Den Haag, Niederlande
Wie geplant nahmen wir heute nach einem etwas lahmen Start in den Tag die Straßenbahn nach Den Haag und schauten uns die Stadt an. Die Hitze von gestern war noch nicht so recht verflogen, denn die ganze Nacht war es windstill geblieben und so garten wir in unserer Koje im eigenen Saft. Der Himmel ist heute zwar zugezogen, aber es war wahnsinnig schwül, sodass wir morgens einfach etwas länger brauchten…
Vom Hafen aus ist man mit der Tram in einer knappen halben Stunde mitten in Den Haag. Wir ließen uns erst mal durch die Stadt treiben und ließen das bunte Großstadtgewirr auf uns wirken. In Den Haag ist das Publikum international gut durchmischt. Man hört auf der Straße alle möglichen Sprachen, wobei uns vor allem auffiel, dass viel Deutsch um uns herum gesprochen wurde.
Der Innenstadtbereich ist belebt und man findet hier massenhaft Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Restaurants. Von wirklich ausgefallenen kleinen Läden bis zu den üblichen Filialen der großen Ketten war alles dabei. Shopping stand aber so gar nicht auf unserem Plan.
Zuerst gab es für Christian einen lang ersehnten Hollandse Nieuwe. Wenn ihr wissen wollt, was genau das ist und was diese Art von Matjes besonders auszeichnet, dann schaut doch mal in der neuen Rubrik Smutje‘s kulinarischer Reiseführer vorbei. Hier findet ihr einen kleinen Artikel zu dieser lokalen Spezialität. Im Laufe unserer Reise kommen hier hoffentlich noch mehr Artikel über die kulinarischen Köstlichkeiten der Länder, die wir bereisen, dazu. Das alles findet ihr natürlich auch über das Menü unter Smutje‘s Logbuch oder über den Link auf der Startseite.
Zum Glück ist Den Haag gar nicht so groß und relativ übersichtlich. Nachdem wir eine ganze Zeit lang durch die Straßen gestrichen waren, uns den Palast der Niederländischen Königsfamilie und den dazugehörigen Park (beides gar nicht so eindrucksvoll wie erwartet) angesehen hatten setzten wir uns mit einem Kaffee auf einen belebten Platz und beobachteten eine Weile das vorbeiziehende Völkchen während wir unsere Beine ausruhten.







Ganz in der Nähe befand sich das Mauritshuis mit der Königlichen Gemäldegalerie, die unter anderem auch das Gemälde „Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Jan Vermeer umfasst. Da meine Mama selbst Künstlerin war (sie hätte sich wahrscheinlich selbst nie so bezeichnet, aber es trifft zu) und mir ihre Leidenschaft für Kunst und vor allem die Geschichten der Künstler selbst mitgegeben hat, beschlossen wir uns die Ausstellung anzusehen.
Das Mauritshuis selbst ist ein eindrucksvolles, klassizistisches Stadtpalais, erbaut im 17. Jahrhundert von Johan Maurits, dem ehemaligen Gouverneur von Niederländisch-Brasilien und Fürst von Nassau-Siegen. Neben seinen verschiedenen militärischen und politischen Ämter kam er leider hauptsächlich durch Sklavenhandel zu Reichtum.
Ausgestellt sind nur Kunstwerke aus dem sogenannten Goldenen Zeitalter, also Bilder von niederländischen Meistern um 1650. Den Begriff „goldenes Zeitalter“ benutzt man, wie wir lernten, heute nicht mehr so uneingeschränkt, denn er spiegelt ausschließlich die Sichtweise der Niederländer wieder, die zu dieser Zeit den Höhepunkt ihrer Kolonialgeschichte erlebten und sich den Prunk der damaligen Zeit nur aufgrund der Ausbeutung ihrer Kolonien leisten konnten. Ein heikles Thema also.
Der Kunst selbst tut die geschichtliche Einordnung aber keinen Abbruch und neben den Werken von Peter Paul Rubens, Paulus Potter und Jan Steen beeindruckten uns natürlich ganz besonders die Bilder von Jan Vermeer und Rembrandt van Rijn. Diese beiden alten Meister verstanden es ganz außergewöhnlich mit Licht und Schatten zu spielen. Ihre Gemälde aus nächster Nähe zu sehen ist ein echtes Erlebnis!
Ein weiteres kleines Highlight der Ausstellung ist, dass in einem Nebenraum aktuell das Gemälde „der Stier“ von Paulus Potter (der übrigens fast nur Stiere und Kühe gemalt hat) live restauriert wird. Hinter einer Glaswand sind zwei Restauratorinnen damit beschäftigt die Firnis einer alten Restaurierung zu entfernen und die originale Farbe wieder zum Vorschein zu bringen. Ein Unterfangen, das 2025 erst abgeschlossen sein soll. Hierfür braucht man wirklich Geduld!
Die Ausstellung war gut besucht, wobei sich der Andrang natürlich hauptsächlich beim „Mädchen mit dem Perlenohrring“ bildete. Mit diesem Bild wird in Den Haag ordentlich Werbung gemacht, da es ja mittlerweile auch in der Popkultur angekommen ist. Im obligatorischen Souveniershop gab es allen möglichen Klimbim mit dem Aufdruck dieses Mädchens. Man kann es auch übertreiben…
Der berühmte Perlenohrring ist übrigens wahrscheinlich gar keine Perle, denn er ist eigentlich viel zu groß um echt zu sein. Und auch das Mädchen hat es möglicherweise nie gegeben. In der Ausstellung wird das Bild nicht als Porträt, sondern als Tronie bezeichnet. Tronies sind porträtartige Darstellungen wie die des Mädchen auf dem Bild von Vermeer, die die Absicht haben einen bestimmten Typus abstrakt zu charakterisieren oder durch den Einsatz von Farbe und Licht in einer naturgetreuen Darstellung eine bestimmte Illusion zu erzeugen. Sie zeigen nicht notwendigerweise eine reale Person, können aber natürlich auf echten Modellen beruhen. In diesem Fall wird der Typus des exotischen Mädchens dargestellt, ob es dieses spezielle Mädchen, so wie es dargestellt ist, je gab, ist unbekannt. Tronies sind übrigens typisch für die Holländischen und Flämischen Maler des 17. Jahrhunderts.
Während der gesamten Tour durch die Galerie folgte uns ein junger Typ, der mir furchtbar auf den Keks ging und irgendwann dafür sorgte, dass wir beide in lautes Lachen ausbrachen. Er schaute sich kein einziges Bild an, fotografierte aber jedes einzelne Gemälde und die dazugehörigen Schildchen ab. Da er dabei den Ton seines Handys laut gestellt hatte machte dieses bei jedem Foto ein „Plopp“-Geräusch. Die gesamte Zeit über ploppte es also neben uns und irgendwann fing Christian an, dieses Geräusch zu imitieren. Das wiederum führte unweigerlich dazu, dass wir beide loslachten. Ein Blick auf das Display des jungen Mannes verriet, dass die Bilder noch nicht mal gut fotografiert waren. Kein einziges hatte er gerade oder mittig erwischt. Ehrlich, es wäre günstiger gewesen, sich einfach den Ausstellungskatalog zu kaufen und dafür den Eintritt zu sparen!
Christian, der alte Kunstbanause fand übrigens am Ende der Ausstellung noch das pompöse Porträt eines Mannes namens „Engel de Ruyter“ und ist jetzt felsenfest der Überzeugung, dass DAS der Mann ist, der den Hagelslag erfunden hat!







Interessant und ehrlich gesagt ein bisschen lustig ist auch, dass es im Jahr 2022 einen Anschlag auf das besagte berühmte Gemälde Vermeers gab. Ein Klimaaktivist hatte versucht seinen eigenen Kopf an dem Bild festzukleben, während ein anderer diesen mit einer roten Flüssigkeit übergoss. Dumm nur für die beiden, dass das Bild hinter Glas ist und somit völlig unbeschädigt blieb. Zusammen mit einem weiteren Beteiligten wurden die beiden zu Haftstrafen verurteilt.
Nach dem Besuch der Galerie machten wir uns noch auf dem Weg zum Friedenspalast. Den Haag ist den meisten Menschen wahrscheinlich besonders daher bekannt, dass hier sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Internationale Strafgericht ihren Sitz haben. Daneben gibt es natürlich auch noch weitere internationale Organisationen und Organe, die in dieser Stadt ihre Hauptsitze haben, unter anderem auch Europol.
Der ursprüngliche Name der Stadt ist übrigens gar nicht Den Haag, sondern ‚s-Gravenhage. Eine offizielle Umbenennung in Den Haag scheiterte vor einigen Jahren, daher sind nun beide Namen offiziell gültig. Den Haag ist zwar die geläufigere Bezeichnung für die Stadt, aber ‚s-Gravenhage wird weiterhin auf offiziellen Dokumenten wie Ausweisen und Reisepässen verwendet.
Im Friedenspalast tagt normalerweise der Internationale Gerichtshof. Wir waren etwas zu spät dran, also konnten wir das eindrucksvolle Gebäude leider nur noch von jenseits des Zauns bewundern. Tatsächlich schien hier aber eine besonders friedliche Atmosphäre zu herrschen.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass Anfang der 2000er Jahre in Den Haag der aufsehenerregende Strafprozess gegen den ehemaligen jugoslawischen bzw. serbischen Politiker und Kriegsverbrecher Slobodan Miloševíć stattfand. Er starb noch während des Prozesses im Gefängnis in Schevenigen, sodass der Prozess schlussendlich ohne Urteil zu Ende ging. Dieses Gefängnis war übrigens zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges als „Oranjehotel“ bekannt, denn hier sperrte die Gestapo mutmaßliche Widerstandskämpfer ein, die sich gegen die Besatzung der Niederlande durch Nazi-Deutschland auflehnten. Ich habe gelesen, dass der jüngste Gefangene in diesem Gefängnis damals 3 Jahre alt war, ein Junge, den die Nazis als Druckmittel gegen den Vater entführten und dort zusammen mit seiner 4-jährigen Schwester einsperrten. Diese Gefängnis ist noch heute in Betrieb, allerdings sitzen hier jetzt die Kriegsverbrecher ein, über die am internationalen Strafgerichtshof und beim UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gerichtet wird.
Das war heute ganz schön viel Information, aber wie gesagt, Den Haag hat eine unglaublich interessante politische und kulturelle Geschichte und ist einen Besuch allemal wert!
Das ist je wie mitreisen! Danke für die tollen Beschreibungen und Bilder.
P. S. Dieser de Ruyter hat nur die Sorte „pur“ erfunden 100 Jahre später dann ein de Ruijter (degenerierte Seitelinie) „ Hagelslag Melk“.
😂 Christian googelt immer noch nach einer Verbindung zu einem großen Schokoladenimperium 😂
Ihr Lieben, nun seid ihr tatsächlich losgefahren und soooo fleißig am bloggen (also Stephi), dass wir gar keinen Reiseführer brauchen, so toll und anschaulich würde Holland beschrieben. Wir sind sehr neugierig, wie es weitergeht und grüßen Euch herzlich. Weiterhin Mast- und Schotbruch.
Armin und Anja
Hallo ihr Lieben,
ja, verrückt, oder? Wir freuen uns sehr, dass euch unser Blog gefällt. Wir geben uns Mühe auch weiterhin fleißig zu berichten 😊
Ganz viele liebe Grüße!