The Land of the Free

36°59‘N, 076°20‘W

Es ist soweit! Wir haben vor ein paar Stunden die Leinen los geworfen und sind nun auf dem Rückweg ins gute alte Europa. Unser Ziel: die Azoren. Bis wir dort ankommen werden aber sicher noch mindestens 18 Tage vergehen, wahrscheinlich sogar ein bisschen mehr. Je nachdem, wie gut wir voran kommen, ob wir Umwege nehmen müssen um Tiefdruck- oder Flautengebieten ausweichen zu müssen, könnten es auch gute 3 Wochen werden. Etwas über 2300 Seemeilen liegen jetzt vor uns und ja, wir sind ein bisschen aufgeregt… 

Unsere letzten Tage in Amerika waren aufregend, aber gleichzeitig ereignislos. Wir hatten unseren treuen Mietwagen am Samstag zurückgegeben und Sparfüchse, die wir nunmal sind, gleich einen neuen bei einer anderen, günstigeren Autovermietung bestellt. Wir mussten noch Einkäufe und Erledigungen für unsere anstehende Überfahrt machen, also wäre ein Auto unerlässlich – dachten wir zumindest… Als wir nach einem zähen Spaziergang in der prallen Sonne und entlang eines viel befahrenen Highways ohne richtigen Bürgersteig bei unserer neuen Autovermietung ankamen erlebten wir eine böse Überraschung. Unser Auto war online bereits bezahlt und so mussten wir bei der äußerst lustlosen jungen Frau am Schalter nur noch die Kaution hinterlegen. Die Dame dämpfte aus allen Poren die Unlust an ihrem Job aus. Ganz untypisch für dieses eigentlich so serviceorientierte Land schlug uns hier nur Verachtung entgegen. Die Kaution sollte wie schon etliche Male zuvor auf die Kreditkarte gebucht werden, allerdings gab es diesmal ein Problem: unsere europäischen Kreditkarten tragen zwar ein Visa-Zeichen, sind aber eigentlich Debit-Karten. Das Modell, bei dem man seine Kreditkartenabrechnung erst nach mehreren Monaten begleicht ist so bei uns ja kaum noch existent. Normalerweise verhalten sich unsere Debit-Karten bei solchen Buchungen auch ganz normal, aber nicht so hier. Genervt teilte uns die freundliche Dame mit, dass sie die Kaution so nicht buchen könne. Barzahlungen nehme sie auch nicht entgegen. Aha, und was jetzt? Nichts, wir könnten wieder gehen. Ohne Auto versteht sich und natürlich auch ohne Erstattung des bereits vorab gezahlten Preises. Sie gab uns noch einen Flyer mit einer Telefonnummer mit, die wir wegen der Rückerstattung anrufen könnten und wir verließen völlig verdattert und ziemlich sauer die Mietwagenstation um uns ein Uber zu rufen. Vielleicht hätten wir uns hier breitbeiniger aufstellen und nach dem Manager verlangen sollen, aber bei so viel Ignoranz ist man dann doch irgendwie manchmal nicht schlagfertig genug. 

Unter der mitgegebenen Nummer konnte man uns übrigens selbstverständlich nicht helfen und auch das Internetportal über das wir gebucht hatten, war wenig entgegenkommend. Als dann noch eine Abbuchung für den ersten Mietwagen, den wir gerade zurückgegeben hatten, aufploppte und einen Betrag anzeigte, der etwa doppelt so hoch war wie unsere ursprüngliche Buchung, platzte Christian endgültig der Kragen. Auch die erste Autovermietung hatte uns offenbar beschissen indem sie einfach noch irgendwelche Versicherungen dazu gebucht hatte, die wir beim Unterzeichnen des Vertrags nicht hatten erkennen können. Das Thema Mietwagen war also endgültig durch! Den ganzen Tag hatten wir damit verschwendet hin und her zu telefonieren und uns zu ärgern, was fast schlimmer ist als der finanzielle Schaden. Unsere anstehenden Einkäufe würden wir ab jetzt anders regeln, zur Not mit Uber. 

Der Eindruck in den USA an allen Ecken und Enden über den Tisch gezogen zu werden, verstärkte sich durch diese Erfahrung noch mal mehr. Nach der Geschichte mit dem Hotel in Washington, einem Fahrkartenautomaten, der einen 20-Dollar-Schein gefressen hatte um sich dann wieder in den Startbildschirm zu schalten und die Mietwagen-Misere hatten sich hier irgendwie aufsummiert. 

Aber wir machten das beste draus. Nachdem wir in New York noch in langen Hosen und mit Jacke unterwegs gewesen waren, war jetzt plötzlich die Temperatur von herbstlich-kühl wieder auf sommerlich-heiß hochgeschossen. Bei über 30°C schwitzten wir wie verrückt. Man sollte meinen, dass ein Winter in der Karibik uns an die heißen Temperaturen gewöhnt hätte, aber ehrlich gesagt hatten wir die kleine Abkühlung der letzten Woche sehr genossen. Für die kommenden Nächte auf See wäre die Wärme natürlich willkommen, aber im Hafen fiel es uns ein bisschen schwer, uns wieder daran zu gewöhnen. 

Mit dem Uber ließen wir uns zum nächstgelegenen Walmart fahren, wo wir uns im klimatisierten Supermarkt reichlich Zeit ließen und einen riesigen Einkaufswagen mit haltbaren Lebensmitteln und Wasser vollpackten. Konserven mit Bohnen, Tomaten, Mais und Thunfisch sowie mehrere Pakete mit Nudeln, Reis, Mehl und anderen Grundnahrungsmitteln wanderten von unserer Einkaufsliste in den Wagen. Frische Lebensmittel wollten wir erst kurz vor Abfahrt einkaufen, die müssen immerhin ein bisschen länger durchhalten. Eine über unseren Großeinkauf etwas perplexe Uber-Fahrerin holte uns auf dem Parkplatz wieder ab und wir verbrachten den Rest des Tages damit, die vielen Vorräte in der Krassy zu verstauen. 

Unsere Zeit verbrachten wir ansonsten damit, Ausflüge nach Norfolk zu machen und uns auf unser nächstes Abenteuer vorzubereiten. Langsam kristallisierte sich ein Wetterfenster für unseren Start am Mittwoch oder Donnerstag heraus. Was uns allerdings noch fehlte, waren unsere Unterwanten. Richtig gelesen. Wir hatten beim Rigg-Check festgestellt, dass sich auch in einer der achterlichen Unterwanten ein Draht aus der Pressung gelöst hatte, ganz ähnlich wie schon auf Antigua in den Oberwanten. Eine so große Überfahrt wollten wir vorsichtshalber so nicht angehen und entschieden uns dazu, auch die Unterwanten erneuern zu lassen. Da nur die achterlichen Wanten betroffen waren, hatten wir diese vor unserem Roadtrip einfach abmontiert und den Mast mit Leinen abgestagt. Für die Reparatur hatten wir einen Rigger gefunden, der uns erklärt hatte, das sei alles schnell gemacht. 

Als wir aus New York zurückgekommen waren, meldete sich der Rigger dann noch mal bei uns. Er sei nicht sicher, ob seine Terminals in unseren Mast passen. Christian holte die Terminals also bei ihm ab, ich zog ihn in den Mast und siehe da: sie passten nicht. Der Rigger musste also Original-Teile bei Seldén, unserem Mastbauer, bestellen und die ließen nun auf sich warten. Unser Wetterfenster rückte näher, aber ohne Wanten können wir nicht segeln und zudem mussten wir ja auch noch einkaufen. Nach einigen Vertröstungen bekam unser Rigger schließlich eine deutliche Ansage von Christian und auf einmal ging alles ganz schnell. Die Wanten bekamen wir heute Mittag in den Hafen geliefert und konnten sie auch gleich anbauen. Alles passt und wir fühlen uns deutlich besser, dass wir diese Baustelle doch noch angegangen sind. 

Bei unseren letzten Einkäufen bekamen wir übrigens noch unerwartet Hilfe. In unserem Hafen wurden wir langsam Teil der Community, schnackten hier und da mit den Leuten (außer die mit MAGA-Kappen, von denen hielten wir uns fern…) und so brachte uns nicht nur Steve von gegenüber nach einem Abendessen zwei Teller mit frisch gebackenem Cherry-Pie vorbei, auch Monika, die auf einer Hallberg-Rassy 43 gerade im Home Office arbeitete, kam zu uns rüber um Hallo zu sagen. Monika kommt eigentlich aus Polen, hat viele Jahre in Hamburg gelebt und spricht ausgenommen gutes Deutsch. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann in den USA und betreibt eine Farm auf der sie frisches Obst und Gemüse anbaut. Sie bot uns an uns zum Supermarkt zu fahren und das Angebot nahmen wir in unserer Situation sehr gerne an. Es ist nicht gerade selbstverständlich, dass einen jemand völlig fremdes in seinem Auto zu einem 15 Minuten entfernten Aldi fährt und dort wartet, bis man seine Einkäufe erledigt hat. Einfach so, Monika sagt: fürs Karma. 

Nachdem wir alles verstaut hatten und die Krassy wieder in einem betretbaren Zustand war, gingen wir zum Abschied von Amerika noch einen dicken Burger essen. Wer uns kennt, der weiß, dass wir wirklich gute Esser sind, aber an diesem Abend schafften wir es beide nicht unsere Teller leer zu futtern. Amerikanische Portionen sind nur was für echte Profis! 

Nach dem Essen kam Monika noch auf ein Glas Wein und einen netten Schnack bei uns vorbei und der Abend verging wie im Flug bei einer interessanten Unterhaltung. 

Ziemlich aufgeregt erlegten wir heute noch unsere restlichen Pflichten, tankten Wasser und Diesel, riefen unsere Familien an und dann ging es am frühen Nachmittag los. 

In den nächsten Wochen bekommt ihr also keine Fotos von uns, aber wir werden uns bemühen, ab und zu ein Update über unsere Reise hochzuladen. Europa, wir kommen! 

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10 thoughts on “The Land of the Free

  1. Hallo ihr Lieben.
    Eine spannende Reise neigt sich dem Ende bzw. dem Finale zu, eurer Rückkehr.
    Ich wünsche euch eine gute Rückreise über den großen Teich und freue mich, dass ich als Blog lesender Daheimgebliebener mich so gut durch eure lebendigen Geschichten in eure Abenteuer einfühlen und reindenken konnte. Es war ein Vergnügen euch in der Karibik lesend zu begleiten und es ist ja noch nicht vorbei. 🙂

    Alles Gute für die große Fahrt und bis bald.
    Liebe Grüße Thomas

    1. Hey Thomas,

      vielen Dank für deine Nachricht und die guten Wünsche für unsere Rückreise! Wir haben nun den längsten Part bewältigt, eine lange Etappe steht noch aus, und der Rest ist dann ein Spaziergang ☺️.

      Es freut uns, dass du die ganze Zeit dabei geblieben bist, und es gibt in den nächsten Wochen / Monaten bestimmt noch so einiges zu berichten.

      LG!

  2. Moin,

    ärgert Euch nicht allzu sehr über die finanziellen Widrigkeiten – kann in Europa genauso passieren – und behaltet die schönen Erlebnisse in Erinnerung (Monika!).
    Bei uns ist an diesem Wochenende Geschwaderfahrt angesagt. Eigentlich wolten wir nach Büsum, war seit Januar geplant und und abgestimmt … und dann haben uns die Büsumer kurz vor Pfingsten abgesagt! Grrr! Jetzt geht’s dann eben Elbauf.

    Euch beiden eine sichere Überfahrt (nach Horta?),

    Jürgen

    1. Moin Jürgen,

      ja, das ist schon alles vergessen. Wir sind trotzdem froh, in den USA gewesen zu sein und dass wir trotz der negativen Nachrichten und der verrückten Administration viele nette Menschen kennengelernt und viele interessante Orte besucht haben.

      LG!

  3. Hey ihr beiden, drücke alle Daumen für eine entspannte und ereignislose, glückliche Überfahrt. Kommt gut heim to good ol‘ Europe.

    1. Hey Angela,

      vielen lieben Dank! Ganz ereignislos war unsere Überfahrt dann nicht, aber trotzdem sicher und meistens auch ganz schön. ☺️

      Good ol‘ Europe ist erreicht, jetzt müssen wir nur noch irgendwie zum Festland kommen.

      LG aus Horta!

  4. Ich würde mich bei Visa beschweren, dass es anscheinend eine 2-Kartenklassengesellschaft gibt, vielleicht sind die ja kulant… Grüßt die Sterne über dem Atlantik, der Himmel ist bestimmt toll.
    Liebe Grüße von Armin und Anja

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