Brighton, Großbritannien
Heute sollte es mal wieder weiter gehen, nachdem der Tag gestern ja aus Basteleien und häuslichen Pflichtaufgaben bestand. Der Blick ins Wetter lässt für die nächsten Tage nichts Gutes erahnen. Ernesto, der alte Lump, ein Hurricane, der sich vor der amerikanischen Ostküste rumgetrieben hat, hat Kurs auf Europa genommen und wirbelt hier das Wetter ein wenig durcheinander. Für uns bedeutet das bis Freitag starker bis stürmischer Wind im englichen Kanal. Vor allem morgen und übermorgen (Do. und Fr.) sieht es sehr nach zwei Hafentagen aus, wenn der Wind mit 6-7 Windstärken aus Westen oder Südwesten weht, und auch die eine oder andere handfeste Sturmböe mitbringt.
Der Hafen von Eastbourne hat uns gut gefallen, allerdings liegt er ein ganzes Stück vom eigentlichen Ort Eastbourne entfernt. Die Anlage und Umgebung sind Top, es gibt alle möglichen Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten, aber die Aussicht auf noch mehr Hafentage trieb uns raus auf die See, mit dem Ziel Brighton. Brighton, so sagte man uns, habe viel zu bieten und sei wohl insgesamt eine recht interessante Stadt.
Wettermäßig wurden uns von allen möglichen Quellen mehr oder weniger übereinstimmend 4-6 Windstärken (mal wieder aus West bis Südwest) versprochen. Wir beschlossen, die Leinen loszuwerfen und uns auf den etwa 20sm langen Weg zu machen.
Was die Gezeiten angeht, standen wir vor einem Dilemma. Im Prinzip müssten wir immer um Hochwasser abfahren, um die Gezeitenströmung mit uns zu haben, und dann würden wir in etwa zu Niedrigwasser am Zielort anzukommen. Brighton (wie auch viele andere Häfen hier) kann bei Niedrigwasser aber nicht angelaufen werden. Vor allem das Zeitfenster von +/- 2 Stunden vor/nach Niedrigwasser soll man tunlichst meiden. Die Hafeneinfahrten versanden wohl regelmäßig, und die Hafenbetreiber kommen mit dem Baggern kaum nach. Wind von vorne ist schon Mist, aber Strömung und Wind von vorne können ein Vorankommen gänzlich unmöglich machen.
Wir entschieden uns für eine Startzeit etwa zwei Stunden vor Hochwasser. Dann wäre die Strömung gegen uns nicht mehr so stark, und wir könnten uns eine gute Ausgangsposition erarbeiten. Als wir die Hafenschleuse verließen, banden wir direkt das zweite Reff ins Groß. Der englische Kanal präsentierte sich aber als Ententeich, und so kreuzten wir uns ganz entspannt in Richtung Beachy Head hoch, eine bekannte und markante Landspitze, die wir runden mussten, um dann einen westlichen Kurs Richtung Brighton einschlagen zu können. Die Landschaft hier ist schon toll und wir können uns gar nicht sattsehen. Daher war es auch nicht weiter dramatisch, dass sich unsere Kreuzerei durch die unvorteilhafte Strömung etwas in die Länge gezogen hat.
Sobald Beachy Head gerundet war, drehte der Wind auf und die See wurde ruppiger. Aber wir konnten tatsächlich direkt Kurs Brighton setzen. Das war gut, denn je früher wir ankommen würden, desto mehr Wasser würden wir vorfinden (was die Einfahrt in den Hafen sicherer macht). Irgendwann setzte auch der ersehnte Schiebestrom ein, und wir flogen Brighton entgegen.







Das Segeln war echt wild und nass. Der Wind drehte im Laufe der Zeit tatsächlich auf die versprochenen (oder angedrohten) 6 Windstärken hoch, und wenn er dann noch von vorne kommt, gibt’s voll auf die Zwölf. Steffi, die sich von Anfang an schon darauf vorbereitet hatte, die Strecke am Steuer zu stehen, bekam mal wieder jede Menge Salzwasser ab. Sie hatte aber sichtlich ihren Spaß. Komischerweise war außer uns armen Irren kein anderer Segler zu sehen, der in die gleiche Richtung fuhr. Insgesamt sind wir auch nur zwei Booten begegnet, die uns mit Wind von hinten entgegenkamen. Sollte uns das zu denken geben?
Segeln bei viel Wind ist eine Sache, Hafen-Ansteuerungen bei viel Wind und Welle eine ganz andere. So war ich hin- und hergerissen zwischen der Freude am Segeln und der Sorge, dass die See zu wild wäre, um den Hafen sicher anlaufen zu können. Der Wind war nämlich voll auflandig. Normalerweise versuchen wir, solche Häfen zu vermeiden, aber hier gibt es halt keine guten Alternativen. Unser Plan B wäre gewesen, zurück nach Eastbourne zu segeln.
Als die See immer rauer wurde, rief ich vorsichtshalber beim Hafen an, um zu fragen, ob sie Probleme sehen würden, den Hafen bei diesen Bedingungen und dem Wasserstand bei unserer Ankunftszeit anzulaufen. Die Antwort war: „Thumbs up“, alles gut, kann losgehen. Auch wenn wir jetzt etwas beruhigt waren, war die finale Ansteuerung dennoch echt spannend. Im tiefen Wasser sind die Wellen noch schön lang und gleichmäßig. Kommt man aber in flacheres Wasser, türmen sie sich noch weiter auf, und es kann schnell chaotisch (und gefährlich) werden.
Die letzte Meile in den Hafen hinein war dann ein echt heißer Ritt. Normalerweise bergen wir das Großsegel, bevor wir in einen Hafen fahren, vor allem, wenn wir den Hafen nicht kennen. Das war bei der Eierei aber keine Option. So ballerten wir unter Groß und Maschine in die Hafeneinfahrt rein, und das Segel fiel, sobald wir im Schutz der Mole angekommen waren. Über Funk kam dann noch die Info, wo wir uns hinlegen können, und schon waren wir fest, glücklich über einen tollen und wilden Segeltag, und erleichtert darüber, dass alles gut geklappt hat, und wir wieder einen neuen Ort erreicht haben, der nun entdeckt werden möchte.