Fifty Shades of Grey

Falmouth, Großbritannien

Der englische Kanal hat uns ein Geschenk gemacht, das wir nicht ablehnen konnten: Eine Ostwindlage. Auch wenn es uns hier an der englischen Südküste sehr gut gefällt, müssen wir ein wenig auf den Zeitplan schauen. Und so haben wir, nachdem wir in Brighton ja ein paar Tage mehr verdödelt hatten als geplant, dankbar zugegriffen und einen großen Satz nach Westen gemacht: Nach Falmouth im Cornwall. 

Nach Steffis ausführlichem Weymouth-Beitrag ist dort auch nicht mehr viel vorgefallen. Naja, fast nichts. Die Spielsucht hatte uns dann doch wieder ergriffen und so machten wir uns wieder auf in die Spielhalle zu diesen Geldschiebe-Automaten. Nach gut zwei Stunden waren wir um 7 Pfund ärmer, haben nun aber, was die Plastik-Figürchen angeht, ein ganzes Super Mario-Spiel zusammen und darüber hinaus noch eine Plüsch-Möwe mit dem schönen Namen „Steven Seagull“ gewonnen. Ein spätabendlicher Spaziergang am Strand rundete den Tag ab. Dort war gut was los, und eine gar nicht mal so schlechte Live-Band spielte aus gegebenem Anlass einen Oasis-Klassiker nach dem anderen für das feiernde Publikum.

Das Schöne an längeren See-Stücken ist, dass man sich nicht so einen Kopf über Gezeiten machen muss. Die Strömung kommt dann halt sechs Stunden von vorne und danach sechs Stunden von hinten. Es gab also keine Not, in aller Herrgottsfrühe zu starten, und so machten wir uns gegen halb elf auf den Weg. Das Einzige, was wir beachten mussten, war die Rundung von Portland Bill. Das ist wieder eine der markanten Landspitzen, an denen die Strömung problematisch werden kann. Hier gibt es tatsächlich ein sogenanntes Tidal Race. Races sind Bereiche extremer Gezeitenströmungen, in denen sich gewaltige, brechende Seen bilden können. Hindernisse, Engstellen, Kaps und vor allem steile Veränderungen in der Wassertiefe sind Zutaten, aus denen echte Races gemacht sind. In Portland ist es wohl zum einen das Kap (Hindernis im Wasser), dann ein Abfallen der Wassertiefe von ca. 80m auf 10-15m, und dann treffen dort wohl auch noch zwei verschiedene Gezeitenströme aufeinander. Das Ergebnis sind Strömungen, die im Extremfall 7kn erreichen können (wenn wir mit der Krassy segeln, sind wir bei 7kn im Geschwindigkeitsrausch).

Unsere Bibel (der Reeds Nautical Almanach) rät kleinen Fahrzeugen dringend davon ab, die Races zu befahren. Nach einem Gespräch mit unserem Boots-Nachbarn wurde uns das noch einmal bestätigt. Da wollen wir also nicht reingeraten. Es ist zwar keine Spring-Zeit, daher würde das alles nicht so extrem wild sein, aber ein paar Meilen Umweg tun uns auch nicht weh. So hielten wir den empfohlenen Abstand von etwa drei Meilen ein, freuten uns stellenweise über gut drei Knoten Schiebestrom und staunten über die stellenweise doch schon ordentlich aufgewühlte See. 

Da wir am Wind mit dem Segeln begannen (die Rundung von Portland Bill begann mit Südöstlichem Kurs), hatten wir, entsprechend der vorhergesagten 4-6 Windstärken aus Ost bis Nordost) das erste Reff im Groß. Als wir nach der Rundung auf unseren eigentlichen westlichen Kurs einschwenkten, rollten wir die Genua weg, um dann zu sehen, auf welcher Seite das Großsegel stehe würde. Der Plan war nämlich, das Groß ganz aufgefiert auf der Lee-Seite zu sichern, und auf der Luv-Seite die ausgebaute Genua zu fahren. Als das Groß stand und gesichert war, stellten wir fest, dass wir bereits so sechs Knoten durchs Wasser machten. Für die vor uns liegende Strecke von ca. 120sm schnell genug, wir wollen ja nicht mitten in der Nacht ankommen. 

Wir brachten nach langer Zeit mal wieder Harald an den Start, unsere treue Windsteueranlage, und er machte einen exzellenten Job. Die nächsten knapp 20 Stunden glitten wir dann absolut lautlos nach Westen. Kein schlagendes Segel und auch kein Autopilot-Motor waren zu hören, nur das Rauschen der See. Bestes Segeln also. 

Leider waren wir aber nur die ersten paar Stunden mit Sonnenschein gesegnet, dann zog es zu und wir glitten durch graues Wasser unter allen möglichen Schattierungen eines grauen Himmels. Entschädigt wurden wir allerdings durch mehrfachen Besuch einer ebenfalls grauen Delfin-Schule. Wenn der Wind von hinten kommt, kann man sich im Cockpit kaum vor ihm verstecken. Je später der Abend wurde, und je dunkler der Himmel, desto kälter wurde es. Zum Einbruch der Dunkelheit hatten wir bereits alle Schichten unserer guten Segel-Kleidung an, und es war immer noch ganz schön frisch. Wenn dann noch Müdigkeit dazu kommt, wird es echt bitterkalt. 

So fröstelten wir uns in Decken gewickelt durch die Nacht und freuten uns auf unsere Freiwachen, wenn man mal für ein paar Stunden in die bereits vorgewärmt Koje schlüpfen konnte. Falmouth begrüßte uns dann am nächsten Morgen auch grau und diesig. Aber auch so konnten wir schon die Schönheit der sanften grünen Hügel Cornwalls erahnen. Die Mündung des River Fal bildet einen wahnsinnig großen, gut geschützten Naturhafen. Überall liegen hier Boote vor Anker oder hängen an Bojen, und dann gibt es noch eine ganze Reihe von Yachthäfen. Hier würden wir schon irgendwo unterkommen.

Naja, so einfach war das dann doch nicht. Unsere erste Wahl, die Port Pendennis Marina, teilte uns mit: „Wir sind voll“. Zweiter Versuch bei einer Riesen-Marina außerhalb des Zentrums: „Wir sind voll“. Na toll. Auf Ankern oder eine Boje sind wir noch nicht vorbereitet. Krassimir, unser Dinghy, liegt noch gut verstaut unter Deck und war das letzte Mal 2018 auf den Bahamas aufgepumpt. Keine Ahnung, ob der noch dicht ist, oder ob wir den Motor so einfach gestartet bekommen. Daher wäre eine Marina schon cooler. Zum Glück bekamen wir den Tipp, es einmal bei dem zentral gelegenen Falmouth Yacht Haven zu versuchen, wo wir dann letztendlich auch untergekommen sind. Das scheint hier der eigentliche Besucher-Hafen zu sein. Den hatten wir nicht auf dem Schirm.

Als wir um halb neun dann fest lagen, schlüpften wir noch einmal für zwei Stündchen in die Koje, bis der Hunger und tatsächlich auch die Sonne uns weckten. Nach einer heißen Dusche gab es dann zur Belohnung in einem Pub lecker Fish and Chips und einen Pint Ale. Nach einer Nacht fast ohne Schlaf schlägt so ein Pint am frühen Nachmittag ordentlich ein. Macht nix, dann schreibt es sich leichter. Den Rest des Tages werden wir entspannen, und morgen steht erst einmal die Stadt-Erkundung und etwas Haushalt auf dem Programm.

Steffi hat parallel endlich auch mal die Hafeninfos und Statistik sowie einen Überblick über unsere bisherige Route hochgeladen. Diese findet ihr entweder direkt hier oder über den Menüpunkt „Daten & Fakten“ sowie über die Startseite. 

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