Krassy-Abschleppdienst für Blauwassersegler

Mindelo, São Vicente, Kapverden

Auch unsere restliche Überfahrt von den Kanaren zu den Kapverden verlief großartig! Der Wind blieb ziemlich konstant und während die Carinya mit ihrem elektronischen Autopiloten wie auf der Schnur gezogen den Kurs von 220° halten konnte, eierten wir mit unserer Windsteueranlage ein bisschen um die Carinya herum. Trotzdem blieben wir die gesamte Fahrt über immer in Sichtweite und funkten auch weiterhin jeden Tag zwei Mal um uns auszutauschen. Das gab uns beiden Sicherheit, denn so wussten wir immer, dass im Zweifelsfall Hilfe in der Nähe wäre. 

Wir fingen nach unserer kleinen Goldmakrele am nächsten Tag gleich noch mal einen Fisch. Diese Goldmakrele war allerdings ein wenig größer, sodass wir ein stattliches Abendessen bekamen. Beim Filetieren und hantieren mit dem gut geschärften Messer war Christian besonders vorsichtig. Auf See will man sich noch weniger in die Hand schneiden als in jeder anderen Situation. Als der Fisch fertig verarbeitet war, spülten wir noch das Boot ab, denn Fische auszunehmen ist leider eine blutige Angelegenheit und das Deck verlangt anschließend dringend nach einer guten Portion Seewasser zum Nachspülen. Als Christian dabei mit der Hand über die Travellerschiene vom Groß wischte um einen Blutspritzer wegzuwischen, schaffte er es doch tatsächlich, sich dabei in die Fingerkuppe zu schneiden… Gut desinfiziert und mit einem Pflaster verarztet war es letzen Endes nicht so schlimm, aber nervig ist es natürlich schon, denn gerade die Hände werden auf See gut beansprucht. Am nächsten Tag blieb die Angel dann eingerollt. Wir hatten erst mal genügend Fisch gegessen und Christians Finger brauchte einen Tag Pause. 

Der kleine Schnitt im Finger war fast schon die schlimmste Katastrophe, die unterwegs passierte, denn ansonsten blieb es auf unserer Überfahrt angenehm ruhig. Im rollenden Boot hatte ich mir ein paar blaue Flecken geholt, aber das gehört dazu. Segler ohne blaue Flecken sieht man hier in Mindelo eher selten. 

In der folgenden Nacht weckte mich Christian in meiner Freiwache zum ersten Mal. Der Toppnant, die Leine, die das äußere Ende des Spinnaker-Baums hoch hält, war abgerissen. Ich kroch also aus der Koje und wir kletterten im ersten Morgenlicht nach vorn um zu schauen, was da los war. Das Vorsegel hatte Christian schon eingerollt und der Baum hing ohne den Toppnant einfach herunter. Wir fingen die Leine ein und stellten erstaunt fest: der Schäkel, mit dem die Leine vorn im Baum eingehängt war, war noch geschlossen. Komisch. Wir prüften also, ob vielleicht am Baum irgendetwas beschädigt war, aber auch hier war nichts zu sehen! Völlig irritiert hängten wir die Leine einfach wieder dort ein, wo sie auch vorher gewesen war und haben bis heute keine Erklärung dafür, wie sich der geschlossene Schäkel gelöst haben könnte… Kobolde an Bord?! 

Da wir von Beginn unserer Überfahrt an mit guter Geschwindigkeit unterwegs gewesen waren, schafften wir die gesamten 850 Seemeilen in nur 6 Tagen. Bei unserer letzten Reise hatten wir für die gleiche Strecke noch 7 Tage gebraucht. Unterwegs wurde es von Tag zu Tag wärmer und während wir in den ersten Tagen nachts noch dick eingewickelt in unsere Fleece-Jacken draußen gesessen hatten, wurde es immer angenehmer, je näher wir unserem Ziel kamen. 

Am Tag vor unserer Ankunft meldete sich die Carinya noch vor unserer üblichen Funk-Zeit bei uns. Ihnen war gerade der Großbaum gebrochen! Die beiden blieben aber ruhig und gaben uns zunächst nur Bescheid, dass sie das klarieren müssten und sich später melden würden. 

Beim achterlichen Wind, hatte auch die Carinya den Baum groß aufgefiert und dieser lag an den Wanten an. Während unsere Windsteueranlage jede kleine Drehung des Windes aussteuert und so dafür sorgt, dass wir keine Patenthalse, also eine versehentliche Halse, fahren können, hielt der Autopilot der Carinya den Kurs. Dadurch kam bei den beiden der Wind gelegentlich mal aus der falschen Richtung, was dank der Baumbremse, die sie bei sich installiert haben, nur dazu führte, dass das Segel kräftig einruckte, aber nicht halste. Der Druck der dabei auf den Baum wirkte war aber offensichtlich zu viel und so brach dieser wie eine Karotte glatt durch, genau an der Stelle, wo er an den Wanten anlag. Zum Glück war der Schaden, abgesehen vom Baum selbst, nicht groß, denn die Tasche fürs Großsegel hielt die beiden Teile zusammen. Gerrit und Nicole konnten das Großsegel unbeschädigt bergen und die beiden Hälften des Baums sicher verstauen. Mit ihrer großen Genua waren die beiden kein Stück langsamer als zuvor und so konnten wir unsere Fahrt quasi unverändert weiter begehen. Wir waren tief beeindruckt, wie ruhig und gelassen die beiden die Situation lösten. Das kann nicht jeder! 

Da Gerrit meinte, ein Unglück kommt selten allein, prüfte er vorsichtshalber noch mal alle wichtigen Systeme an Bord. Ein Glück, denn dabei fand er heraus, dass der Ölbehälter seiner öl-geschmierten Propellerwelle leer war. Vor Abfahrt hatte er dies ebenfalls geprüft und da war der Behälter noch voll. Irgendeine Dichtung musste also kaputt sein, die dafür sorgte, dass das Öl einfach ausgelaufen war. So den Motor normal zu benutzen hätte einen größeren Schaden verursachen können, also boten wir an, die Carinya die letzten Meter in den Hafen von Mindelo zu schleppen. 

Wir segelten also erst mal weiter und erreichten am folgenden Morgen die kapverdischen Inseln. Kurz vor der Hafeneinfahrt holte wir unsere Segel ein, brachten Fender aus und vertäuten die Carinya längsseits an der Krassy. Im Hafen gaben wir Bescheid, dass wir ein anderes Boot mit Motorproblem rein schleppen würden und fuhren dann ganz vorsichtig im Tandem Richtung Hafen. Der Motor der Krassy machte die zusätzliche Belastung ohne Probleme mit und auch das steuern war erstaunlich einfach. 

Eigentlich hatten wir vor gehabt, die Carinya längsseits am Tanksteg abzuliefern, sie loszumachen und dann selbst zum Liegeplatz zu fahren. Der Tanksteg war allerdings besetzt, aber die Jungs von der Marina boten uns an direkt in zwei nebeneinander liegende Plätze rein zu fahren. Ein Anlegemanöver mit zwei Booten gleichzeitig? Klar, warum nicht?! Während ich also unseren improvisierten Katamaran langsam auf die Lücke am Steg zu steuerte, kamen um uns herum überall die Leute aus ihren Booten. Schon im Ankerfeld, dass wir in unserem fahrenden Päckchen passiert hatten, wurden wir fleißig gefilmt und am Steg empfing uns eine ganz Traube Menschen, die alle ihre Handys hochgereckt hatten. Hafenkino vom Feinsten! Ein österreichischer Katamaran, der auch parallel zu uns unterwegs gewesen war und fast zeitgleich mit uns in Mindelo ankam hatte offenbar einen passionierten Fotografen an Bord, der fleißig tolle Bilder von uns machte, als wir den Hafen ansteuerten. Darunter auch paar Bilder von unserem Schleppverband. Vielen Dank dafür an die Crew der Popucu! 

Das Manöver klappte super. Die Carinya war so vertäut, dass ihr Bug ein wenig weiter nach vorne ragte, als die Krassy und so wurden hier schnell die Leinen übergeben. Ruck-Zuck waren wir am Steg und an der Mooring befestigt und lagen sicher vertäut. Adrenalingeschwängert fielen Nicole und ich uns über die Reling hinweg erst mal in die Arme! Was für ein verrücktes Abenteuer, aber die Carinya kam in ihre Box ohne den Motor nutzen zu müssen und sowohl unsere beiden Boote als auch alle um uns herum blieben unbeschadet. Ich muss schon sagen, ich bin ein kleines bisschen stolz auf diesen Anleger, auch wenn das eine absolute Gemeinschaftsleistung war. 

Das Layout des Hafens in Mindelo half uns übrigens auch ein bisschen. Dieser Hafen ist nämlich wahnsinnig schlau angelegt. Da es hier eine einzige vorherrschende Windrichtung gibt, sind die Stege so gebaut, dass man entweder mit oder gegen den Wind anlegen kann. Beides ist wesentlich einfacher, als mit quer kommendem Wind in einen Liegeplatz zu fahren. Auf der Seite, wo man gegen den Wind anlegt, hat man Mooring-Leinen, an der gegenüberliegenden Seite gibt es Heckbojen. 

Nach den Nachtfahrten waren wir alle ein wenig müde, liefen aber als erstes los um uns im Hafen anzumelden und anschließend bei der örtlichen Polizei einzuklarieren. Das lief ganz problemlos ab und als wir mit unseren abgestempelten Reisepässen zurück zur Marina kamen setzten wir uns erst mal in die gemütliche Floating Bar, die Gastronomie des Hafens. Hier gibt es nicht nur leckeres Essen und Getränke, sondern auch das einzige W-LAN im Hafen, hier finden sich also zwangsläufig alle Segler mal ein, denn Internet ist unterwegs ein wichtiges Gut! 

Nicole und ich riefen direkt in der Heimat an um unseren Lieben von der gesunden Ankunft zu berichten und anschließend stießen wir erst mal auf unsere großartige Überfahrt an und bestellten uns einen wohlverdienten Snack. Wir alle konnten noch nicht so richtig glauben, dass wir hier sind, vor allem Nicole, denn sie hatte noch ein wenig mit sich gehadert, ob die langen Überfahrten was für sie sind oder nicht. Langfahrtsegeln ist nicht jedermanns Sache, da muss man schon richtig Lust drauf haben, aber trotz der Schäden, die die Carinya erlitten hatte, war Nicole ganz begeistert, von der gemeinsamen Überfahrt. Und auch wir fanden es richtig super, diesmal nicht allein unterwegs zu sein. Wir drücken ganz fest die Daumen, dass Baum und Propellerwelle schnell repariert werden können, damit wir auch die große Überfahrt in die Karibik wieder zusammen angehen können. Heute wurden bereits die beiden Hälften des Großbaums vom örtlichen Bootsbauer zur Reparatur abgeholt und auch die Wellendichtung scheint der Betrieb im Wasser reparieren zu können. Wie es scheint wissen die hiesigen Werftbetriebe sehr genau was sie tun, da können sich unsere Bootsbauer in der Heimat mal eine Scheibe von abschneiden… 

Wir liefen am Nachmittag noch mal in die Stadt, suchten nach ein paar altbekannten Gastronomien und Orten, die wir noch von unserem letzten Besuch in Mindelo in Erinnerung hatten und besorgten uns beim lokalen Mobilfunkanbieter eine gut dimensionierte SIM-Karte um nicht auf das W-LAN in der Bar angewiesen zu sein. 

Den Abend ließen wir zusammen mit Gerrit und Nicole in einem tollen Restaurant direkt gegenüber vom Hafen ausklingen, wo die beiden uns als Dank für die Abschleppaktion zum Essen einluden. Als Buddy-Boat war es für uns absolut selbstverständlich, in dieser Situation zu helfen, aber trotzdem freuten wir uns über die Einladung. Hundemüde fielen wir danach alle ins Bett und schliefen wie die Bären… 

Heute verbrachten wir den Tag damit die Krassy wieder vorzeigbar zu machen. Gleich morgens holte eine nette Dame von einem Wäscheservice 4 riesige Tüten mit unseren Matratzenbezügen, Klamotten und Bettwäsche ab, wir spülten die Krassy ab um Salz und Reste von Fischblut abzuwaschen, räumten das Boot auf und ich kam endlich dazu mal einen leckeren Apfelkuchen zu backen. 

In Mindelo herrscht eine ganz besondere Atmosphäre, denn wer hier her kommt, der ist auf großer Fahrt. Auf den Booten um uns herum wird gewerkelt, repariert, proviantiert und das allgegenwärtige Thema unter den Seglern ist die große Atlantiküberquerung. Es herrscht allgemeine Aufbruchstimmung und die Crews aus aller Herren Länder kommen immer wieder ins Gespräch, tauschen sich aus und helfen einander. Hier liegen von alten Seebären über Kapitäne von Luxus-Yachten und blutjungen Hippie-Crews alle Arten von Seglern. Die meisten haben Reparaturen an ihren Booten, sodass der örtliche Werftbetrieb immer gut zutun hat. 

Christian und ich freuten uns heute ein wenig darüber, dass wir, während fast alle um uns herum mit Reparaturarbeiten beschäftigt sind, Kuchen backen können. Im Prinzip müssen wir nur frisches Obst und Gemüse einkaufen, den Wassertank auffüllen und dann können wir los. Das ist ein ziemlich gutes Gefühl, denn so werden wir die Zeit hier in Mindelo wahrscheinlich sehr entspannt genießen können. Eine Woche wollen wir hier auf jeden Fall bleiben und dann hoffen wir, dass unsere Freunde ihre Baustellen schnell gefixt bekommen und wir zusammen aufbrechen können. Aber bis dahin werden wir die einmalige Stimmung auf dieser afrikanischen Insel noch in uns aufsaugen! 

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4 thoughts on “Krassy-Abschleppdienst für Blauwassersegler

  1. Moin ihr Weltenbummler
    Was ein Abenteuer. Gespannt warte ich immer auf die neuen Berichte von Euch und verfolge Euer AIS, welches ab und zu leider lange ein einer Stelle verharrt. Aüf Google schaue ich mir immer Eure Häfen und die Umgebung der Krassy an. Beeindruckend!!!! Insofern reist man mit, jabbadabbadu.
    Die lustigen Kleinigkeiten, wie über den Anker bei niedrigem Steg an Bord zu gelangen, habe ich mir bildlich vorgestellt und gegrient.
    Der kleine beleuchtete Tannenbaum ist der Hit. Wir wünschen Euch noch ein paar schöne Tage auf den Capverden und das Eure Freunde ihr Boot für eine Zeisamkeit der Boote über den Atlantik fertig bekommen.
    Übrigens bin ich beeindruckt von Eurer kulinarischen Bordküche, Hmmm.
    Alles Liebe und Gute für die Überfahrt und immer viele Handbreit Wasser unterm Kiel.
    Vorweihnachtliche Grüße aus CUXI
    Elke

    1. Hallo ihr lieben, vielen lieben Dank für den schönen Kommentar! Wir freuen uns sehr euch auf unsere Reise mitnehmen zu können!
      Ich habe jetzt einen eigenen kleinen Klapphocker, der macht den Aufstieg über den Anker ein bisschen leichter 😁
      Liebe Grüße zurück nach Cux!

  2. Moin Ihr Zwei,

    Glückwunsch zur fast perfekt absolvierten Auftaktetappe der Fahrt über den „Großen Teich“!
    Ich war am Freitagmorgen – noch in Fuerte – von Eurer Ankunft in Mindelo etwas überrascht, da „Marinetraffic“ Euch immer noch in Pasito Blanco verortet hatte. Da ich ja Eure Abneigung für derartige Häfen kenne, begann ich mir schon Sorgen zu machen …
    Gut, daß es sich so aufgeklärt hat!

    Jetzt tankt erst einmal ordentlich Energie für die zweite Etappe!

    Gruß aus dem naßkalten Hamburg – Morgen ist bei uns Weihnachtbaumkauf im Niendorfer Gehege angesagt,

    Jürgen

    1. Moin Jürgen,
      Hoffentlich hattet ihr einen tollen Urlaub auf Fuerte! Schade, dass wir uns doch noch verpasst haben.
      Unser AIS ist leider manchmal ganz schön träge, das liegt an der recht niedrig angebrachten Antenne…
      Wir schicken ein bisschen Sonne vorbei, davon haben wir hier auf den Kapverden jede Menge!
      Liebe Grüße von uns beiden!

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