Godot und faule Eier

Mindelo, São Vicente, Kapverde

Wir waren ein bisschen schreibfaul in den letzten Tagen, darum habt ihr jetzt mal ein Weilchen nichts von uns gehört. Aber wir sind noch immer in Mindelo und planen unsere Überfahrt nach Barbados. 

Ein bisschen was ist in der Zwischenzeit aber passiert. 

Zuerst mal das wichtigste: die Carinya hat mittlerweile ihren Baum wieder bekommen. Die beiden Hälften wurden auf eine Hülse gesteckt, verschweißt und dann mit der Hülse vernietet. Das Ganze macht einen ziemlich stabilen Eindruck und wir konnten zusammen den Baum wieder anbringen und Segel und Main Drop Tasche wieder anschlagen. Endlich sieht die Carinya wieder ganz normal aus! 

Aber da ist ja auch noch der Propeller bzw. die Wellendichtung. Die ist das größere Problem, allerdings nur weil der Service-Betrieb sich hier ganz gelassen Zeit nimmt… Die ganze letzte Woche über wurden Gerrit und Nicole von Tag zu Tag vertröstet. „Wir kommen heute nachmittag vorbei und schauen uns das an“. Es kam aber niemand. Am nächsten Tag kam wieder die gleiche Aussage bis Mitte der Woche endlich ein Taucher kam und die Sache inspizierte. Und siehe da: die Carinya hatte sich ein Stück Angelsehne im Propeller eingefangen. Die war kaum zu sehen, hatte aber die Dichtung beschädigt. 

Nach viel weiterer, nervenaufreibender Warterei wurde der Propeller endlich unter Wasser abgebaut, die Dichtung samt Buchse ausgebaut und getestet, wie der Ölbehälter wieder vom einlaufenden Salzwasser befreit werden könnte und jetzt musste nur eine neue Kunststoffbuchse gedreht werden, die Dichtung war schon gefunden und dann könnte der Propeller wieder drauf. Tja, eigentlich nicht mehr viel, aber das Vertrösten ging weiter und so ist der letzte Schritt leider noch immer nicht erledigt. 

Morgen. Hoffentlich! 

Wir haben entschieden, dass wir morgen noch abwarten. Wenn alles klappt und die Reparatur bis morgen Nachmittag beendet ist, dann fahren wir morgen gemeinsam los, im Zweifelsfall auch Übermorgen früh. Falls das Teil bis dahin immer noch nicht wieder eingebaut ist, dann fahren Christian und ich wahrscheinlich doch allein los, denn wir haben auch einen Zeitplan im Hinterkopf und wollen nicht noch mal mehrere Tag über Weihnachten verlieren. 

Das Warten, Vertrösten und vor allem das Gefühl, dem Service-Betrieb hilflos ausgeliefert zu sein hat in der letzten Woche reihum bei uns allen mal für einen schlechten Tag gesorgt. Aber auch das gehört dazu und verfliegt zum Glück auch wieder. Wie ein guter Freund von uns sagte: „Wir haben die Rolex, die haben die Zeit.“

Trotz allem haben wir unsere Zeit hier in Mindelo aber auch ganz gut um gekriegt, denn hier kann man sich gut beschäftigen. Es gibt einen wunderschönen Strand, den großen Markt und natürlich trifft man hier jede Menge anderer Segler und alle scheinen sich irgendwie über 3 Ecken schon zu kennen.

Da meine Haare unter der Sonne und dem Wind schon ordentlich gelitten hatten, suchte ich mir einen Friseursalon. Nicht, dass es vielleicht eine gute Idee gewesen wäre, das in einem Land zu tun, in dem ich zumindest halbwegs die Sprache verstehe… aber es hat auch so geklappt. Ich suchte mir aus dem Internet ein paar Fotos heraus, wie ich meine Haare gern geschnitten haben wollte und ging los um den Laden zu suchen. 

Zuerst stand ich vor verschlossener Tür und nachdem auf mein zaghaftes Klopfen niemand öffnete wollte ich schon wieder gehen. Da winkte mir von der anderen Straßenseite eine Frau zu, dass ich an der Nachbartür klopfen sollte und siehe da, mir wurde geöffnet. Ich vereinbarte für den Nachmittag einen Termin (mit Händen und Füßen) und konnte mich mit meinen Fotos am Handy zumindest genügend verständlich machen um die Haare tatsächlich so geschnitten zu bekommen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Friseure lieben Umstylings, also wurde auch diesmal wieder liebevoll gefönt und gestylt. 

Am nächsten Tag hatte ich noch einen weiteren Termin, diesmal in der örtlichen Klinik. Bei unserer Vorbereitung hatte ich zwar alle meine Impfung checken und auffrischen lassen, aber nicht bedacht, dass wir eventuell auch eine Gelbfieberimpfung brauchen könnten. Wir lassen unsere Planung noch etwas offen, aber falls wir doch noch nach Südamerika wollen, dann braucht man eben auch eine Gelbfieberimpfung. Christian war schon versorgt, also musste nur ich mir meine Spritze abholen. 

Auch hier sprach wieder niemand Englisch und so lief die Kommunikation mal wieder etwas steinzeitlich ab, klappte aber trotzdem erstaunlich gut. Ich zahlte die unfassbare Summe von umgerechnet 3€, bekam meine Spritze und den entsprechenden Eintrag im Impfbuch, wartete noch 10 Minuten ab und konnte dann die moderne Klinik wieder verlassen. 

Währenddessen checkte Christian auf der Krassy noch mal alles durch, testete unser neues Stand-Up Paddle Board und beobachtete das ständige Hafenkino. Hier ist immer ganz schön was los… 

Zum Ende der Woche zog eine Harmattan-Wetterlage auf, die alles, aber auch wirklich alles in rötlichen Staub hüllte. Zuerst wunderten wir uns nur, dass wir plötzlich die Nachbarinsel Santo Antão nicht mehr sehen konnten, dann entdeckten wir einen bräunlichen Flaum auf unseren Leinen und Persennigen und schon war der Dunst so dicht, dass man wir permanent das Gefühl hatten Staub einzuatmen. Wir hielten die Luken so weit es ging geschlossen, aber trotzdem hatte sich sogar überall im Inneren der Krassy ein staubiger Film abgelegt. So einen starken Sahara-Sand-Wind hatten wir bisher noch nicht erlebt und auch andere Segler, die schon länger auf den Kapverden unterwegs sind bestätigten, dass es diesmal besonders heftig war. Die vorherrschende Windrichtung ist hier Nord-Ost, aber wenn der Wind dann doch mal um ein paar Grad dreht und mehr aus östlicher Richtung kommt, dann sammelt er über dem afrikanischen Festland jede Menge Sand ein und paniert damit die Kapverden. Heute erst war die Luft wieder sauber genug, dass wir die Krassy endlich abspülen konnten. 

Mitten im Harmattan kamen auch unsere Freunde Philip und Martina mit der Nebula in Mindelo an. Mit dem schweren Stahlschiff hatte ihre Überfahrt deutlich länger gedauert als bei uns und war auch nicht annähernd so entspannt. Die beiden hatten ordentlich Wellen gehabt und auch unterwegs hatte ihnen der dichte Staub ziemlich zugesetzt. Wir freuten uns riesig die beiden – und natürlich den kleinen, alten Jimmy – hier wiederzutreffen! Eigentlich hatten sie geplant nur eine Nacht hier zu bleiben, Wäsche zu waschen, neuen Proviant zu bunkern und dann gleich am nächsten Tag weiter Richtung Karibik zu fahren, aber Pläne können sich ändern und so entschieden die beiden, noch ein paar Tage länger hier zu bleiben, worüber wir uns natürlich richtig freuen! 

Nicole von der Carinya und ich nahmen uns noch einen Tag Zeit für eine ausgiebige Näh-Session, nähten kleine Kissen, die wir unter der Sprayhood am Gestänge befestigten (da stößt man sich auf See nämlich ständig den Kopf, wenn man versucht gemütlich im Cockpit zu sitzen), änderten das zu große Segelkleid der Carinya und machten aus dem übrig gebliebenen Stoff noch eine schöne Abdeckung für die Instrumente in der Steuersäule. 

Gestern verbrachten wir dann fast den ganzen Tag damit in der Stadt Vorräte für die anstehende Überfahrt einzukaufen. Wir sind hier nicht mehr in Europa, also ist die Auswahl ein bisschen begrenzt, aber es gibt in Mindelo verschiedene Märkte und jede Menge Straßenverkäufer, die frisches Obst, Gemüse und Fisch anbieten. Die Einkäufe alle abzuwaschen und zu verstauen dauerte noch mal fast den halben Tag, dafür sind wir jetzt quasi abfahrtbereit (ein paar letzte Einkäufe machen wir noch am Montag). 

An den Abenden gingen wir abwechselnd zusammen essen oder grillten an Bord frischen Thunfisch vom Markt. Dann war noch Nicoles Geburtstag, der natürlich auch ordentlich gefeiert werden wollte. Nachdem wir schon meinen Geburtstag zusammen in Lissabon gefeiert hatten, verbrachten wir auch diesen Ehrentag zusammen.

Ansonsten ist hier in Mindelo immer was los, besonders so kurz vor Weihnachten. São Vicente ist besonders berühmt für seine Kunst und so treten hier jeden Abend in den verschiedenen Restaurants und Bars oder auf großen Bühnen oder Kunsthandwerkermärkten Musiker auf. Einige davon sind wirklich talentiert und man bekommt hier immer was geboten. In der Stadt gibt es eine interessante Galerie, die auch ein bisschen Einblick in die verschiedenen Künste der Insel gibt. Gestern Abend war allerdings der Abend der Weihnachtsparties und so wurden wir die ganze Nacht hindurch von einer Bühne direkt neben dem Hafen mit einer Live-Band beschallt. Musik können sie hier, aber das mit der Lautstärke müssen sie noch üben…  

Heute früh startete unser Tag dann gleich mit einem kleinen, aber sehr ekligen Unglück. Christian wollte zum Frühstück mal schauen, ob er sich noch ein paar Eier braten könnte. Die Eier, die wir in Spanien gekauft hatten haben eh schon merkwürdig gerochen und als unterwegs eines davon in der Eierverpackung aufplatzte und seinen – sagen wir mal sehr lebendigen – Inhalt im Schrank verteilte, war mir schon der Appetit auf Eier vergangen… Zwei waren aber noch übrig und so nahm Christian die beiden rohen Eier aus der Verpackung und – na, ratet mal – ließ eins davon fallen. Auf den schönen, extra-flauschigen, neuen Teppich im Salon. Und jetzt dürft ihr noch mal raten. Das Ei war schon vergammelt! Es stank wie die Hölle im Boot! So würden wir beide die Überfahrt kotzend verbringen, nicht wegen der Wellen, sondern wegen des Geruchs! Ausgerechnet. Nachdem Christian die schlimmste Sauerei beseitigt hatte spülten wir den Staub vom Vordeck, schleppten dann den schweren, stinkenden Teppich nach draußen und wuschen ihn mit ordentlich Waschmittel und Textildesinfektion gut durch. Das Boot lüfteten wir und wuschen auch die Bodenbretter gründlich ab. Eier kommen hier erst mal nicht mehr an Bord! 

Der Teppich ist so flauschig, dass er gefühlt eine Tonne wog, als wir das nasse Ding an die Reling hängten, aber jetzt können wir nur noch hoffen, dass er in der Hitze hier schnell trocknet und der widerliche Geruch ganz raus gegangen ist. Mein schöner neuer Teppich…

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8 thoughts on “Godot und faule Eier

  1. Hallo ihr beiden, schön, wieder von Euch zu hören. Eure braungebrannten Gesichter wirken echt befremdlich, hier ist einfach sch… Wetter, pünktlich zu Weihnachten. Euer nächstes Ziel macht uns echt feuchte Augen, mögen die Winde und der Golfstrom Euch schnell in die Karibik bringen, wir müssen uns leider auf Caipirinha, Mojito und Bahama Mama beschränken. 🍸🍹Auf jeden Fall wünschen wir Euch ein frohes Fest und vorsichtshalber einen guten Rutsch.
    Liebe Grüße von Anja und Armin

    1. Hey ihr lieben,
      ganz vielen lieben Dank und euch natürlich auch ein ganz tolles Weihnachtsfest! 🎄
      Heute geht‘s los und wir freuen uns schon riesig auf die Karibik und auf die Überfahrt! Ganz viele liebe Grüße nach Bremen!

  2. Moin nach Mindelo,

    ehrlich gesagt hatte ich mir schon gedacht, daß der Schaden bei der Carinya Euch eine Zwangspause bescheren wird. Dort ticken die Uhren halt anders, aber Ihr habt die Zeit ja gut genutzt. Jetzt wünsche ich Euch erst einmal ein frohes Weihnachtsfest und eine möglichst ruhige Überfahrt. Ich hab‘ seinerzeit mit der „Alex II“ von Sal nach St. Martin sehr entspannte 19 Tage gebraucht. Ich weiß ja nun nicht, ob Ihr Abergläubisch seid: an einem 23. Dezember 1787 ging in ein Schiff auf große Fahrt, welches es zu trauriger Berühmtheit gebracht hat … andererseits sind wir mit der „Alex II“ an einem Freitag, den 13. in See gegangen … Aberglaube ist eben halt auch relativ.

    Jürgen

    1. Moin,
      es sieht gut aus, dass wir heute doch noch alle zusammen los kommen, vielen Dank fürs Daumen drücken! Den Aberglauben haben wir ja so auch geschickt umgangen, da wir doch einen Tag später los kommen als geplant 😅
      Euch auch ein tolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
      Liebe Grüße,
      Steffi und Christian

  3. Moin,
    Ihr scheint noch nicht los zu sein, deshalb kann ich euch noch eine gute Überfahrt und frohe Weihnachten wünschen!
    Alles Gute!
    Henning

    1. Moin Henning,

      Vielen lieben Dank! Das wünschen wir dir und deiner Familie auch!
      Heute geht‘s los, das wird aufregend… 🤩

      Liebe Grüße aus Mindelo,
      Steffi und Christian

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