Hoorn, Niederlande
Nachdem wir die alt-vertraute Atmosphäre von Lemmer auf uns wirken lassen konnten, weckte uns am Samstag die Sonne und lud zum Segeln ein. Vorhergesagt war sonniges Wetter mit südwestlichem Wind 4-5. Wir juckelten also auf dem Hafen raus, und mussten noch durch eine Schleuse am Prinses Margrietkanaal, um in das Ijsselmeer zu gelangen. Es wehten die versprochenen 4-5 Windstärken aus Südwest. Das ist ein toller Segelwind, allerdings kommt er ziemlich genau aus der Richtung, in die wir grob wollen: Amsterdam.
Hart am Wind kreuzen war also angesagt. Das macht eine Zeitlang Spaß, nur kommt man halt nur so mäßig voran. Vor allem sind die Kräfte, die auf das Boot, den Mast, die Beschäge usw. wirken, maximal. Wir zogen also unsere nigelnagelneuen Segel hoch, und ab ging die Post. Vor allem die große Genua hat echt Wumms. Normalerweise sind wir immer mit unserer kleinen Arbeitsfock gesegelt und haben die Genua eher für raumere Leichtwind-Kurse benutzt. Insofern standen uns da jetzt ungewohnt viele Pferdestärken zur Verfügung.
Und es lief gut! Die Krassy segelte deutlich leichter und höher am Wind als mit den alten ausgeleierten Segeln, und wir haben reihenweise halb so alte und halb so schwere Boote wie die Krassy stehen gelassen (unter anderem ein modernes Boot mit Flathead-Laminatsegel. In your face, Joghurt-Becher!). Für uns war der Alarm beim Segeln schon gewöhnungsbedürftig. Immerhin hatten wir die Krassy diese Saison vor Abfahrt erst zweimal ein Stückchen die Elbe hoch und runter bewegt. Man muss halt wieder reinkommen ins Segel-Geschäft.






Während unserer Überfahrt wurden wir übrigens von sirenenhafter Flötenmusik beschallt: Unser Radar (bzw. dessen Halterung) singt beim Amwind-Segeln. Am Anfang war das noch ganz witzig, irgendwann fühlte es sich an wie ein Tinnitus, und zuletzt war sogar von Akustik-Folter die Rede. Wir habe versucht, mit Schaumstoff-Matten gegenzusteuern, bisher mit mäßigem Erfolg…
Gegen 16.00 haben wir die Schleuse in Lelystad passiert und waren somit im Markermeer angekommen. Und plötzlich zeigte sich eine andere Welt. Der Himmel zog zu, der Wind war allmählich am oberen Ende der Windstärke 5 angelangt, und es stand uns eine hässliche See entgegen, in der sich die Krassy derart feststampfte, dass wir nur mit 2 Knoten vorankamen.
Wir bereuten, nicht schon im Hafen das Großsegel hochgezogen zu haben und haderten mit uns, ob wir nun weiterfahren oder umkehren würden. Wir zogen letztendlich die Segel gut gerefft hoch und probierten unser Glück. Und es lief: So lala. Wir waren zu langsam, unser Wendewinkel war wegen der doch echt ruppigen See nicht gerade gut, und es war nicht absehbar, irgendeinen Hafen in Richtung Amsterdam in einer nicht nachtschlafenden Zeit erreichen zu können. Immerhin konnten wir Hoorn halbwegs anliegen, also fuhren wir erstmal weiter.
Das Blöde war: Hoorn bringt uns nicht weiter. Die Entfernung von Hoorn nach Amsterdam ist in etwa die gleiche wie die von Lelystad. Wir konnten also umkehren und in den bei dieser Windrichtung super ungeschützen Hafen von Lelystad (vor der Schleuse) fahren, oder nach Hoorn durchfahren. Wer unseren AIS-Track aufmerksam verfolgt hat weiß: Wir sind nach Hoorn weitergefahren. Die Segel standen, wir kamen gut voran. Es war eigentlich nettes Segeln. Steffi sah das allerdings anders. Sie hatte sich nicht rechtzeitig etwas gegen Seekrankheit eingeworfen, also musste sie den ganzen Tag lang durchsteuern. So saß sie im Wind und bekam immer wieder kalte Duschen ab, während ich mich unter der Sprayhood verzog und sagte: „Was hast du denn, ist doch eigentlich ganz schönes Segeln?“.


So kamen wir am Ende gegen 20.00 Uhr in Hoorn an, und waren schon etwas erledigt von dem recht langen Segeltag. Es war aber gut, dass wir genau diese Bedingungen hatten. Wir haben in den letzten Jahren am Boot ja vieles erneuert (Winschen, Großschot-Traveller, Genua-Schienen, neue Segel neues Main Drop System, usw). Jetzt wurde alles wirklich mal einem Belastungstest ausgesetzt. Gerade durch die große Genua entstehen am Wind massive Kräfte, vor allem auf die Genua-Schiene und die Winschen. Das Deck der Krassy hat sehr viel Wasser abbekommen, und unten blieb alles trocken. Das gibt uns ein gutes Gefühl!
Und auch wir konnten seglerisch wieder etwas warm werden und altvertraute Handgriffe beim Einreffen, Ausreffen, Segel setzen oder Segel bergen bei ruppigeren Bedingungen wieder üben. So war das in Summe doch ein erfolgreicher Tag, auch wenn wir vier Stunden durch das Markermeer gesegelt sind, ohne unserem eigentlichen Ziel eine Meile näher gekommen zu sein.