Belfast, Nordirland
Als wir in Belfast ankamen war schnell klar, dass wir an ein einem bestimmten Thema in dieser Stadt nicht vorbei kommen würden: Die RMS Titanic, der unglückselige Luxusdampfer, der 1912 bei seiner groß angekündigten Jungfernfahrt über den Atlantik einen Eisberg rammte und sank. Dieses beeindruckende Schiff wurde nämlich – was uns bisher nicht bewusst war – in Belfast gebaut. Und Belfast ist mächtig stolz darauf, auch wenn der Kahn gleich bei der ersten Fahrt abgesoffen ist…
Zunächst mal muss man wissen, dass Nordirland und ganz besonders Belfast, ganz große Nummern im Schiffbau sind und das schon seit vielen Jahren. Die Stadt wird durch den River Lagan geteilt, allerdings befand sich früher auf der Südseite des Flusses kein eigentlicher Teil der Stadt, denn hier war alles ein riesiges Werftgelände. Heute ist das anders, denn Schiffbau gibt es zwar immer noch, aber nicht mehr in ganz so großem Maßstab. Dafür wurde der größte Teil des sogenannten Queen‘s Island zu einem regelrechten Titanic-Themenpark umgebaut und wird heute sogar offiziell als Titanic-Quarter bezeichnet. Das Herzstück ist hier das große Museum in einem futuristischen Bauwerk mit einer Grundfläche von 12.000 Quadratmetern.




Das Museum sollte Touristen in die Stadt locken und gleichzeitig nicht nur die spannende Geschichte der Titanic selbst, sondern auch die des Schiffbaus in Belfast erzählen. Das Museum wurde 2012 pünktlich zum 100. Jubiläum der Jungfernfahrt der Titanic von Queen Elisabeth II. eröffnet und zieht mittlerweile jährlich über 800.000 Besucher an.
Das Werftgelände von Harland & Wolff, der Werft, die seinerzeit die Titanic und ihre Schwesterschiffe Olympic und Britannic baute, ist im Hintergrund noch immer in Nutzung und stellt mit seinen beiden quietschgelben Baukränen namens Sampson und Goliath ein weiteres Wahrzeichen der Stadt zur Verfügung. Die beiden Werftkräne waren zwar nicht am Bau der ikonischen Schiffe Anfang des Jahrhunderts beteiligt, dominieren aber sowohl das Stadtbild, als auch sämtliche Souveniershops.


Da sich das Museum auf dem ehemaligen Gelände der Werft befindet, kann man hier sogar in den Genuss kommen auf eben jener Fläche zu flanieren, wo damals in zwei parallel angelegten Docks die Titanic und Olympic zeitgleich gefertigt wurden. Die Docks sind heute zugeschüttet und auf der parkähnlich angelegten Fläche sind die Umrisse der beiden Ozeanriesen mit Leuchtstreifen im Boden eingelassen. Wo damals die Titanic stand, sind auch die Umrisse einiger Einzelheiten, wie der markanten Abluft-Türme zu erkennen. Die Fläche der Olympic dient als Gedenkstätte und markiert die Anteile der verstorbenen und überlebenden Passagiere der verschiedenen Klassen, sowie der Crew mit abwechselnden Holz- und Rasenflächen. Es ist schon beeindruckend, hier herumzuspazieren, auch wenn die beiden Schiffe aus heutiger Sicht und im Vergleich zu den meisten modernen Kreuzfahrtschiffen eher mickrig daher kommen. Ähnlich imposant war es übrigens auch die ehemaligen Docks vom Wasser aus zu sehen, als wir Belfast am folgenden Tag wieder verließen. Kaum vorstellbar, wie überwältigend es ausgesehen haben musste, dieses ikonische Schiff hier ins Wasser gleiten zu sehen…



Seinerzeit jedoch war die Titanic mit einer Länge von 269 Metern das größte Schiff der Welt, auch wenn sie theoretisch identisch mit ihrem Schwesterschiff Olympic war. Die Olympic jedoch war bereits ein Jahr vor der Titanic vom Stapel gelaufen und hatte zu einigen Optimierungen an der noch im Bau befindlichen Titanic geführt, die wiederum zur Folge hatten, dass letztere schließlich einige Tonnen schwerer wurde und sich so den Titel des größten Schiffs der Welt ergatterte. Das berühmteste sollte sie wohl später auch noch werden, aber eher durch tragischere Umstände…
Für den Bau der beiden Schiffe wurden in Spitzenzeiten bis zu 15.000 Arbeiter durch die Werft beschäftigt, von denen schließlich viele durch den enormen Lärm beim Vernieten des Rumpfes als Gehörlose endeten. Ein großer Teil der 3 Millionen Nieten, mit denen die einzelnen Stahlplatten, die den Rumpf bildeten, miteinander verbunden wurden, mussten per Hand eingeschlagen werden. In kleinen Gruppen zogen die Arbeiter also los, wobei einer die Niete erhitzte und festhielt, während zwei andere von der anderen Seite der Platte die glühende Niete mit Hämmern abwechselnd durch die Löcher in den Stahlplatten trieben. Eine unfassbar anstrengende und eben auch unfassbar laute Arbeit.
Als die Titanic schließlich am 31. Mai 1911 vom Stapel lief war dies ein regelrechtes Spektakel in Belfast. Über 100.000 Menschen waren gekommen um das Ereignis zu feiern. 21 Tonnen Talg und Seife waren nötig gewesen um das riesige Schiff ins Wasser flutschen zu lassen. Aber fertig war die Titanic trotzdem noch lange nicht, denn das, was sie berühmt machen sollte war neben ihrer schieren Größe auch ihre luxuriöse Ausstattung. Bis April 1912 sollte es dauern, die edlen Kabinen, Speisesäle, Raucherräume und die Unterkünfte der zweiten und dritten Klassen im Bauch des Schiffs auszustatten, damit die RMS Titanic ihre schicksalhafte Jungfernfahrt antreten konnte.
Nach einer kurzen Testfahrt am 02. April 1912 in der Irischen See legte das Schiff noch am selben Abend mit Ziel Southampton, dem wichtigsten Abfahrthafen der White Star Line, ab. Hier begann die eigentliche Jungfernfahrt, was vielleicht bei uns immer den falschen Eindruck zurückgelassen hatte, das Schiff sei auch dort gebaut worden. Das stimmt aber, wie wir nun wissen, nicht. Nach Zwischenstopps in Cherbourg und Queenstown (bei Cork), wo weitere Passagiere eingesammelt worden waren, setzte die Titanic Kurs auf New York. Und mit an Bord waren zwar weder Leonardo DiCaprio, noch Kate Winslet, dafür aber einige Berühmtheiten der damaligen Zeit. Darunter Benjamin Guggenheim, der Milliardär John Jacob Astor und Bruce Ismay, der Direktor der White Star Line sowie der Chefkonstrukteur der Titanic Thomas Andrews.
Was auf dem Atlantik passierte weiß heute wahrscheinlich jedes Kind. Am 14. April 1912 um 23.40 Uhr rammte die Titanic mit Höchstgeschwindigkeit die unter Wasser liegenden Ausläufer eines Eisbergs. Der Rumpf des Schiffes riss auf einer Länge von ca. 90 Metern an mehreren Stellen auf, sodass die angeblich „unsinkbare“ Titanic gegen 02:20 Uhr morgens in den unbarmherzigen Tiefen des Ozeans verschwand. Von den 2225 Menschen an Bord des Schiffes starben in dieser Nacht 1512 und nur 713 wurden gerettet. Der Untergang der Titanic gilt als eine der größten, menschengemachten Katastrophen der jüngeren Geschichte. Besonders tragisch ist dieses Unglück nicht nur, weil die Reederei die Titanic als „unsinkbar“ betitelt hatte, sondern auch, weil hier so viele Fehler gemacht wurden. In der Ausstellung wird dem Untergang des Schiffes selbstverständlich ein großer Anteil zugedacht, daher findet man hier auch ein paar interessante Informationen dazu, was eigentlich zu der Katastrophe hatte führen können. Dass die Matrosen im Ausguck keine Ferngläser hatten und die ohnehin zu wenig vorhandenen Rettungsboote nur zu einem Bruchteil belegt worden waren, weiß man aus der Popkultur und auch, dass Kapitän Edward Smith es besonders eilig hatte um vorzeitig und triumphal in New York einzulaufen, ist bekannt. Was aber viele nicht wissen, ist dass die Titanic zwar mit modernster Kommunikationstechnik ausgestattet war, diese aber hauptsächlich für privaten Nachrichtenverkehr der Passagiere aus der ersten Klasse genutzt wurde, was dazu führte, dass die entscheidenden Eiswarnungen nicht empfangen werden konnten. Auch unbekannt ist, dass das Schiff Californian zum Zeitpunkt des Notrufes der Titanic gerade einmal 19 Meilen entfernt war. Der Funker hatte sich allerdings schlafen gelegt und deshalb den Notruf nicht empfangen. Die Carpathia, die später der Titanic zu Hilfe kam und die überlebenden Passagiere rettete, erreichte die Unglücksstelle erst einige Stunden später, denn sie war ganze 58 Meilen entfernt gewesen.





Diese und viele andere Fehler, die später durch verschiedene Kommissionen untersucht wurden, führten 1914 unter anderem zur Formulierung der Konvention Safety of Life at Sea (SOLAS), an die übrigens auch wir uns bei unserer Reise grundlegend halten und die jeder, der mit Booten in irgendeiner Form zu tun hat, kennen sollte. Hier sind unter anderem Regularien formuliert, nach denen beispielsweise für jeden Passagier eines Schiffes ein Platz in einem Rettungsmittel zur Verfügung stehen muss. Die Konvention ist heutzutage verpflichtend für die Berufs- und Passagierschifffahrt, gilt in Teilen aber auch für die Eigner privater Yachten.
Mit dem Kopf noch voll von den interessanten Informationen der Ausstellung über die Titanic machten wir es uns an Bord gemütlich und schauten uns nach vielen Jahren mal wieder den zum Tag passenden Film von James Cameron an. Als Teenager in den 2000er Jahren war dieser Film immer etwas ganz besonderes für unsere Generation und hat vielleicht auch deshalb ein nachhaltiges Interesse an diesem ganz speziellen Ereignis geweckt. Neben der Love-Story zwischen Rose und Jack steckt nämlich eine ganze Menge Zeitgeschichte in diesem Stückchen Popkultur. Und wie die Ausstellung zeigt, gibt der Film die Ereignisse vom April 1912 erstaunlich akkurat wieder.
Unbestreitbar war der Untergang der Titanic eine schreckliche Katastrophe und gerade als Seefahrer will man sich lieber nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss im eiskalten Wasser des Atlantiks vergeblich auf Hilfe zu warten. Heutzutage und mit unseren modernen Kommunikations- und Sicherheitsmitteln fühlt man sich trotzdem selbst in einer kleinen Nussschale wie der Krassy erstaunlich sicher, vielleicht auch ein wenig dank der Titanic.