Schoki, Schnaps und Schwefel

Pointe-a-Pitre, Dominica

Für Freitag haben wir uns einen kleinen Ausflug vorgenommen: Wir wollten mit dem Bus nach Roseau, der Hauptstadt Dominicas fahren. Roseau haben wir letztes Mal ja bereits kennengelernt, und dort haben wir auch die Karnevalstage verbracht. Damals war Roseau von Hurricane Maria noch ziemlich zerlegt, aber die Menschen hatten sich nicht entmutigen lassen, fleißig wiederaufgebaut und einen tollen, fröhlichen und bunten Karneval gefeiert. Wir waren neugierig, wie die Stadt jetzt auf uns wirken würde.

Der Tag begann zunächst einmal später als geplant. Zum einen steckte uns die Nachtfahrt nach Dominica noch in den Knochen, zum anderen die Kater-Nacht nach dem Rum-Punch-Gelage bei PAYS. So schliefen wir doch länger als geplant, und bis wir dann wirklich loskamen, war es schon Mittag. Zusätzlich wurden wir immer wieder von Regenschauern epischen Ausmaßes aufgehalten, so dass sich der Fußweg zu dem zentralen Platz, an dem die Busse fahren, ewig hinzog.

Das Bus-System läuft hier ganz ähnlich wie auf Grenada und St. Vincent. Busfahrer sind im Prinzip Kleinunternehmer, die eine Buslinie bedienen und dafür wohl von der Regierung festgelegte Preise abrufen. Der Tarif für die knapp einstündige Fahrt nach Roseau liegt bei zehn Ostkaribischen Dollars, also etwas mehr als drei Euro. Das Bus-Erlebnis ist aber schon etwas anders hier: Erstens ist eine Sitzreihe nur mit drei Fahrgästen besetzt und nicht wie gewohnt mit vieren, und Zweitens läuft hier gar keine Musik oder nur sehr leises Radio.

Die kurvige Strecke, die über weite Abschnitte direkt an der Küste entlangführt, ist toll, und so eine Busfahrt ist eine schöne Möglichkeit, einen Eindruck zu bekommen, wie die Leute hier wohnen und wie die Insel abseits der großen Ortschaften aussieht.

Roseau präsentierte sich im Gegensatz zum letzten Mal sehr bunt und quirlig. In den engen Straßen waren viele Menschen und viel Verkehr unterwegs, überall zwischendrin standen Verkaufsstände für alle möglichen Dinge, Snacks und Drinks. Ein Kreuzfahrtschiff lag gerade im Hafen, was dem bunten Treiben natürlich zuträglich war. Wir ließen uns durch den Ort treiben, und entdeckten immer wieder mal Ecken, die uns ein wenig bekannt vorkamen: Hatten wir nicht hier beim Karnevalsumzug gestanden? Hatten wir uns nicht dort ein Grillhähnchen organisiert? Insgesamt hat sich Roseau dann doch schon so weit verändert, dass wir nicht ständig das Gefühl hatten, hier bereits gewesen zu sein.

Wir fragten uns zu einem Roti-Laden durch, denn wir wollten unbedingt noch einmal einen Roti essen, den wir auf den nördlicheren Inseln wahrscheinlich nicht mehr bekommen werden. Gestärkt machten wir uns zum botanischen Garten von Roseau auf, der in Wirklichkeit eher ein nett angelegter Park ist. Im botanischen Garten gibt es aber ein Forschungzentrum, das sich den einheimischen Papageien widmet, insbesondere der bedrohten Kaiseramazone, dem Nationalvogel Dominicas. Hier gibt es eine große Voliere, an die wir uns noch erinnern konnten. Laut unserem Guide damals waren dort aber wegen des Hurricanes keine Vögel zu sehen. Nun hofften wir diesmal,  den schönen grün-lilafarbenen Vogel sehen zu können, aber Fehlanzeige. Entweder haben sie sich gut versteckt, oder es war einfach kein Vogel in der Voliere. Schade eigentlich.

Wir beendeten unseren Roseau-Ausflug mit einem Besuch des recht großen Obst- und Gemüsemarkts, und schwangen uns dann gut bepackt in den nächsten Bus zurück nach Portsmouth. Die Rückfahrt war wesentlich schneller als die Hinfahrt; unser Fahrer fuhr mit dem alten Bus einen echt sportlichen Stil – vielleicht zu sportlich. Kurz vor Portsmouth begann der alte Bus zu qualmen und stinken – und plötzlich ging nichts mehr. So standen wir alle am Straßenrand und kratzten uns am Kopf. Ein paar Telefonate später aber gab es auch schon eine Lösung. Wir alle bezahlen dem Fahrer für die Fahrt, dann kommt ein befreundeter Busfahrer zu uns rausgefahren und bringt uns kostenlos nach Portsmouth. Während wir warteten, hielten jede Menge andere Autos und Busse an, es wurde Hilfe angeboten, einige steckten sogar den Kopf unter die Motorhaube und fachsimpelten etwas mit unserem Fahrer, bis sie wieder abdampften. Das ist mal Hilfsbereitschaft! 

Am Samstag klingelte der Wecker bereits um halb acht, es stand schon wieder Programm an. Wir hatten zuvor bei Kelvin, unserem Mann bei PAYS, eine Tages-Tour durch den nördlichen Teil der Insel gebucht. So eine Tour ist natürlich recht teuer, wenn man sie nur zu zweit macht. Wenn man ein paar nette Leute dazu holt, wird es deutlich günstiger und man ist in guter Gesellschaft unterwegs. Win-Win! So überfielen wir Giel und Marleen von der Alani sowie Armin und Marisol von der Tayrona mit unserer Ausflugs-Idee und alle waren kurzerhand dabei. Die vier gehörten zu der netten holländisch-schweizerisch-kolumbianischen Truppe, die wir beim PAYS-Barbecue kennen gelernt hatten.

Um Punkt neun sammelte uns Kelvin von unseren Booten ein und brachte uns an Land, wo Kevin (Achtung, Verwechslungsgefahr!), unser Fahrer für die Tour uns in Empfang nahm. Wir hüpften in den Van und los ging die Fahrt in Richtung unseres ersten Stops, den Syndicate Falls, dem wohl höchstgelegenen Wasserfall von Dominica. Wir schlängelten uns schmale Serpentinen hoch, erst durch kleine Obst- und Gemüseplantagen, dann durch immer dichter werdenden Regenwald. Immer, wenn es etwas interessantes zu sehen gab, stoppte Kevin den Wagen und versorgte uns mit näheren Infos. Gelegentlich sammelte er einige Gewächse von Straßenrand ein, die wir geruchs- und geschmackstechnisch untersuchen durften: Zitronengras, Kaffee, Kakao, Zimt, verschiedene Lorbeersorten (Zitronella und Anis). 

Um zu den Wasserfällen zu gelangen, muss eine „Wanderung“ von ca. 15 Minuten absolviert werden, die wohl etwas matschig ist und auch vier Fluss-Durchquerungen beinhaltet. Da stellt sich mal wieder die Frage nach dem geeigneten Schuhwerk: Wander- oder Trekking-Schuhe? Sneaker? Adiletten? Bei unserer letzten Reise hat sich bei mir eine ganz ähnliche Wanderung in Grenada zu den Seven Sister Falls eingebrannt: Wir mit unseren Trekking-Schuhen, und so ziemlich jeder, der uns entgegen kam, mit Flip-Flops. Meine Wahl als „experienced caribbean traveller“ fiel daher diesmal auf die Adiletten, und Steffi hatte Wasserschuhe am Start.

Am Ende war es eine ordentliche Schlamm-Schlacht (Mount Qua Qua lässt grüßen), wir haben aber alle unfallfrei den Hin- und Rückweg gemeistert. Natürlich gehört zur Regenwald-Experience auch ordentlich Regen, der uns den Weg zum Wasserfall versüßt hat. Wir wurden aber mit einem tollen, abwechslungreichen Pfad durch den Wald und einem echt schönen Blick auf den Wasserfall belohnt. 

Der nächste Stopp war, nach einer recht langen Fahrt hoch in den Krater des Vulkans Morne aux Diables oder Devil‘s Peak zum Cold Soufriere, einer kalten Schwefel-Quelle. Und nun ja, der Cold Soufriere war so, wie Schwefel-Quellen nun einmal sind: Es blubbert aus dem Boden und riecht nach faulen Eiern. 

Weiter ging‘s an die Ostküste der Insel zu einem Ort, an dem Christopher Columbus wohl im Jahre 1493 Landfall gemacht haben soll. Wir haben uns schon darüber gewundert, dass dieser Küstenabschnitt doch sehr schroff ist, und der felsige Strand, an dem echt große Wellen anbrandeten, nicht gerade dazu einlädt, dort anzulanden, ganz zu schweigen vom Ankern vor der Küste bei auflandigem Wind und in großen Wassertiefen. 

Tatsächlich hat Dominica ihren Namen von Columbus erhalten. Da er die Insel an einem Sonntag entdeckte, benannte er sie nach Domingo, Sonntag auf Spanisch. Ganz schön kreativ. Eine Anlandung ist ihm jedoch nicht gelungen, so ergab es der Fact Check nach der Tour. Insofern ist die Site, die wir besucht haben, bestenfalls der Ort, an dem Columbus einen Landfall vergebens versucht hat. Aber auch da stellt sich die Frage, warum sich dieser Ort so präzise lokalisieren lässt, zumal es nicht weit entfernt schöne Sandstrände gibt, die sich viel besser für eine Anlandung geeignet hätten. Eine andere nette Legende geht so: Als Columbus nach seiner Rückkehr aufgefordert wurde zu beschreiben, wie Dominica aussieht, soll er ein Blatt Papier genommen, zerknüllt und auf den Tisch gelegt haben.

Die nächste Station war ein echt schönes Restaurant in Calibishie für eine Mittagspause, wo wir für ein sehr fairen Preis ein echt gutes Mittagessen genießen durften. Ganz in der Nähe befindet sich eine kleine aber feine Schokoladen-Manufaktur. Eine freundliche Dame machte mit uns eine Führung und beschrieb so detailliert den Weg der Kakao-Bohnen vom Baum bis in die Schokolade, so dass wir den Eindruck hatten, nun ihre Schokolade nachbauen zu können. Die Führung endete mit einer Verkostung aller möglichen Geschmacksrichtungen. Durch einen hohen Kakaoanteil von mindestens 60% und einen niedrigen Anteil an Kakaobutter schmilzt die Schokolade bei den tropischen Temperaturen nicht, wohl aber im Mund. Auch wenn die Schokolade, die wir natürlich auch käuflich erwerben konnten, die gute Lindt-Schokolde preislich als Billigware dastehen lässt, hat sie geschmacklich doch so überzeugt, dass wir alle mit der einen oder anderen Tafel im Gepäck raus gingen.

Mehr oder weniger um die Ecke lag unserer nächster Stopp: Eine Gin-Distillerie. Sie wird von Amerikanern aus New York betrieben, die sich auf der Insel ein neues Leben aufgebaut haben. Auch hier wurde uns der Herstellungsprozess erläutert. Die Basis ist Zuckerrohr (hier Melasse), mit dem sie einen sehr reinen Alkohol destillieren, also im Prinzip einen sehr hochprozentiger Rum mit ca. 97% Alkoholanteil. Der Rum-Geschmack bleibt dabei auf der Strecke, es geht eben darum, sehr reinen Alkohol zu erzeugen, dem in der letzten Stufe des Destillations-Prozesses dann die Kräuter bzw. Botanicals hinzugefügt werden. Es folgte eine Führung durch den Garten, in dem alles mögliche wuchs, unter anderem die Botanicals, die am Ende im Gin landen.

Ich hab‘ mir noch gedacht; Ja, ganz schön, aber da kommen die reichen New Yorker nach Dominica und machen halt hier jetzt halt ihren Gin. Das kann man sich mal ansehen, kaufen müssen wir hier aber nichts. Und dann kam die Verkostung. Und man muss schon sagen, das ist echt guter Stoff. Ihr Signature Gin ist gut, aber eher klassisch. Sie hatten aber auch noch zwei Micro-Batches mit anderen Rezepturen im Angebot, von denen dann doch einer in unserer Tasche gelandet ist.

Letzter Stop waren die Red Rocks, rote Felsen, die bis ins Meer ragen. Eigentlich sind es nicht wirklich Felsen, sie erinnern eher an festen Lehmboden. Tatsächlich bestehen sie aber aus vulkanischem Material (Tuff, Asche und Basalt) mit einem hohen Anteil an Eisenoxyd. Die Rote Farbe entstand so im Laufe der Zeit durch Oxidation. Die Red Rocks sind also genau genommen verrostet. Trotzdem ein toller Anblick und wieder ein landschaftlicher Kontrast zum Rest der Insel.

Gestern ging das für uns schweren Herzes weiter nach Norden. Nach einem richtig tollen karibischen Segeltag mit reichlich Wind liegen wir jetzt in der Marina Bas du Fort auf Guadeloupe. Hier hatten wir zunächst keinen oder nur einen kurzen Zwischenstopp geplant, um die Inseln weiter nördlich ausführlicher erkunden zu können. Allerdings hat Steffi das Display ihres Telefons kaputt gemacht. Das ist jetzt nicht mehr wasserdicht und wird es wohl nicht mehr allzu lang machen. Also muss ein neues ran, und hier sind die Chancen am Besten, dass sie das Modell auch bekommt, das sie haben möchte. Und wenn wir schon einmal hier in good old Europe sind, ist die Einkaufsliste gut angewachsen. 

So stand heute Shopping auf dem Programm. Es gibt hier, eine 20-minütige Busfahrt entfernt, ein großes Einkaufszentrum, in dem wir heute fast den ganzen Tag verbracht haben. Steffi ist happy, weil sie endlich ihr neues Smartphone bekommen hat, und wir beide haben ein paar neue Klamotten gefunden, denn das Salzwasser und die UV-Strahlung nagen ordentlich am Material. Und in einem riesigen Supermarkt konnten wir wieder ein paar Leckereien bunkern, die man auf den anderen Inseln nur schwer bekommt (was mich angeht vor allem Käse und Nutella). Für morgen haben wir uns Wäsche und ein paar Krassy-Baustellen vorgenommen, und ein paar organisatorische Dinge wollen noch geregelt werden, für die es vorteilhaft ist, im europäischen Mobilfunknetz eingeloggt zu sein.

Wir sind jetzt erstmal bis Mittwoch im Hafen und dann schauen wir weiter. Allerdings kommen ab Mittwoch ein paar sehr windige Tage auf uns zu. Je nachdem, wie sich das entwickelt, verlängern wir unseren Aufenthalt noch ein paar Tage oder hangeln uns im Windschatten von Guadeloupe nach Norden weiter. Wir werden sehen!

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2 thoughts on “Schoki, Schnaps und Schwefel

  1. Ihr Lieben, mir fallen gar keine Superlative mehr ein, wie ich eure Reiseziele finde. Herrlich, dass ihr immer gut und sicher ankommt. Ich hoffe, wir trinken nach eurer Rückkehr zumindest einen Rumpunsch, da habt ihr uns schon den Mund sehr wässrig gemacht. Dies schreibe ich, während draußen das Schneegestöber losgeht. Deshalb bin ich früher mit dem Auto in die Firma, um heil anzukommen. Nachher ist stramner Ostwind mit gefühlten -8 Grad angesagt. Grippe habe ich auch hinter mir, also: Ihr macht alles richtig!!!
    Liebe Grüße von Anja und Armin

    1. Moin ihr beiden,

      der Rum Punch mit euch ist auf jeden Fall gesetzt! Er enthält übrigens viele Vitamine und desinfiziert von innen – genau die richtig Grippe-Prophyaxe in winterlichen Zeiten 🙂

      Das Bremer Wetter hört sich ja wirklich gruselig an, Gott sei Dank, dass wir so weit weg sind.

      Liebe Grüße

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