwing“, also das Werfen der Baumstämme. Die Stämme der Herren waren dabei 20 Fuß lang, nur mal zum Vergleich: die Krassy ist 35 Fuß lang. Das sind also richtig große Stämme! Der Schiedsrichter, der diesen Teil des Wettkampfes begleitete, warf übrigens im Jahr 1971, also vor über 50 Jahren, selbst bei den Glenurquhart Games zum ersten Mal einen Baumstamm. Sowohl die Schiedsrichter als auch viele Gäste, Teilnehmer und ganz besonders der Vorsitzende der Veranstaltung trugen nicht einfach nur einen Kilt, sondern liefen hier in vollem Ornat auf. Auch das machte sicherlich einen großen Teil der Attraktion des Tages aus. 

Parallel zum Sportereignis gab es noch einen Dudelsack-Wettbewerb und natürlich eine ganze Dudelsackband, die zwischendurch immer mal wieder eine Runde um den Sportplatz marschierte. Die Band lieferte sich am Nachmittag sogar noch einen Wettkampf im Tauziehen, mit der lokalen Tauzieh-Sportgruppe (die Band hat übrigens gewonnen). 

Besonders niedlich war eine Kindertanztruppe die fast den ganzen Tag lang auf einer kleinen Bühne tanzte. Die Mädels dürften heute nacht gut schlafen, denn sie tanzten schier unermüdlich in ihren Tartan-Kleidchen, begleitet von einem ähnlich unermüdlichen Dudelsackspieler. 

Auch wir sind am Ende dieses ereignisreichen Tages ordentlich erschöpft. Auf der Kamera sind über 1000 Fotos, die wir für diesen Beitrag wohl leider etwas ausdünnen müssen, aber wir hatten jede Menge Spaß! Und euch wünschen wir jetzt genau so viel Spaß dabei euch die Bilder anzusehen. Währenddessen werden wir versuchen das nachhallende Gedudel der Dudelsäcke aus den Ohren zu kriegen… 

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