Portsmouth, Dominica
Es war Zeit für uns von St. Vincent Abschied zu nehmen. Wir haben unseren Aufenthalt auf der Insel mehr genossen, also wir erwartet hätten und die letzten beiden Tage, in denen wir die Kearton’s Bay komplett für uns allein hatten, rundeten unsere Begeisterung noch ab. Eine solch einsame Ankerbucht werden wir jetzt wohl für lange Zeit erst mal nicht mehr sehen…
Gegen Mittag machten wir uns von unseren beiden Bojen los und verließen St. Vincent. Mit Kurs Nord setzten wir unsere Segel um an St. Lucia und Martinique vorbei direkt auf die schöne Insel Dominica zuzusteuern. Beim Segeln in der Karibik muss man wissen, dass es hier nicht immer so gemütlich zugeht, wie man sich das gern vorstellt. Der Atlantik liegt hier in Luv komplett offen da, sodass man in der Regel mit irgendwas zwischen 4 und 6 Windstärken rechnen muss. Wird der Wind durch die im Weg rumstehenden Inseln abgelenkt, dann können sich Düseneffekte bilden, die gerne mal eine Windstärke drauflegen. Wenn man das weiß und sich darauf einstellt, dann kann man hier tolle Segeltage haben, allerdings haben viele eher die Vorstellung, dass man hier in still ruhendem, türkisblauem Wasser in lauer Brise dahinsegelt. So ist es aber nicht. Der Wechsel zwischen Windschatten und Düsen, der durch die Inseln verursacht wird, fordert schon ein wenig seglerischen Einsatz. Ist man noch dazu nach Norden unterwegs, dann kann einem der Nord-Ost-Passat auch mal ein paar stabile Am-Wind-Segeltage bescheren. So war es auch bei uns. Wir kamen super voran und da wir mit unserem direkten Kurs nach Portsmouth im Norden Dominicas mit einigem Abstand an St. Lucia und Martinique vorbei kamen, bekamen wir auch nicht allzu viel Windschatten ab. Unser Kurs war aber durchaus hart am Wind und das bedeutet, dass wir auf der Backe lagen. Tagsüber macht das Spaß, nachts kann es ein bisschen nervig sein, denn die Lage erschwert den Alltag an Bord mitunter recht deutlich.
Als Entschädigung für den Am-Wind-Kurs hatte die Karibische See aber eine Strömung von guten 3 Knoten für uns mitgebracht und die schob uns rasant schnell Richtung Norden. Mit bis zu 8,5 Knoten über Grund flogen wir dahin und waren regelrecht im Geschwindigkeitsrausch! Unser Plotter prophezeite uns zwischenzeitlich eine Ankunftszeit von 5 Uhr morgens, viel zu früh also. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto mehr nahm die Strömung allerdings ab und Dominica sorgte auf den letzten Meilen dann doch noch für einen Windschatten, der uns zwang den Motor anzuwerfen. Wie geplant erreichten wir so gegen Mittag die große Ankerbucht vor Portsmouth, wo wir uns eine freie Boje suchten und auch direkt freundlich in Empfang genommen wurden.

Portsmouth ist in der Karibik eine kleine Besonderheit, denn hier gibt es eine Art Vereinigung von Boat Boys, die Portsmouth Association of Yacht Services oder kurz PAYS. Hier haben sich die Boat Boys organisiert und bieten den Seglern einen Rundum-sorglos-Service an. Neben der Vermietung von Bojen kann man sich an die Jungs wenden, wenn man Ausflüge organisiert haben möchte, Lebensmittel benötigt oder Wassertaxis braucht. Aber damit nicht genug. PAYS sorgt auch die ganze Nacht über dafür, dass die Bucht bewacht wird, sodass man sich hier absolut keine Gedanken über Dinghy-Diebstäle oder ähnliches machen muss. Ursprünglich entstanden ist die Vereinigung nämlich genau aus diesem Grund: es gab zu viele Kleinkriminelle, die die Segler bestohlen oder überfallen haben und nichts hält Segler so sicher fern wir sich häufende Berichte über Kriminalität in den Buchten. Und ohne Segler fehlt eben auch eine wichtige Einnahmequelle. Hier in Portsmouth hat man eine großartige Lösung gefunden, denn PAYS macht hier einen wirklich guten Job! Sogar unsere Einklarierung wurde von einer sehr sympathischen Mitarbeiterin von PAYS übernommen. Sie sorgte dafür, dass wir direkt ein- und ausklariert wurden, sodass wir jetzt einfach so innerhalb der nächsten zwei Wochen ausreisen können ohne noch mal bei den Behörden vorstellig werden zu müssen. Sollten wir länger bleiben wollen, würde sie einfach eine Verlängerung organisieren.
PAYS gab es schon bei unserem letzten Besuch in Portsmouth und auch damals hatten wir schon von dem eigentlichen Highlight gehört, das PAYS organisiert: das Segler-Barbecue. Damals hatten wir dieses wöchentliche Event verpasst, weil wir nur sehr kurz hier waren und auch dieses Mal unkten wir, dass wir wahrscheinlich auch jetzt wieder abreisen würden, bevor das Barbecue stattfinden sollte. Zu unserer Überraschung erfuhren wir dann allerdings, dass es mittlerweile zweimal pro Woche eine solche Veranstaltung geben sollte und siehe da, ein Termin war am Abend unserer Ankunft. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen!
Nach unserer Einklarierung liefen wir noch schnell in den Ort um – mal wieder – unsere Obst- und Gemüsevorräte aufzufüllen (wir essen hier wirklich viel Obst!). Ein Blick in unsere Portemonnaies verriet uns, dass wir auch gleich unsere Bargeld-Vorräte auffüllen sollten… Cash ist hier King, ohne geht nichts. Der erste Geldautomat spuckte statt Geldscheinen allerdings nur komische Fehlermeldungen aus. Trotz mehrerer Versuche bekamen wir kein Geld. Der zweite Automat, den wir fanden, war ähnlich zickig und als auch der dritte Geldautomat die Kooperation verweigerte wurden wir langsam etwas ungehalten und leichte Nervosität machte sich breit. Es sollte noch einen weiteren Geldautomaten direkt bei der Bank geben, also hin da. Und siehe da, endlich bekamen wir unsere Ostkaribischen Dollars! Mittlerweile waren wir allerdings ans andere Ende der Stadt gelaufen obwohl wir eigentlich nur einen kleinen Spaziergang hatten machen wollen…
Zurück an Bord überfiel uns die Müdigkeit. Die Nacht auf See hatte uns nur sehr wenig schlafen lassen und der kleine Gewaltmarsch in der nachmittäglichen Hitze hatte sein Übriges zur Erschöpfung beigetragen. Kurz bevor uns die Augen zufielen war es auch schon kurz vor sieben und wir mussten los zum Barbecue…
Als wir gerade ins Dinghy einsteigen wollten, prasselte mal wieder ein Regenschauer epischen Ausmaßes vom Himmel und so schoben wir die Abfahrt doch noch etwas auf. Als der Himmel sich wieder lichtete sahen wir um uns herum überall die Dinghies durch die Bucht brettern. Wir waren ganz offensichtlich nicht die einzigen gewesen, die sich gerade zum Barbecue aufmachen wollten.
In einer überdachten Hütten mit großen Tischen am Strand drängten sich schon die Segler. Wir hatten ehrlich gesagt erwartet hier vielleicht eine Handvoll anderer Menschen anzutreffen, aber es war richtig viel los! Schnell war klar, dass sich die verschiedenen Nationalitäten an verschiedenen Tischen drängten. Wir hörten mehrere französische und eine deutsche Gruppe heraus. In der Hütte bekamen wir erst mal einen obligatorischen Rum Punch aus einem riesigen Bottich abgefüllt. Mit unseren kleinen Plastikbechern drückten wir uns dann zunächst in einer Ecke herum und beobachteten das Geschehen. Scheinbar kannten sich hier alle und wir fühlten uns nicht so recht zugehörig, ähnlich wie auf einer Familienfeier, bei der man selbst nur ganz grob zuordnen kann, wer welcher Onkel ist…
Schnell wurden wir jedoch an einen Tisch gewunken. Eine Gruppe Australier rückte zusammen und nahm uns freudig in ihrer Mitte auf. Die vier Paare hatten zusammen einen Katamaran gechartert und wir kamen schnell ins Gespräch. Mein Sitznachbar stellte sich nicht nur als der Skipper der Gruppe heraus, er sprach sogar ausgezeichnet Deutsch. Wer hätte das gedacht? Da trifft man in der Karibik einen Australier, der fließend Deutsch spricht… Die Herren der Gruppe stellten sich alle als passionierte Regatta-Segler heraus und der Name ihres gecharterten Kats schien ihnen deshalb auch beinahe körperliche Schmerzen zu bereiten: das Boot heißt „Sleepy“…
Ein Vertreter von PAYS begrüßte die Gäste herzlich und eröffnete das Essen. An einer Theke konnte sich nun jeder seinen Teller mit gegrilltem Hähnchen, Kokosnussreis und Salat holen während auf der Bühne Livemusik gespielt wurde.
Nach dem Essen, als alle Teller wieder eingesammelt waren, gingen die Gespräche weiter und als die Musik langsam lauter wurde, waren schnell einige Tische an die Seite geräumt, sodass in der Mitte der Hütte im weichen Sand getanzt werden konnte. Der Rum Punch floss weiter ohne Unterlass und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Unsere neuen australischen Freunde verabschiedeten sich so langsam und wir kamen ansatzlos mit einem sympathischen Holländer ins Gespräch, der ebenfalls exzellentes Deutsch sprach. Wir wechselten also den Tisch und fanden uns in einer ausgelassenen Gruppe, gemischt aus Holländern, Schweizern und einer Kolumbianerin wieder, die offenbar schon eine ganze Weile zusammen unterwegs waren. Das hier waren echte Langfahrer, denn alle waren bereits seit mehreren Jahren unterwegs, eines der Paare sogar insgesamt schon seit über 20 Jahren! Zeitdruck hat da niemand…
Das Tolle an Seglern ist übrigens, dass man nie lange allein bleibt. Man lernt unterwegs immer unglaublich schnell neue Leute kennen und nicht selten entwickeln sich aus solchen Bekanntschaften jahrelange Freundschaften. Segler sind ein geselliges Völkchen, anders kann man es nicht sagen!
Es wurde ein sehr ausgelassener Abend, wir lachten und tanzten und beobachteten die Leute um uns herum. Wir haben festgestellt, dass sich da bei uns ein Muster abzeichnet. Wir wollen nur mal kurz auf einer Party vorbeischauen, vielleicht ein Bierchen trinken und am Ende sind wir immer die letzten, die wieder gehen… Der ein oder andere aus der SVC kann das sicher bestätigen…







Während des Abends beschloss die Gruppe um uns herum übrigens heute früh schnorcheln zu gehen. In der Nachbarbucht soll es einen tollen Tauchspot geben und um 10 Uhr wurde ein Treffen an einem der Boote vereinbart. Wir wurden ebenfalls eingeladen und sagten vorsichtig zu, auch wenn uns eigentlich schon klar war, dass wir um 10 Uhr sehr wahrscheinlich noch nicht fit genug zum Schnorcheln sein würden. Heute früh war dann auch schell klar, dass wir den Tag wohl eher gemütlich angehen würden. Der Rum Punch und der Schlafmangel hatten uns ganz schön geschlaucht!
Aber nachdem wir den Tag eher langsam angegangen waren, hatten wir noch ein Alternativprogramm. Bei unserem letzten Besuch hatten wir eine Tour auf dem Indian River gemacht. Damals, nur wenige Monate nach Hurrikan Maria, war der Dschungel um den Fluss herum allerdings ziemlich zerfleddert. Die Bäume waren umgestürzt und das einstmalig dichte Blätterdach über dem Fluss war vollständig verschwunden. Wir wollten sehen, wie es jetzt, 7 Jahre später dort aussieht. Kelvin, einer der Jungs von PAYS, der uns auch mit unserer Boje geholfen hatte, holte uns also mit seinem Boot ab. Der Indian River ist ein Naturreservat und so musste Kelvin seinen Außenbord-Motor hochklappen und uns statt dessen durch den Fluss rudern. Er erzählte uns viele interessante Dinge über den Fluss, die verschiedenen Pflanzen- und Tierarten, die man hier entdecken kann und brachte uns schließlich zu einer kleinen Bar in den tiefen des Dschungels, an die wir uns auch von unserem letzten Besuch noch gut erinnern konnten. Die Natur holt sich ihr Territorium langsam zurück, aber man kann auch noch heute einige Spuren des fürchterlichen Hurrikans erkennen und das Blätterdach über dem Fluss hat sich noch nicht wieder geschlossen. Hier kommt man übrigens an einer weiteren Kulisse aus den Fluch der Karibik Filmen vorbei, die Hütte der Kräuterhexe Tia Dalma aus dem zweiten Teil der Serie steht hier am Rand des Indian Rivers. Auch diese war übrigens damals vom Hurrikan zerlegt worden, aber heute erkennt man die Szene aus dem Film leicht wieder, wenn man dort ist.























Kelvin bastelte aus einem Palmenblatt einen filigranen Vogel und einen Fisch für uns, die auf der Krassy einen besonderen Platz bekommen werden. Als wir ihm von einem anderen Andenken erzählten, einer Kreidezeichnung, die wir in Portsmouth von einem etwas verwirrten jungen Mann bekamen und die noch immer neben unserem Kartentisch an der Wand hängt, lachte er kurz. „Das war Sheldon. Der sitzt jetzt im Knast! Und er war damals einer der Gründe, warum PAYS gegründet wurde.“ Witzig, dass er nur anhand unserer Beschreibung erkannt hat, wer uns das Bild damals gemalt hat. Und ehrlich gesagt, waren wir nicht allzu überrascht zu hören, dass dieser Typ nicht mehr frei herumläuft…
Moin an die Besucher der „Nature Isle“ ,
freut mich zu hören, daß ihr jetzt schon auf der zweiten Insel gegenüber Eurer letzten Reise positivere Erfahrungen, was die Sicherheitslage angeht, machen konntet.
Mit der „Alex“ habe ich ’97 auch in der Prince Rubert Bay geankert und kann mich noch sehr gut an die Bootsfahrt auf dem Indian River zu einer Hütte erinnern. Die bot viele kulinarische Köstlichkeiten, allerdings auch Stechmücken … nun ja, damals war der Dschungel noch dicht. Wir waren aber dank Autan ganz gut gewappnet.
Leider gab der Törnplan seinerzeit dann nur noch eine kleine Tour per Taxi her, die aber auch höchst interessant war. Seitdem weiß ich aus eigener Anschauung, daß Zimt eine getrocknete Baumrinde ist … aber da erzähle ich Euch nix Neues, da Ihr wahrscheiunlich schon erheblich mehr gesehen habt.
Genießt den Aufenthalt,
Jürgen
Moin Jürgen,
ja, Dominica liegt bei uns, vor allem auch nach unseren jetzigen Aufenthalt, neben Grenada ganz weit vorne. Ganz leicht fiel uns der Abschied nicht.
Das mit den Stechmücken können wir übrigens bestätigen. Scheinbar hat das Waten durch den Fluss auf dem Weg zum Wasserfall den Mückenschutz abgewaschen – entsprechend sehen unsere Waden jetzt auch aus, und das, obwohl die Tour mittlerweile schon ein paar Tage her ist. 😀
Liebe Grüße!