Lemmer, Niederlande
Eigentlich wollten wir heute ausschlafen und dann ganz entspannt in den Tag starten. Es sollte vormittags noch regnen, also war unser Plan erst dann aufzubrechen, wenn die Schauer durchgezogen wären. Aber naja, wir lagen im Päckchen… Unser Nachbar wollte um 9 Uhr mit der ersten Brückenöffnung los, also mussten wir ihm zumindest Platz machen.
Wir waren früh genug wach und Christian ging noch schnell zum Hafenmeister um das Liegegeld zu bezahlen, während ich Kaffee aufsetzte. Pünktlich um 5 Minuten vor 9 klopfte auch schon der Nachbar und wir starteten den Motor um die Krassy wegzufahren. Eigentlich wollten wir gleich wieder anlegen und wie gesagt ganz gemütlich machen. Der Kaffee war noch nicht mal fertig und es regnete noch.
Manchmal kommt es aber eben anders. Wo wir schon mal den Motor laufen hatten und die Leinen los waren entschieden wir ganz spontan, dass es sich doch eigentlich gar nicht lohnte direkt wieder anzulegen. Könnten wir auch einfach losfahren und ebenfalls die erste Brückenöffnung mitnehmen. Frühstück geht ja auch unterwegs.
In leichtem Nieselregen reihten wir uns in die Reihe der Boote vor der Brücke ein. Sicher würde es gleich aufhören, laut Wetterradar sollte der Regen quasi schon durch sein. War er aber nicht.
Es regnete bis in den Nachmittag hinein fast ohne Unterlass. Ich hatte die Wahl die Krassy im Stehen zu steuern, also besser gesagt auf Zehenspitzen, sonst kann ich nämlich nicht über die Sprayhood schauen, oder mir die Segelhose anzuziehen, was mir entschieden zu warm war. Mich auf der nassen Bank hinzusetzen war auch keine Option…
Auch heute war wieder motoren über die Kanäle angesagt, allerdings diesmal mit ordentlich Wind auf die Nase. Unser Windmesser schwankte zwischen 4 und 27 Knoten Wind hin und her, das Wetter war also in Summe episch schlecht.
Ein echtes Highlight war allerdings, dass wir über eines der Aquädukte segelten. Die Niederländer haben es geschafft ihre Kanäle über die Straßen hinweg zu bauen! Es ist ein absolut einzigartiges Gefühl mit einem Segelboot eine Autobahn zu überqueren, das könnt ihr mir glauben!





Die ersten Brücken aus Leeuwarden heraus zogen sich wie Kaugummi. Wir waren in einem Pulk von riesigen Motorbooten gefangen, die erst auf die Brücken zu ballerten und wenn sie halb durch waren plötzlich nur noch Schritttempo fuhren. Ganz nach dem Motto: Ach, jetzt bin ich ja durch die Brücke durch, kann ich erst mal stehen bleiben!
Teilweise dümpelten wir eine halbe Stunde herum bis sich eine Brücke öffnete, denn heute waren auch Eisenbahnbrücken dabei, die nur zu bestimmten Zeiten geöffnet werden. Wir waren mittlerweile ein kleines bisschen angenervt…
Als wir dann auf dem Prinses-Margriet-Kanaal mal wieder auf die nächste Brücke zufuhren zeigte diese zwei rote Lichter übereinander an. Übersetzt heißt das: Brücke außer Betrieb. Es war etwa Mittagszeit also vermuteten wir erst mal, dass vielleicht der Schleusenwärter gerade seine Stulle verputzte. Der verließ allerdings gerade sein Wärterhäuschen und machte sich scheinbar zu einem kleinen Spaziergang auf…
Wir lagen mittlerweile mit einigen anderen Segelbooten an einem Wartesteg. Die gibt es hier oft vor der Brücken und sie sind wirklich nützlich, wenn es mal länger dauert und man nicht bei viel Wind herumdümpeln will. Es herrschte allgemeine Ratlosigkeit, denn die schon erwähnte App zeigte an, dass die Brücke ganz normal in Betrieb sei. Aber Segler sind ja bekanntlich geduldig und so warteten wir. Irgendwann kam der Brückenwärter, ganz offensichtlich waren wir das Ziel seines Spazierganges gewesen. Es sei zu windig, er könnte die Brücke nicht öffnen. Tja, und nu?
Man könne einen kleinen Umweg über ein paar Seitenarme des Kanals durch ein Örtchen namens Akkrum machen, das ginge ebenfalls mit stehendem Mast, allerdings nur bis 1,70 m Tiefgang.
Na, wie viel Tiefgang hat wohl die Krassy? Richtig, 1,70 m! Das gilt normalerweise aber für eine „übliche“ Beladung. Wir sind auf Langfahrt und dementsprechend ist unser Bötchen aktuell deutlich schwerer als normal… Noch dazu sind wir hier in Süßwasser und wer im Physikunterricht aufgepasst hat, der weiß, dass dies deutlich weniger Auftrieb hat als Salzwasser.
Die anderen wollten alle den Umweg in Kauf nehmen, darunter auch ein Holländer, der ebenfalls einen Tiefgang von 1,70 m hatte. Aus irgendeinem Grund sagt Christian „Okay, dann fahren wir auch mit!“
Wir zuckelten also sehr langsam und vorsichtig in einer kleinen Kolonne durch den wirklich schmalen Kanal. Ich schwöre, dass ich den gesamten Weg über unser Echolot nicht für eine Sekunde aus den Augen ließ. Die Anzeige schwanke hin und her zwischen 1,80 m und 1,90 m, sackte gelegentlich auf 1,70 m und sogar – mein Herz blieb kurz stehen – auf 1,60 m ab. Herr im Himmel, war das aufregend! Nach einer gefühlt endlosen Fahrt durch den flachen, schmalen Kanal erreichten wir die erste Brücke nach Akkrum. Die Durchfahrt war hier ebenfalls unfassbar schmal, danach ging es jedoch durch den wirklich schönen Ort, der wie ein kostbares Schmuckstück versteckt gewesen war. Neben einer ganzen Reihe idyllischer Ferienhäuser gab es hier einen riesigen Hafen mit einem pulsierenden Wassersportzentrum. Wir hatten alles mögliche auf diesem Umweg erwartet, aber das hier sicher nicht.
Nach einer nervenaufreibenden Stunde in viel zu flachem Wasser passierten wir eine letzte Brücke und durchfuhren eine stillgelegte Schleuse auf dem Prinses-Margriet-Kanaal, wo es jetzt wieder geradeaus weiter ging. Mittlerweile war die Sonne herausgekommen und entschädigte uns für die Aufregung. So viel Abenteuer gleich am Anfang hatten wir nicht bestellt…
Unsere Fahrt zog sich noch eine ganze Weile hin, bis wir am Nachmittag von Norden her Lemmer erreichten.
Lemmer ist einer meiner absoluten Lieblingsorte und mit einer riesigen Menge an Erinnerungen verbunden. Ich habe in meiner Kindheit und Jugend und sogar bis ins Erwachsenenalter viele tolle Urlaube hier verbracht. Meine Eltern hatten lange Zeit ihr Segelboot „Joy“, eine Etap 23, in Lemmer liegen, auf der ich seglerisch groß geworden bin und sogar meinen 30. Geburtstag habe ich in diesem schönen kleinen Örtchen verbracht.
Eigentlich hatten wir überlegt die Krassy im gleichen Hafen unterzubringen, in dem damals auch das Boot meiner Eltern lag, aber der war ziemlich voll und ist ein ganzes Stück vom Ortskern entfernt. Wir gingen also in den Binnenhafen und als wir in unserer – etwas zu kurzen – Box festlagen, stiefelten wir sofort in den Ort.
Das besondere an Lemmer ist, dass man sich mit seinem Boot mitten im Ort in den Kanal legen kann. Die Restaurants bringen einem das Essen an Bord und man liegt so zentral wie es nur geht. Leider wissen das mittlerweile so viele Leute, dass der kleine Kanal brechend voll mit riesigen Booten ist. Wir waren ehrlich gesagt froh, dass wir diese Option von Anfang an ausgeschlossen hatten.






Es ist noch erstaunlich viel von dem übrig, was ich aus meiner Kindheit in Erinnerung habe. Sogar den kleinen Zeitungsladen oben an der Schleuse gibt es noch, wo wir uns als Kinder immer Lakritzpulver und Lustige Taschenbücher gekauft haben!
Wir gingen bei La Gondola, der absolut besten Pizzeria in Lemmer, essen, eine alte Tradition, denn hier war ich schon als Kind mit meiner Familie Stammgast.
Mal wieder hier zu sein und alte Erinnerungen wieder auferstehen zu lassen tut so richtig gut!
Ach so, falls ihr euch gefragt habt, was mit unserem Propeller gestern los war: wir wissen es nicht, aber heute hat er wieder einwandfrei funktioniert. Es war also offenbar nur ein kleiner Schluckauf…
Liebe Steffi, du brauchst ein Hobbit Holz, um über die Sprayhood sehen zu können!
Ich spreche aus Erfahrung 😘
Liebe Grüße von der Walross Crew
Haha! 😂 das gleiche hab ich auch schon gesagt!
Wir haben festgestellt, dass wir im Durchschnitt genau die richtige Größe für die Krassy haben: einer zu groß, der andere zu klein 🤣🤣🤣
Liebe Grüße 🥰