Norfolk, Virginia, USA
„Einmal verrückt sein, und aus alles Zwängen fliehen“ Tja, Udo Jürgens hat nur geträumt und ist letztendlich wieder in den grauen Alltag mit Bohnerwachs und Spießigkeit eingestiegen. Wir sind tatsächlich allen Zwängen entflohen, wenn auch nur auf Zeit, wohlwissentlich, dass das Bohnerwachs in ein paar Monaten wieder auf uns wartet. Irgendwie hatte ich in den letzten Tagen immer wieder dieses Lied im Kopf. Ich war bisher tatsächlich noch nie in New York, während Steffi schon das eine oder andere Mal Gelegenheit hatte, dem Zauber dieser großartigen Stadt zu erliegen. Und jetzt, wo wir schon so nahe dran sind, war ein Besuch natürlich unvermeidlich.
Unser ursprünglicher Plan sah eigentlich vor, mit der Krassy nach New York zu segeln, zumindest für ein ikonisches Foto der Krassy in voller Besegelung vor der Freiheitsstatue. Allerdings ist das kein guter Ort zum Verweilen oder um uns auf die Überfahrt zu den Azoren vorzubereiten. Es gibt kaum geschützte Ankerplätze, außerdem hatten wir wirklich keine Lust mehr auf das ganze Theater mit dem Dinghy, erst recht nicht in einer Stadt wie New York. Marinas sind vorhanden aber so absurd teuer, dass wir mit unserer Krassy für eine Nacht mehr als 300$ auf den Tisch legen müssten. Wochen- oder Monatspreise gibt es nicht. Und man muss schon gut weit rausfahren aus der Stadt, um bessere Preise zu bekommen. Daher sind wir eigentlich ganz froh, dass wir uns für Norfolk als Absprungpunkt entschieden haben und New York also nun nicht auf eigenem Kiel besuchen.
Bevor wir aber in den Trubel der Stadt, die niemals schläft eintauchten, stand noch ein weiterer Programmpunkt bei Washington auf dem Zettel: Arlington National Cemetery, der über 250ha große Friedhof in Arlington, Virginia, der nur vom Potomac River von DC getrennt ist und als Ruhestätte vor allem Soldaten und Veteranen, deren Ehepartnern, und natürlich US-Präsidenten vorbehalten ist.
Ihr kennt ihn wahrscheinlich alle aus zahlreichen Filmen und Serien, in denen im Dienst für das Vaterland gefallene Soldaten feierlich beigesetzt werden, wahlweise bei strahlendem Sonnenschein in Angesicht von perfekt herausgeputzten Kameraden in Gala-Uniform, die einer weinenden Witwe feierlich die sorgfältig gefaltete US-Flagge überreichen, oder aber in strömendem Regen, vor dem sich eine schwarz gekleidete Trauergemeinde mit riesigen Regenschirmen zu schützen versucht.
Tatsächlich ist ein Besuch des Friedhofs lohnend und eindrucksvoll. Auf dem hügeligen Gelände liegen über eine Viertelmillion Menschen begraben, und die meisten Gräber sind von einen schlichten weißen Grabstein flankiert. Diese rasterförmig angeordneten Grabsteine, die sich bis zum Horizont erstrecken, bieten den ikonischen Anblick des Friedhofs, den wahrscheinlich jeder kennt. Zahlreiche Wege und Straßen führen über das Gelände, und auf ihnen waren recht viele Menschen unterwegs – für einen Spaziergang, um verstorbene Angehörige zu besuchen oder – wie wir – als interessierte Touristen.








Neben den Soldaten- und Präsidentengräbern findet sich auch ein „Grabmal des unbekannten Soldaten“ das symbolhaft alle in Kriegen gefallene amerikanische Soldaten ehrt. Das Grabmal wird bewacht, und regelmäßig findet ein „Changing of the Guard“ statt, in dem der aktuelle, akkurat uniformierte Wachposten unter dem strengen Blick und der strengen Kontrolle eines Sergeants von einen neuen Wachposten abgelöst wird. Die Zeremonie ist sehenswert, und wird sehr ernst genommen. Es wird um absolute Ruhe gebeten, Mützen sollen abgenommen werden und Kaugummis entsorgt. Bei vielen Zuschauern ging die Hand ans Herz und der Blick wurde feucht.




Weiter ging‘s in Richtung New York, allerdings mit einem kurzen Zwischenstopp in Philadelphia. Was macht man in Philly (außer an der Liberty Bell zu lecken)? Richtig, man isst ein Cheesesteak. Wir haben uns ein gutes Diner am Stadtrand für ein spätes Mittagessen ausgesucht, ich bekam ein sehr leckeres Cheesesteak (das ja nur aus einem Sandwich-Brötchen, fein geschnittenem Steak und Käse besteht), und weiter ging die Fahrt zum Big Apple.
Wir haben uns allerdings ein Hotel in Jersey City ausgesucht, direkt an der Einfahrt zum Holland Tunnel gelegen, der nach Manhattan reinführt. Der Vorteil dieses Hotels war, dass zum einen ein Parkplatz inklusive war, und dass es zum anderen nah an der U-Bahn bzw. Den PATH-Zügen gelegen ist. Wir kamen am frühen Abend an, und beschlossen, erst am nächsten Tag in die Stadt zu fahren. Ein kleiner Spaziergang führte uns aber noch zum Hudson River, von wo aus wir, pünktlich zum Sonnenuntergang, einen ersten Blick auf die Skyline Manhattans erhaschen konnten.


An den folgenden beiden Tagen (Sonntag und Montag) ließen wir uns durch New York treiben. Es ist schon magisch, wenn man das erste Mal aus der U-Bahn-Station heraustritt und sich inmitten der Stadt befindet, die zumindest für mich einerseits total neu, andererseits aber auch durch Film und Fernsehen so vertraut ist. Sonntag starteten wir zunächst im Financial District im Süden Manhattans, ließen uns durch die Häuserschluchten treiben, und besuchten natürlich das Denkmal am World Trade Center. Es ist schon ein Gänsehaut-Moment, wenn man an den „Fußabdrücken“ der Türme des alten World Trade Centers steht, und zum neuen „One World Trade Center“ hinaufblickt, das sich wie aus Trotz und getreu dem Motto „Jetzt erst recht“ noch höher als die alten Türme über die Stadt erhebt.





Direkt daneben liegt World Trade Center Oculus, ein architektonisches Schmankerl des Architekten Santiago Calatrava, das den Eingang zum neuen Bahnhof am World Trade Center schmückt. Das Gebäude soll wohl eine Taube symbolisieren, die aus einer Hand emporfliegt. Santiago Calatrava ist uns übrigens auf Teneriffa schon begegnet. Er hat das Auditorium in Santa Cruz gebaut, in dem wir unser Kammerkonzert genossen hatten.





New York ist teuer, und eines der wenigen Dinge, die kostenlos sind, ist die Staten Island Fähre. Die orangen Fähren starten an der Südspitze Manhattans und fahren an Miss Liberty vorbei nach Staten Island und wieder zurück. Da Sonntags war, blieben die Pendler-Massen, die die Fähre sonst nutzen aus, und so konnten wir etwas die Beine ausruhen und die Aussicht genießen.





Nach der obligatorischen New York Pizza fuhren wir hoch zum Time Square, liefen den Broadway und die 5th Avenue entlang und ließen uns von den vielen XXL-Neon- und LED-Reklamen reizüberfluten. Wir suchten uns in der Nähe vom Central Park ein nettes japanisches Ramen-Restaurant für ein exzellentes aber nicht ganz billiges Abendessen aus, und machten uns von dort aus auf zum letzten Programmpunkt für diesen Abend.








Für ein Broadway-Musical waren wir zu geizig, und auch die Gelegenheit, George Clooney in seinem Stück „Good night and good luck“ einmal live zu sehen ließen wir angesichts der Ticketpreise von 580$ bis über 800$ diesmal ausfallen. Dafür gab es eine Comedy-Show! Ein Zehner für ein Ticket plus ein Mindestverzehr von zwei Drinks pro Nase hörte sich fair an, und so gingen wir hinauf in den Club, in dem bereits vier andere Gäste saßen. Zwei andere Deutsche Touristen, eine dänische Touristin, und eine echte New Yorkerin, die wohl als Detective bei der Polizei arbeitet. Viel mehr Gäste wurden es auch nicht mehr, was echt schade war. Die New York Knicks (Basketball) hatten an dem Abend wohl ein echt wichtiges Spiel, weswegen viele Stammgäste zu Hause geblieben sind. Naja, das Spiel, für das es noch wenige Rest-Tickets für vierstellige Preise gab, war wohl nicht erfolgreich, und zwei Tage später ist dann auch der Kopf des Trainers gerollt…
Die Show selbst war dann aber auch ganz witzig und ziemlich genau so, wie man diese Shows mit mittelmäßigen Hobby-Comedians auch aus dem Fernsehen kennt. Eine echte New York-Experience also. Es sind bestimmt sieben oder acht Comedians aufgetreten, und die Themen der Jokes drehten sich tatsächlich vor allem um jüdische Bräuche und Beschneidungen (das ist schon ok, die meisten Comedians waren tatsächlich selbst jüdisch), um die Ehe und nicht mehr stattfindenden Sex, Alltagssituationen, und – aufgrund des hohen Anteils Deutscher im Publikum – um Nazis. Ich glaube, die haben gar keine Vorstellung davon, was für ein sensibles Thema das bei uns ist. Wenn diesbezüglich auch etwas over-done, war die Show in Summe wirklich ganz nett und lohnend.







Nach einer 99-Cent-Pizza, die mittlerweile in der einfachsten Form 1,49$ kostete, ging es hundemüde und mit schweren Beinen zurück zum Hotel.
Montag starteten wir mit einem ausgeprägten Spaziergang durch den Central Park. Die grüne Lunge Manhattans ist bei Einheimischen wie bei Besuchern gleichermaßen beliebt, und kommt wie eine Oase daher. Die Menschen kommen her, um auszuruhen, sich zu sonnen, um Sport zu treiben, über die Seen zu paddeln usw. Es ist schon unwirklich, zwischen Felsen und uralten Bäumen durchzulaufen, und in der Ferne die Wolkenkratzer der Stadt zu sehen. Wenn man erst tief genug drin ist, bekommt man von der Stadt, abgesehen von einem ganz leisen Hintergrundrauschen fast nichts mehr mit.







Wir waren länger im Park als gedacht, also knurrten unsere Mägen schon wieder ordentlich. Heute wollten wir in China Town essen, was auch wieder ganz im Süden Manhattans gelegen ist. Dort fanden wir ein nettes koreanisches Restaurant, so dass wir gut gestärkt weiterziehen konnten.




Eines hatten wir nämlich noch auf dem Zettel für den Tag: Die Brooklyn Bridge und Brooklyn. Die Brücke kann ganz kommod zu Fuß überquert werden, und zwar über eine Art Fußgänger-Promenade, die oberhalb der Autospuren verläuft. So hat man einen guten Blick, und man ist nicht so sehr dem Verkehr ausgesetzt. Wir waren natürlich nicht die einzigen, die auf diese Idee gekommen sind. Hier war eine ganze Völkerwanderung unterwegs.







In Brooklyn angekommen, verteilte sich die Menge aber wieder ganz schnell. Eine Promenade oberhalb des Brooklyn Bridge Park bietet wieder einen tollen Ausblick auf Manhattan, und genau dahinter liegt das Viertel Brooklyn Heights. Wir ließen uns etwas durchs Viertel treiben, das mit seiner Rotklinker-Bebauung ein wenig Hamburg-Heimatgefühle auslöste, sahen uns den Sonnenuntergang an und fuhren wieder einmal völlig erledigt zum Hotel zurück.






Und so war das New York-Abenteuer nach zwei Tagen und mit über 60.000 Schritten in den Beinen schon wieder vorbei. Dienstag ging es dann, mit einem kurzen Essens-Stop in Ocean City, wieder zurück nach Portsmouth zur Krassy. Die folgenden Tage lief nicht besonders viel. Zunächst ruhten wir uns von dem anstrengenden Road Trip aus, dann fingen wir allmählich an, unsere Vorräte zu katalogisieren und aufzustocken. So langsam muss das weiter gehen, und momentan sieht es so aus, als würde das Wetter allmählich wieder sommerlicher und stabiler. Wir warten noch auf eine Lieferung, die hoffentlich Montag oder Dienstag eintrifft, und dann sollten wir hoffentlich bereit sein für die große Überfahrt.







Aktuell ist hier in Norfolk gut was los. Es läuft an diesem Wochenende das „Harborfest“, ein großes Hafenfest mit Einlaufparade, Schlepperballett, Live-Musik, Fressbuden, und viel Programm an Land und auf dem Wasser. Gestern (Freitag) besuchten wir schon ein paar Stände, darunter einen der Air Force, an dem wir mit verschiedenen Geschicklichkeitsspielen und bei einem kleinen 3D-Simulatorflug unsere Tauglichkeit als Jet-Pilot unter Beweis stellen konnten, wir besuchten die „Thomas Jefferson“, ein hydrographisches Vermessungsschiff der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), das glücklicherweise noch nicht weggeDOGEt wurde, und sahen am Abend eine tolle Drohnen-Show.








Langweilig ist uns also nicht, dennoch kommt so langsam Rastlosigkeit auf. Das kann langsam echt mal weiter gehen!
Unglaublich, diese Wolkenkratzer… In Amerika ist eben alles größer, manchmal mehr, als gut wäre. Auch schön zu sehen, dass es warm zu sein scheint, während wir uns den A….. abfrieren, aber ab morgen kommt der Sommer, wurde uns versprochen. Unglaublich auch, wie schnell die Zeit verflogen ist und ihr von Rückreise sprecht 😱, deshalb Mast- und Schotbruch für die Reise zu den Azoren.
Liebe Grüße von Armin und Anja
Vielen Dank! Ja, warm ist es allerdings, aber immerhin frieren wir dann nicht während der Nachtwachen. Viele liebe Grüße ins hoffentlich mittlerweile sonnige Bremen von uns beiden!