Gegen den Wind in den Steinzeiturlaub

Weymouth, Großbritannien

Wir starteten gestern früh mit wolkenlosem Himmel in Yarmouth und machten uns zunächst auf Richtung Süden um aus dem Solent herauszukommen. Die Strömung schob uns kräftig an und so zogen wir doch relativ dicht an der beeindruckenden Felsformation der Needles vorbei und konnten ein paar schöne Bilder machen. 

Die Felsküste mit den steil aufrecht aus dem Wasser hervorragenden Kalksteinsäulen sieht von See aus wahrscheinlich viel interessanter aus als von Land, also waren wir gar nicht so traurig, dass wir am Vortag nicht mehr mit dem Bus zum Aussichtspunkt gefahren waren. 

Jetzt ging es erst mal weiter in Südwestrichtung, denn wir mussten ein Kap runden vor dem sich eine etwas wildere See aufbaute und vor der wollten wir Abstand halten. Noch schob uns die Strömung an und erleichterte uns das Kreuzen gegen den Wind, aber das sollte sich bald ändern. 

Die ersten Stunden kamen wir gut voran, die Sonne schien und obwohl die Luft kalt war, war es schönes Segeln. 

Als wir das Kap gerundet hatten fing die Strömung langsam an zu kippen und so wurde mit Wind und Strom von vorne unser Wendewinkel immer schlechter. Wir fuhren also immer weniger direkt auf unser Ziel zu. 

Während Christian immer noch das großartige Segeln genoss (wir waren zumindest flott unterwegs), kippte meine Stimmung langsam immer mehr. Mir war kalt und es frustrierte mich zutiefst, dass wir einfach nicht näher an unseren Zielort herankamen. Man konnte nicht mal annähernd in der Ferne erkennen, dass da irgendwo ein Hafen oder auch nur ein Ort sein könnte. Aus Frust und Kälte erwuchs noch dazu eine latente Übelkeit. Ich war für heute fertig mit Segeln und wollte einfach nur noch ankommen. 

Die Kreuzerei zog sich noch einige lange Stunden hin und da der Wind auch nicht wie angekündigt nachließ, segelten wir die Strecke aus. 

In Weymouth gibt es eine große Marina, allerdings stellte Christian unterwegs mit Schrecken fest, dass die nur durch eine Brücke erreichbar war. Und die öffnete nur alle 2 Stunden. Toll. Zum Glück gibt es aber noch einen weiteren „Hafen“, wenn man es denn so nennen möchte. Christian hatte von unterwegs aus einen Platz für uns reserviert. Wir bekam auch prompt eine Antwort: Kein Problem, legt euch an Platz B4 ins Päckchen an das und das Boot. Yay, Päckchenliegen…

In der Hafeneinfahrt hörten wir dann im Funk ein anderes Boot, das ebenfalls einen Liegeplatz anfragte. Als die dann die Antwort vom Hafen bekamen, sich an Platz B4 an ebenjenes Boot zu legen, wurden wir bereits stutzig. Das war doch unser Platz.

Der „Hafen“ besteht nur aus einem Steg an der Promenade, an dem vielleicht 10 Boote liegen können. Hier stapeln sich also die Päckchen.

Im Gegenlicht konnte ich bei der Einfahrt so gut wie nichts erkennen, als wir näher kamen, sahen wir aber, dass sich tatsächlich schon eine alte Naja auf unseren Platz gelegt hatte. Wir mussten als drittes ins Päckchen. Mist, 15 Minuten früher und es wäre wesentlich entspannter gewesen… Denn natürlich wollte die Herren-Crew der Najad heute früh los. Ist ja immer so im Päckchen und verbesserte meine Stimmung um keinen Deut. Falls das jetzt noch nicht ersichtlich ist: ich hasse es im Päckchen zu liegen! Erstens turne ich nicht gern über andere Boote und finde es auch nicht so toll wenn andere über unser Deck turnen. Zweitens ist es tatsächlich IMMER so, dass einer der innen liegenden morgens früh los will. Noch mal Manöver fahren und sich nach außen legen will aber niemand… 

Als ich dann noch feststellte, dass mein Internet etwa die Qualität hatte, die man sonst nur auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Bremen findet – also absolut kein Netz – war der Abend für mich gelaufen. Wir gingen ins Bett, mussten ja eh heute früh raus um die Najad rauszulassen. 

Im Halbschlaf legten wir also morgens ab, fuhren eine Runde im Kreis und legten wieder an. Danach ging‘s zurück ins Bett, denn heute ist bei uns Hafentag angesagt. 

Weymouth ist ein reiner Urlaubsort. Das erste, was ich über diesen Ort gelesen habe, ist, dass es einer der wenigen in Großbritannien ist, der absolut nicht für seine Kultur bekannt ist. Das will was heißen. Der interessanteste Fakt über Weymouth ist, dass es die Partnerstadt von Holzwickede ist. Spannend… 

Hier gibt es einen langen Sandstrand, eine Promenade und eine nette kleine Innenstadt. Direkt am Pier ist noch eine kleine Kirmes aufgebaut und aktuell liegt direkt hinter uns eine riesige spanische Galeere mit einer spanischen Flagge am Heck, die wahrscheinlich von der Fläche unserer gesamten Segelfläche entspricht. Es gibt hier eine witzige Fährverbindung mit Ruderbooten, die laut unserem Hafenführer absolute Vorfahrt genießt. Die Jungs in den Booten müssen top fit sein! 

Auf unserem Spaziergang durch den Ort fiel uns gleich als erstes auf der kleinen Kirmes eine weitere Spielhalle, ganz ähnlich der in Brighton auf. Jetzt waren wir angefixt. Da musste doch was dran sein, dass die Leute hier so inbrünstig spielten. Wir wechselten zwei Pfundmünzen in einem Automaten in 2-Pence-Stücke um und probierten es aus. 

Das Spiel fesselte uns tatsächlich ein wenig. Wir warfen unsere Münzen ein und schauten zu, wie diese den großen Stapel Münzen in dem Automaten nach vorne schoben – oder eben nicht. Man musste genau abpassen, wann man die Münzen in den Schlitz einwarf. Da man immer mal wieder paar Münzen unten wieder raus bekommt, bleibt man schnell dabei und auch wir waren gegen den Suchtfaktor dieses Spiels nicht immun. Wir wechselten noch mal ein paar Münzen ein (wir hatten uns ein kleines Limit gesetzt) und probierten es weiter. Für uns zählte am Ende eher der Spaß als der Gewinn, aber wir freuten uns trotzdem über die kleine Luigi-Figur, die unten aus dem Automaten fiel. Der wird jetzt wohl mit uns über den Atlantik segeln müssen… 

Die Promenade entlang des Standes ist typisch für Ferienorte von Souvenierläden und Fressbuden gesäumt. Man bekommt hier allerlei Spielzeug für den Strand und natürlich jede Menge kalte Getränke und Süßigkeiten. Alles ist hier auf Urlaubsvergnügen ausgelegt um denjenigen Briten, die ihren Sommer eben nicht auf den Balearen oder den Kanarischen Inseln verbringen eine gute Zeit zu ermöglichen. Es sei ihnen gegönnt. 

Weymouth liegt an der so genannten Jurassic Coast, der Jura-Küste, die ihren Namen von den vielen Fossilien und Gesteinsformationen aus der Steinzeit erhalten hat. Hier finden sich allerdings nicht nur Felsen aus der Jura-Zeit, sondern auch aus vielen weiteren steinzeitlichen Epochen. Die Jurassic Coast lädt geradezu dazu ein, an den vielen Stränden unter den Steilküsten nach Relikten aus der Urzeit zu suchen, denn hier kann man wohl durchaus fündig werden. Auch wir hielten am Strand natürlich die Augen offen, aber hier in Weymouth ist der Strand eher zum Baden gedacht und weniger um alte Steine zu suchen. Dafür ist hier auch viel zu viel los. Wir gaben also schnell wieder auf. Das Universum hat für Christian keine alten Zahnfunde vorgesehen, wie es scheint, weder von Haien noch von Dinos… 

Wie übrigens an der gesamten englischen Küste stellen wir immer wieder fest, wie hundefreundlich die Briten sind. Fast jeder Laden hat irgendwo ein kleines Schildchen mit der Aufschrift „Dogs welcome“ aufgehängt, manche werben damit, dass jeder Hund, der sich gut benimmt ein Leckerli bekommt und einige verkaufen sogar Eis für Hunde. Auch am Strand waren zwischen den Familien überall Vierbeiner unterwegs. Bei uns wäre das undenkbar, da dürfen Hunde nur an speziell ausgewiesene Hundestrände. Aber auch in den Häfen sieht man kaum mal ein Schiff, das nicht mindestens einen oder zwei Hunde dabei hat, manchmal auch noch mehr. 

Verlässt man, wie wir, die Promenade, dann kommt man schnell in ein sehr schnödes Wohngebiet. Unser Spaziergang wurde zum Ende hin nicht unbedingt schöner, denn er führte uns nur zum großen Supermarkt, wo wir endlich mal wieder ein paar Vorräte einkauften. 

Da ich gestern gefroren haben wie ein Schneider, war ich heute wahrscheinlich die einzige in ganz Weymouth die in langen Hosen und Hoodie unterwegs war. Wir sahen heute etwas merkwürdig zusammen aus: Christian wie immer in kurzer Hose und T-Shirt und ich eingepackt wie im tiefsten Winter… 

Naja, frieren werden wir dann morgen wieder, denn für uns geht es morgen durch die Nacht. Das Ostwind-Fenster ist jetzt da und das ist die Gelegenheit für uns nach Plymouth oder, wenn es gut läuft, nach Falmouth durchzusegeln. Leider hat der Ostwind hier keine warmen Temperaturen mitgebracht und so verspricht die Nacht bitterkalt zu werden. Von Cornwall aus sind wir dann aber in einer guten Position direkt über die Biskaya nach Spanien durchzustarten, sobald sich ein Wetterfenster dafür bietet. Wir freuen uns langsam ein wenig auf wärmere Gefilde. 

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2 thoughts on “Gegen den Wind in den Steinzeiturlaub

  1. Hallo ihr beiden, eure Bilder macht selbst aus Weymouth einen tollen Ort. Der German Taste ist für die Engländer ja offensichtlich eher beschränkt wie die Englische Küche, habt ihr die Currywurst probiert? Wir wünschen euch eine ordentliche Portion Wind für die Überfahrt nach Frankreich.
    Liebe Grüße

    P.S. auf dem Freimarkt gibt es das Bulldozerspiel, das ist ein ähnliches Münzengrab. Da habe ich als Kind schon so manche Münze versenkt.🤪 Nächstes Jahr müssen wir das ausprobieren.

    1. Hallo ihr Lieben,
      probiert haben wir nicht, aber ein wenig interessiert mich schon, was wohl diese ominöse „Kasekrainer“ sein soll 😂
      Vielen lieben Dank, die Prognosen für die Überfahrt sehen schon ganz vielversprechend aus.
      Ach ja, man kann da leicht verstehen, dass die Leute süchtig werden, auch wenn man natürlich objektiv niemals gewinnen kann… Spaß gemacht hat es trotzdem!
      Ganz viele liebe Grüße von uns beiden!

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