Ein Schlückchen Torf gefällig?

Port Ellen, Islay, Schottland

Wenn man an Schottland denkt, dann fallen einem normalerweise gleich ein paar Dinge ein: Kilts, Dudelsäcke, Haggis und natürlich Whiskey. Die Schotten saufen gelinde gesagt wie die Löcher, denn Scotch ist hier das Nationalgetränk und im 17. Jahrhundert gab es in diesem Land um die 14.000 Schwarzbrennereien. 

Bekannt als „aqua vitae“ – „Wasser des Lebens“, woraus sich über ein paar komplizierte Umwege über die gälische Sprache später der Begriff „Whiskey“ entwickelte, wurde das Gebräu zunächst nur von den Mönchen in Klöstern hergestellt und für medizinische Zwecke verwendet. Schnell lernten jedoch die Bauern, die Herstellung des Whiskey aus ihrem reichlich vorhandenen Getreide zu übernehmen. Eigentlich war für das Brennen von Whiskey eine Lizenz notwendig, als jedoch bekannt wurde, wie lukrativ der Verkauf des Getränks war, sprießten die Schwarzbrennereien wie Pilze aus dem Boden. Das ging so weit, dass irgendwann kaum noch Getreide zur Ernährung der Bevölkerung übrig war und so wurden über die Jahre verschiedene Steuern eingeführt, mit deren Hilfe man versuchte, der Schwarzbrennerei Herr zu werden. Über 200 Jahre hielt sich ein Katz- und Maus-Spiel zwischen Steuereintreibern und Schmugglern und erst, als 1822 der Illicit Destillation Act verabschiedet und damit auch die legale Herstellung von Whiskey wirtschaftlich attraktiv wurde, verschwanden innerhalb kürzester Zeit die illegalen Brennereien. 

Heute vielleicht einer der bekanntesten Orte für schottischen Whiskey ist die Insel Islay auf den inneren Hebriden. Islay spricht sich übrigens Ai-lar, was unter eingefleischten Kennern des edlen Tröpfchens wohl ein wichtiges Partywissen darstellt… Hier auf der Insel gibt es eine ganze Reihe bekannter Destillerien, die allesamt schwere, rauchig-torfige und mitunter sehr teure Whiskeys herstellen. Von Port Ellen aus kommt man auf einem Spazierpfad entlang der einzigen Straße innerhalb von wenigen Kilometern an Laphroaig, Lagavulin und Ardbeg vorbei. Ursprünglich bezeichneten diese Namen die an der Küste liegenden Orte, heute kennt man sie allerdings nur noch für ihre Whiskeys. Wohnen tut hier kaum noch jemand. 

Christian wollte unbedingt eine der Destillerien besichtigen. Der Andrang ist allerdings groß und so konnten wir nur noch bei der größten, Ardbeg, Tickets für eine Tour buchen. 

Im winzigen Supermarkt in Port Ellen besorgten wir uns vorsorglich ein paar deftige Snacks und machten uns auf den Weg ins ca. 5 km entfernte Ardbeg. Der Pfad entpuppte sich als herrliche Möglichkeit Schottland zu erkunden, denn wir liefen über sanfte, üppig grüne Hügel an Schaf-, Kuh- und Ponyweiden entlang. Der dramatisch graue Himmel trug sein übriges zur Schottland-Bilderbuch-Stimmung bei und so verging der Fußmarsch wie im Flug. Da wir noch ein bisschen Zeit bis zu unserer Tour hatten, hielten wir unterwegs bei Lagavulin an und schauten uns im gut ausgestatteten Shop um. Für eine Flasche rauchigen Whiskeys kann man hier gemütlich 180 Pfund auf den Tisch legen und ein besonderer Tropfen ganz oben im Regal trug ein Preisschildchen auf dem der unglaubliche Betrag von 2400 Pfund zu lesen war… Fast noch absurder fand ich allerdings die Duftkerzen, die nach verbranntem Torf riechen. Wer will denn bitte sowas?! Eine freundliche Verkäuferin bot uns gleich ein Schlückchen zum probieren an und so bekamen wir den ersten torfigen Schluck des Tages. Nennt mich Banause, aber das Zeug schmeckt mir einfach nicht. Es riecht und schmeckt wie flüssige Blumenerde und anschließend brennt einem nachhaltig die Zunge. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und auch ich kann gelegentlich mal meinen Horizont erweitern. Christian weiß ein gepflegtes Gläschen verbrannten Torf dafür ab und an durchaus zu schätzen. 

Im Gegensatz zum gediegenen Lagavulin machte Ardbeg im ersten Moment den Eindruck eines Themenparks. Nicht nur war das ganze Gelände um einiges größer, hier empfingen uns auch schrill-bunte Dekorationen an den typisch weiß getünchten, traditionellen Gebäuden der Destillerien. Auf dem weitläufigen Vorplatz stand ein Food-Truck und rund herum machten es sich Leute an Picknicktischen gemütlich. Überall fanden wir Abbildungen von einem kleinen weißen Hund mit braunem Köpfchen, der eine Art Maskottchen zu sein schien. Wir meldeten uns im Besucherzentrum für unsere Tour und bekamen neben unseren wirklich schicken Eintrittskarten auch gleich das nächste Probiergläschen in die Hand gedrückt. Wieder verbrannte Blumenerde…

Unsere Tour war komplett ausgebucht, was bedeutete: wir beiden und ein sympathisches Pärchen aus Italien, die hier Urlaub machen. Das wars. Unser Tourguide stellte sich als Anna vor und an ihrem Akzent konnte man sofort erkennen, dass sie wohl aus dieser Gegend stammt. Und tatsächlich, Anna ist im Nachbarort aufgewachsen und hat somit den Whiskey quasi mit der Muttermilch aufgesogen. 

Anna konnte uns dementsprechend einiges über die Geschichte von Ardbeg erzählen. Auch diese Brennerei hat ihre Ursprünge seit 1794 im Schwarzbrennen, wurde aber als legale Brennerei offiziell zu Beginn des 19. Jahrhunderts von John Macdougall gegründet, dessen Familie die Firma bis 1959 führte. Nach mehreren Schließungen in den folgenden Jahrzehnten, kaufte Glenmorangie 1997 Ardberg auf. Und da Glenmorangie mittlerweile zu Louis Vuitton (LVMH) gehört, gehört nun auch Ardberg zum Luxuskonglomerat.    

Besonders die 1980er Jahre waren eine schwere Zeit für die schottische Whiskey-Industrie. In den vorangegangenen Jahren war viel produziert worden und so führte das Überangebot, gepaart mit der weltweiten Wirtschaftslage aufgrund der Ölkrise, dazu, dass viele bekannte Destillerien schließen mussten, einige für immer. Unter den Destillerien, die es damals nicht schafften sich durch die Krise zu retten, war übrigens auch Port Ellen, die erst im vergangenen Jahr wieder eröffnet wurde und heute ganz exklusive Whiskeys aus über 40 Jahre alten Beständen anbietet. 

Übrigens klärte Anna auch die Frage auf, was es eigentlich mit dem Hund auf sich hat. Shorty, wie der kleine heißt, war der Hund einer Familie aus dem Dorf. Er kam jeden Tag zur Destillerie und besuchte dort die Mitarbeiter, die ihn wie ihren eigenen Hund aufnahmen. Bald schon suchte die Familie nicht mehr nach Shortie, denn sie wussten, dass er sich bei Ardbeg herumtrieb, wann immer er nicht zu hause war. Er galt als die „torfigste Nase von Islay“ („peatiest nose of Islay“) und wurde zum Maskottchen der Marke Ardbeg. Shortie starb 2014, bei Ardbeg lebt sein Vermächtnis aber weiter. 

Anna erzählte uns auch die verrückte Geschichte einer Chinesin, die vor einigen Jahren mit ihrem privaten Helikopter auf dem Vorplatz der Destillerie landete. Sie stieg aus und verlangte nach dem Geschäftsführer, dem sie ihr Anliegen vortrug: sie wollte ein Fass kaufen. Als man ihr erklärte, die Destillerie verkaufe keine ganzen Fässer, sondern nur abgefüllte Flaschen, machte die Dame ein Angebot. Sie wollte 16 Millionen Pfund zahlen. Diese Nennung dieser Summe war wie erwartet ein Türöffner und tatsächlich verkaufte Ardbeg der Sammlerin ein Fass von 1975 und erzielte damit den höchsten Verkaufspreis, der je für ein Fass Whiskey gezahlt wurde. Den Inhalt des Fasses darf die gute Frau übrigens nicht weiterverkaufen, sie kann sich also mehr oder weniger nur selbst an ihrem Kauf erfreuen. Man gönnt sich ja sonst nichts… 

Unsere Tour führte uns in die Destillerie, wo Anna uns nicht nur die historischen, sondern auch die aktuell genutzten Brennblasen zeigte und den Herstellungsprozess erklärte. Das Besondere am Whiskey von Islay ist der intensive rauchig-torfige Geschmack (wie gesagt, Blumenerde…). Der entsteht dadurch, dass die gekeimte Gerste, also das Malz, über Torf-Feuern getrocknet wird, bevor man sie zu Alkohol vergärt. Islay und viele andere der Hebriden-Inseln sind im Grunde, wie Anna es nannte, Torfhaufen. Allerdings wird dies zunehmend zum Problem, denn nicht nur ist der Whiskey in den letzten Jahren zum absoluten Trend-Drink geworden, was die Produktionen und somit den Bedarf an Torf enorm gesteigert hat, es wurden auch neue Umweltbestimmungen erlassen. Torf bildet sich extrem langsam, genau genommen dauert es ca. 1000 Jahre, bis sich in den Mooren aus abgestorbenen Pflanzenresten Torf bildet. Ist dieser aufgebraucht, gibt es also so schnell keinen Nachschub mehr. Zudem ist besonders in tief liegenden Torfschichten extrem viel CO2 gebunden, das beim Verbrennen wieder freigesetzt wird. Auch das möchte man heutzutage möglichst vermeiden. 

Torf ist übrigens ansonsten ein hervorragender Brennstoff, denn die Erdklumpen können sogar in feuchtem Zustand entzündet werden. Und überraschenderweise ist unverbrannter Torf auch vollkommen geruchsneutral. 

Nachdem aus der alkoholischen Lösung in den Brennblasen durch mehrfache Destillations- und Filterprozesse der glasklare, ungereifte Whiskey extrahiert wurde, beginnt der Prozess, der später für die unterschiedlichen Aromen verantwortlich ist: die Reifung in Holzfässern. Ardbeg ist übrigens bekannt dafür sich nicht immer an die althergebrachten Techniken und Traditionen zu halten und auch gern mal etwas ausgeflippter und experimentierfreudiger zu sein. So wurde beispielsweise mal ein Whiskey mit intensivem Aroma hergestellt, indem vor der Lagerung die Innenseiten der Fässer so stark verkohlt wurden, dass sie wie eine Alligator-Haut aussahen. Das gab der Sonderedition ihren Namen: Ardbeg Alligator. Eine andere ganz spezielle Edition entstand, als die Destillerie eine Probe ihres Whiskey für ganze 3 Jahre mit einer Rakete ins All schoss um ihn in der Schwerelosigkeit der ISS reifen zu lassen. Der während dieser Zeit auf der Erde reifende Whiskey wurde anschließend unter dem Namen „Supernova“ verkauft. Ganz schön verrückt, aber Marketing können sie hier wohl… 

Das Highlight unserer Tour war das Lager. In einem alten, recht feuchten Lagerhaus findet man die wertvollen Fässer aus verschiedenen Jahren. Hier durften wir uns aus einem von 4 Fässern eines zum Probieren auswählen. Christian und ich entschieden uns für den Whiskey aus einem alten Sherry-Fass, der seit 2010 dort reift. Christian durfte den Holzstopfen aus dem Fass lösen und mit einer altertümlichen Pipette eine Probe der kostbaren Flüssigkeit herausholen, die wir dann zum Probieren in unsere Gläser gefüllt bekamen. Nachdem wir mittlerweile schon das ein oder andere Glas zwecks Geschmacksprobe geleert hatten, konnte sogar ich feststellen, dass es sich hier um eine ganz besonders feine Blumenerde handelte! 

Nach der Tour hatten wir beide so langsam alle Lampen an und mit brennenden Zungen machten wir uns auf den Rückweg – diesmal im Slalom… Selbstverständlich wollte Christian es sich nicht nehmen lassen, auch noch bei der dritten Destillerie, Laphroaig, vorbeizuschauen. Dort drückte man uns jeweils ein Probefläschchen in die Hand und ich war froh, nicht noch ein Glas trinken zu müssen. 

Auch wenn Whiskey im Allgemeinen und der Whiskey von Islay im Speziellen wirklich nicht mein Lieblingsgetränk ist, hatten wir heute doch einen echt interessanten Tag. Mit der belebten Geschichte des „aqua vitae“ kann ich deutlich mehr anfangen als mit seinem Geschmack, aber mindestens der Spaziergang durch die wunderschöne schottische Landschaft war ein Schlückchen Torf allemal wert. 

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4 thoughts on “Ein Schlückchen Torf gefällig?

  1. Moin, also mein Ding ist Whisky auch nicht, scheint so’n Jungsding zu sein. Vermutlich mag Christian auch gerne Rote Beete, die hat ja auch so einen erdigen Geschmack 😄. Die Liebe zu dem Trunk kommt wohl von dem grauen Wetter, das ist nur im Suff zu ertragen?
    Liebe Grüße von
    Anja und Armin

    1. Ja, die Geschmäcker sind unterschiedlich. Rote Beete findet tatsächlich bei Steffi mehr Gegenliebe als bei mir.

      Und wie das Wetter sonst hier so ist: Keine Ahnung. Wir hatten die letzten Wochen jedenfalls top-Wetter, das auch ganz ohne Suff auszuhalten war. ☺️

      LG

  2. P. S. : Ich war gestern im Hol Ab, da gab’s den Ardbeg (eingeschlossen im Schrank. Wenn ich den Preis richtig gesehen habe, kostete der 47,99. Teurer Torf…..

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