Champagnersegeln zum Teutonengrill

Scheveningen, Niederlande

Nachdem wir gestern ohne Wind über das Markermeer und durch das Ij an Amsterdam vorbei gezockelt sind kamen wir abends in Ijmuiden an. Das Markermeer war im Vergleich zum Vortag auf einmal ganz friedlich und so war die Überfahrt wie ein kleiner Urlaub, obwohl der Motor den ganzen Tag lief. Wir lagen in der Sonne, ich packte endlich mal mein Buch aus und es war ein wenig Zeit zu dösen und zu relaxen. 

Auf dem Weg durch Amsterdam fuhren wir eine ganze Zeit lang mit einem anderen Segelboot parallel den Fluss entlang. Deutsche Flagge, Geräteträger, sah für uns ein wenig nach Langfahrt aus. Kurze Zeit später ging die Funke und die Segelyacht „Anna“ aus unserer alten Heimat Hamburg meldete sich bei uns. Ludger und Rafaela sind tatsächlich ebenfalls ein Jahr unterwegs. Wir machten gegenseitig schöne Fotos von unseren Booten, schickten sie uns zu und telefonierten noch kurz, dann trennten sich leider unsere Wege. Wir wollten weiter nach Ijmuiden und die beiden fuhren in einen kleinen Hafen am Ij. Wir haben uns schon mal für irgendwo hinter der Biskaya verabredet und freuen uns schon darauf die beiden auf einen Gin Tonic zu treffen! 

Ijmuiden kennen wir ja bereits ganz gut, denn hier sind wir – wie ihr vielleicht noch wisst – bei unserer letzten Reise mit dem kaputten Motor und stabiler Ostwindlage eine ganze Zeit lang hängengeblieben. Diese Zeit war irgendwie frustrierend, aber auch irgendwie schön. Wir waren damals schon nah genug an der Heimat, dass wir Besuch von Familie und Freunden bekamen und nach einem Jahr Abwesenheit tat das damals richtig gut! 

Diesmal blieben wir nur über Nacht und machten uns dann heute Vormittag auf den Weg zurück auf die Nordsee. Für heute war perfektes Wetter vorhergesagt und das bekamen wir auch! Es waren 3-4 Windstärken aus Ost versprochen und das Thermometer sollte auf bis zu 30°C klettern. Mit Halbwind flog die Krassy nur so dahin, der Wind kühlte uns gegen die gnadenlose Sonne und wir wären am liebsten gar nicht im Hafen angekommen. Das war heute feinstes Champagnersegeln! 

Da wir so schnell unterwegs waren und nur eine relativ kurze Strecke nach Scheveningen vor uns hatten kamen wir – für unsere Verhältnisse – sehr früh im Hafen an. In Scheveningen gehen Gastlieger eigentlich rückwärts an zwei Stege direkt hinter der Hafeneinfahrt und liegen dort im Päckchen. Wir gaben dem Hafenmeister direkt zu verstehen, dass wir nicht rückwärts zwischen die Stege fahren würden, denn das geht mit der Krassy sehr schlecht. Wir fahren nur unter sehr kontrollierten Bedingungen und in absoluten Ausnahmefällen rückwärts irgendwo rein. Wer schon mal einen gemäßigten Langkieler gefahren ist, der versteht warum. 

Der Hafenmeister nahm‘s gelassen und wies uns eine Box im Hafen zu. Perfekt! Jetzt liegen wir super geschützt vor der Promenade und müssen morgen früh kein Päckchenmanöver machen, denn wir wollen einen Tag länger in Scheveningen bleiben. 

Als wir in unserer Box festgemacht waren, gab es noch einen kleinen Snack und wir versuchten verzweifelt uns ein wenig abzukühlen. Es ist heute wahnsinnig heiß hier! Als das mit dem Abkühlen irgendwie nicht so recht klappen wollte beschlossen wir ein Ründchen spazieren zu gehen. Während unserer Überfahrt war ich bei Wikipedia in einen Kaninchenbau gefallen und hatte alles mögliche über Scheveningen und Den Haag gelesen. Die Geschichte von Den Haag ist wirklich interessant. Scheveningen ist übrigens ein Stadtteil von Den Haag, das hatte ich vorher nicht gewusst. Wir wollten uns den Ort also mal ansehen. 

Auf dem Weg Richtung Seebrücke war es so unfassbar heiß, dass wir beide wahrscheinlich je einen knappen Hektoliter ausschwitzten. Die Pflastersteine glühten beinahe und es fühlte sich an als würden meine Füße durch die dünnen Sohlen meiner Schuhe von unten verglühen… Irgendwie hatten wir auf ein schattiges Plätzchen und ein Kaltgetränk gehofft, aber davon war weit und breit nichts zu spüren. Entlang der Strandpromenade gibt es zwar jede Menge nette und latent überteuerte Strandbars, aber die sind alle von Windschutzwänden eingerahmt. Wahrscheinlich ist das zu 90% der Zeit eine gute Idee, aber heute war es nicht auszuhalten. 

Wir schleppten uns bis zur Seebrücke in der Hoffnung dort einen Lufthauch zu erhaschen, aber Fehlanzeige. Je näher wir der Seebrücke kamen, desto voller wurde es und es kam langsam ein Flair mit einer Mischung aus Berlin Alexanderplatz und Disneyland auf. Die Leute wurden auch immer schriller…

Die Seebrücke ist nicht so wie man es normalerweise von einer Seebrücke kennt eine Art großer Steg, sondern mehr so etwas wie ein heruntergekommenes, mehrstöckiges Einkaufszentrum mit geschlossenen Geschäften. Am Ende der Seebrücke kann man von einem kleinen Turm einen Bungee-Sprung machen, daneben dreht sich ein Riesenrad mit geschlossenen Kabinen (das muss heute die Hölle gewesen sein!). Der Blick von der Seebrücke eröffnete uns erst, wie voll der Strand eigentlich war. Bis zum Horizont war alles voller Menschen! Ich muss an dieser Stelle mal kurz daran erinnern, dass heute Montag ist und wir erst am späten Nachmittag dort waren. Wie es da vormittags am Wochenende aussieht will ich mir gar nicht vorstellen… Teutonengrill, hat man früher zu solchen Stränden gesagt.

Wir beschlossen auf unseren Drink zu verzichten und stattdessen hinter der Promenade im Schatten der Häuser zurück zum Hafen zu laufen. Auch hier war es laut und trubelig, aber deutlich angenehmer als in der prallen Sonne. Irgendwann fanden wir sogar eine nette kleine Gasse mit ein paar Cafés, Restaurants und Geschäften, die deutlich mehr nach den Niederlanden aussah, die wir kennen, als der Rest dieses Urlaubsmekkas. 

Am Hafen gingen wir noch einen Happen essen und machen es uns jetzt auf unserem Boot gemütlich. Unser Tisch im Restaurant war der Knaller! Schaut euch mal die Fotos an… 

Die Luft kühlt langsam etwas ab und die After Sun Lotion ist mittlerweile gut eingezogen. Wir sind inzwischen so braun geworden als wären wir schon seit Wochen im Urlaub. 

Morgen bleibt die Krassy wie gesagt noch im Hafen und wir machen einen Ausflug nach Den Haag. Christian war schon mal dort, damals als er noch zur See gefahren ist… In Den Haag saß nämlich die Firma bei der er sein Hauptpraktikum im Vermessungsstudium gemacht hatte. Von dort aus wurde er zeitweise auf das Kranschiff „Thialf“ nach Angola entsandt. Ich kenne Den Haag noch gar nicht, aber nach dem was ich heute alles gelesen habe klingt es so als wäre das eine richtig interessante Stadt. Morgen soll es zum Glück auch ein wenig kühler werden, wir freuen uns drauf! 

Einen kleinen Fun Fact habe ich übrigens noch für euch über Scheveningen. Wusstet ihr schon, dass der Name Scheveningen ein so genanntes Schibboleth ist? Dieses Wort habe ich heute auch zum ersten Mal gehört… Ein Schibboleth ist ein Wort mit dessen Hilfe man feststellen kann, ob jemand die Landessprache spricht oder aus einer bestimmten Region stammt. Die meisten Deutschen beispielsweise sprechen Scheveningen falsch aus, denn das „sch“ wird auf Niederländisch ganz anders ausgesprochen als auf Deutsch. Schibboleths gibt es in verschiedenen Sprachen, so kann man beispielsweise anhand des Wortes „Chemie“ leicht feststellen, ob jemand aus Nord- oder Süddeutschland kommt. Um das hier ein für alle mal klarzustellen: Chemie schreibt sich nicht mit „K“, die norddeutsche Aussprache ist selbstverständlich also die einzig Richtige 😉

Written by