Charlestown, Nevis
Montserrat hat uns wirklich gut gefallen. Die Schroffheit der vulkanisch geprägten Küsten, das kristallklare Wasser und vor allem die Freundlichkeit und Entspanntheit der Einwohner hat uns schon etwas verzaubert. Und eigentlich gab es auch noch gute Gründe, länger zu bleiben. Es läuft gerade die St. Patrick‘s Week, eine Party-Woche mit Events verteilt über die ganze Insel, deren Höhepunkt eine große Parade am St. Patrick‘s Day am 17.03. sein würde. Die hätten wir schon gerne mitgenommen. Aber dafür eine ganze Woche bleiben? Im Prinzip haben wir nach unserer Insel-Runde mit Sam schon alles gesehen.
Unser Ankerplatz in der Little Bay bot uns guten Schutz vor dem Wind, der Schwell fand aber doch immer seinen Weg in die Bucht, sodass unsere Krassy mitunter heftig zu rollen begann. Und nachdem die letzten beiden Nächte durch das Gerolle nicht gerade der Knaller waren, war der Beschluss schnell gefasst, uns am Dienstag zur nächsten Insel zu verholen.
Rentnermäßig früh um Punkt acht gingen wir Anker auf, und machten uns auf dem Weg nach Nevis, der südlicheren Insel des Inselstaats St. Kitts und Nevis. Der Wind wehte moderat von schräg hinten, was ein sehr entspanntes und flottes Segeln versprach. Ohne Zwischenfälle, aber mit einem kleinen Barrakuda an der Angel, der direkt wieder zurück gesetzt wurde, erreichten wir Charlestown auf Nevis am frühen Nachmittag.


Vor Nevis befinden sich recht ausgedehnte Seegras-Wiesen, die eine Kinderstube für alle möglichen Meerestiere darstellen und insbesondere den zahlreichen Meeresschildkröten ein reich gedecktes Buffet anbieten. Um diese Wiesen zu schützen, ist Ankern nur etwas weiter draußen in tieferem Wasser gestattet, oder man nimmt sich eine der zahlreichen Bojen, die von der Port Authority zur Verfügung gestellt werden. Eine gewisse Hafengebühr wird wohl sowieso fällig, ganz egal, ob man ankert oder an einer Boje hängt. Für uns keine schwierige Entscheidung, wir wählten eine Boje vor Pinneys Beach, etwa eine halbe Meile nördlich von Charlestown.
Wir waren früh genug, um den obligatorischen Behördengang zwischen Zoll, Einwanderungs- und Hafenbehörde zu absolvieren und so setzten wir uns in unseren Krassimir und tuckerten den etwas länglichen und feuchten Weg zum Fähranleger. Nachdem wir bereits online drei mehr oder weniger redundante Formulare ausgefüllt hatten, ging die Einklarierung echt flott, und so waren wir am späten Nachmittag auch schon offiziell eingereist und konnten eine Runde durch den Ort drehen.
Charlestown hat uns auch direkt gut gefallen. Es ist bunt und karibisch, aber in Summe wirkt alles etwas gepflegter und schicker als auf den südlicheren Inseln. Nicht so richtig ur-karibisch, sondern eher amerikanisch-karibisch. Zu dem Eindruck mag auch beitragen, dass man hier vor allem amerikanische und kanadische Boote bzw. Touristen trifft. Hier ist auch der US-Dollar omnipräsent, nach Preisen in ostkaribischen Dollars muss man manchmal explizit fragen.
Dadurch, dass sich hierhin nur recht selten Kreuzfahrtschiffe verirren, ist der Ort auch noch recht urtümlich geblieben und es gibt nur sehr wenige dieser generischen Klimbim-Souvenir-Läden, dafür ein paar nette Snack-Bars, Läden für den täglichen Bedarf und eine schöne kleine Markthalle mit Obst- und Gemüseständen, in der wir uns zu sehr fairen Preisen direkt wieder eindeckten.







Wir gönnten uns als Sundowner noch einen Rum Punch am Hafen, der uns ordentlich die Schuhe auszog, und machten uns dann auf den Weg zurück zu Krassimir, der im Schwell, gut gesichert durch einen Heckanker, vor sich hinschaukelte. Gleichzeitig kam noch ein amerikanisches Päärchen beim Dinghy-Dock an, die uns auch direkt ansprachen: „Das haben wir uns schon gedacht, dass ihr Segler seid!“. Sie saßen in der gleichen Bar wie wir und haben dort wohl ihre Schlüsse gezogen. Nach einem netten Schnack und nachdem wir Bootsnamen ausgetauscht hatten, fuhren wir wieder zurück zur Krassy.




Für den nächsten Tag haben wir uns vorgenommen, die Insel etwas zu erkunden, diesmal allerdings ohne Taxifahrer, denn das geht schon ordentlich ins Geld. Es gibt wohl ein paar nette Wanderwege auf Nevis, und einen davon wollten wir absolvieren. Der interessanteste ist wohl der, der hoch zum nicht gänzlich erloschenen Vulkan Nevis Peak (knapp 1000m) führt, aber so ein Aufstieg bei karibischen Temperaturen hat eher etwas mit Selbstgeißelung zu tun als mit Genuss. Wir wählten den Russel’s Rest Trail, ein Pfad, der im Nordosten der Insel beginnt, und in Richtung des Berges an ein paar Wasserfällen entlang in immer dichteren Wald führt.
Um dort hinzukommen, wollten wir wieder einmal die guten lokalen Mini-Busse nutzen, die es natürlich auch hier gibt. Natürlich führt kein Bus direkt zum Einstiegspunkt der Wanderungen, aber nach einem kurzen Schnack mit den Fahrern wurde klar, welchen Bus wir nehmen müssen und wo wir aussteigen sollten. Für 5 ostkaribische Dollar pro Nase ging das also wieder rasant über die Insel, was uns wieder einmal einen schönen Eindruck von der Insel abseits vom Tourismus gegeben hat.
Man kann sich Nevis in etwa wie einen Sombrero vorstellen. Die Insel ist kreisrund, in ihrer Mitte thront der Nevis Peak, und die Ränder (die Krempe) sind recht flach. Unser Wanderweg beginnt auf der Krempe und verläuft zur Mitte des Hutes hin. Um zum Einstiegspunkt der Wanderung zu gelangen war erst einmal ein halbstündiger Fußmarsch von der Bushaltestelle aus angesagt, in der Mittagshitze (unser Timing halt). Der war aber auch schon ganz interessant. Überall hüpfen einem Ziegen und Hühner aus dem Unterholz entgegen, und gelegentlich konnten wir ein paar Affen beobachten, die über die Straßen und Wiesen huschten, und in den Bäumen saßen.






Tatsächlich gibt es hier eine große invasive Population von „Green Vervet Monkeys“. Auf St. Kitts und Nevis leben wohl rund 60.000 Exemplare (bei etwa 51.000 Einwohnern), etwa die Hälfte davon auf Nevis. Wie hübsch und unterhaltsam die Tiere auch daherkommen mögen, sie stellen hier ein ernsthaftes Problem dar. Nach den letzten großen Hurricanen stiegen die Affen, die ursprünglich hoch oben am Nevis Peak lebten, auf der Suche nach Futter immer weiter in niedriger gelegene Bereiche der Insel ab, wo sie in den Anbaugebieten reichlich Nahrung finden und entsprechend Schaden anrichten.
So versuchen die Farmer und Behörden, derzeit noch auf sanfte Art, die Affen von den Anbaugebieten fernzuhalten. Allerdings sind sie zu schlau. Einfache Methoden, die sie abschrecken sollen, werden schnell durchschaut. So wird momentan wohl auch über eine kontrollierte Jagd-Saison oder Massen-Sterilisierungen diskutiert. Gelegentlich tauchen wohl einige Exemplare auch getarnt als „tree mutton“ bzw. Baum-Schaf auf Speisekarten auf. Nichtsdestotrotz freuten wir uns über die für uns ungewöhnlichen Begegnungen und versuchten, ein paar der Kerlchen fotographisch festzuhalten.



So kamen wir schon ordentlich verschwitzt am Einstieg zum Wanderweg an, der zum Glück schnell in einen Wald führte. Je weiter wir in den Wald vordrangen, desto schmaler wurde der Weg, desto mehr mussten wir über große Steine und riesige Wurzeln klettern, und desto dichter und satter wurde die Vegetation. Der Weg führte uns an einem ausgetrockneten Flussbett entlang in die Höhe, und das Flussbett (es ist Trockenzeit) ließ uns schon daran zweifeln, ob wir überhaupt einen Wasserfall vorfinden würden. Der Pfad führt wohl an sechs Wasserfällen lang, die meisten Wanderer sind aber nur bis zum ersten oder zweiten vorgedrungen. Nach zwei Stunden und ein paar ausgeschwitzten Litern Wasser, beschlossen wir, den Rückweg anzutreten. Wir sind an ein paar Stellen vorbeigekommen, an denen möglicherweise Wasserfälle hätten sein können, wir allerdings nur Rinnsale vorgefunden haben. Macht nichts, die Wanderung durch den dichten Wald war trotzdem toll und es war eine Wohltat, unter dem Blätterdach der Sonne mal zu entkommen.



















In weiser Voraussicht haben wir uns Wechsel-Klamotten mitgenommen. So konnten wir mehr oder weniger frühlingsfrisch wieder in den Bus zurück nach Charlestown steigen. Als wir in Krassimir saßen, fanden wir ein Zettelchen vor. Eine kleine Nachricht von Mark und Deb, die beiden, mit denen wir am Vorabend ins Gespräch gekommen waren. „Hey, wir sind Mark und Deb von der Persephone, es war nett, euch gestern zu treffen, kommt doch mal vorbei, wenn ihr wieder zurück fahrt“. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Wir wurden herzlich empfangen, und schnackten eine ganze Weile lang übers Segeln, die Karibik und alles Mögliche Andere. Deb lud Steffi ein, einer Whatsapp-Gruppe bzw. einem Netzwerk von segelnden Frauen beizutreten, den „Sea Sisters“, was Steffi auch dankend annahm. Mal sehen, ob wir die beiden wiedersehen werden. Sie sind nach Süden unterwegs und wir nach Norden. Die beiden haben aber noch ein zweites Boot in den Staaten liegen, und wer weiß, vielleicht trifft man sich im Juni im Long Island Sound…
Heute geht es für uns weiter nach St. Kitts. Dort werden wir noch etwas durch die Buchten tingeln, um dann in ein paar Tagen wahrscheinlich in Basse-Terre, der Hauptstadt des Inselstaates, auszuklarieren.