A sailor must do what a sailor must do

Basse-Terre, Guadeloupe

Als wir von unserer ersten Reise zurückkehrten, war es Zeit unser Unterwasserschiff neu aufzubauen. Christian‘s Papa trug damals in mühsamer Kratz-Arbeit mehrere Schichten Antifouling und Grundierung ab, wir schliffen und ebneten den Untergrund und bauten alles neu auf. Bei selbstabschleifendem Antifouling, wie wir es noch haben, kommen jedes Jahr ein paar Schichten Farbe dazu, denn ganz schleift sich das Zeug eben doch nicht ab. Die oberen 5 cm der alten Lackierung waren damals nicht dem Kratzwerkzeug zum Opfer gefallen. Zu nah am Gelcoat bestand die Befürchtung diesen zu beschädigen und so hatten wir noch einen etwas rissigen Steifen alter Farbe am Wasserpass übrig. 

Im letzten Winter beschlossen wir dann, diesen endgültig loszuwerden und kratzen sehr vorsichtig die alten Farbschichten am Wasserpass ebenfalls ab, grundierten den Untergrund neu und trugen ein paar neue Schichten Farbe auf. Alles sah richtig gut aus und wir konnten los. 

Auf der Atlantiküberquerung waren wir dann gezwungen durch ein paar sehr große Teppiche des allgegenwärtigen Saragossa-Seegrases zu fahren. Das braune Zeug schwimmt auf der Oberfläche und hat recht harte Blätter und Stiele. Als wir das Zeug passierten waren die Geräusche im Boot gelinde gesagt gruselig. Man hörte ein durchdringendes Rauschen und Kratzen, dass unter Deck durch den Hohlkörper des Bootes noch verstärkt wurde und die Krassy wurde um einen guten Knoten ausgebremst. Wir hatten ja von unterwegs aus davon berichtet. 

Was wir glaube ich noch nicht berichtet hatten war, dass wir bei unserer Ankunft auf Barbados feststellen mussten, dass unser Wasserpass nicht mehr rot war, sondern silbern schimmerte. Wir schauten direkt auf die Grundierung, das Antifouling hatte sich entlang der Wasserlinie komplett abgeschabt! Nur durch normales Segeln passiert sowas nicht, aber bei uns kamen zwei Umstände zusammen: einmal das blöde Seegras und zweitens, die sehr dünne Farbschicht an dieser Stelle. 

Erst mal passiert nichts schlimmes, wenn das Antifouling runter ist, aber uns war direkt klar, dass die Krassy im warmen Karibikwasser sehr schnell Bewuchs ansetzten würde, der nicht mehr so leicht ab gehen würde. Und das bremst so ein Segelboot stärker aus als man meinen könnte. 

Wir beobachteten die Sache aber zunächst nur. Ein dünner Hauch Farbe war hier und da noch vorhanden und bei unserer täglichen Baderunde ums Boot ließ sich leichter Bewuchs noch recht leicht herunter wischen, wobei man allerdings eben auch immer mehr Antifouling ablöst. 

Die Farbe, die wir normalerweise verwenden, fanden wir zunächst auch bei keinem der wenigen Ausrüster hier in der Karibik. Bei den ausgesprochen gut ausgestatteten Bootszubehör-Läden in Guadeloupe wurden wir allerdings fündig und da die Marina in Point-a-Pitre auch über einen sehr gut organisierten Werftbetrieb verfügt, fragten wir auch direkt an, ob ein Termin frei wäre um der Krassy mal ein laues Lüftchen unten rum zu gönnen. Wenige Tage später hing unser kleines Boot dann schon zum zweiten Mal auf dieser Tour im Travellift und wir konnten ihr einen neuen Anstrich verpassen. 

Unser Krantermin war gleich am Montag Morgen um 8.30 Uhr. Das hieß also mal wieder früh aus den Federn, irgendwie – mit Hilfe des fröhlichen Marineros Jean-Marc – aus der Box heraus fahren ohne sich eine Mooring-Leine in den Propeller zu verfangen und rüber zum Kran. Wir sollten unbedingt rückwärts in die Gasse des Travellifts einfahren, allerdings sollte noch eben schnell vor uns ein Boot ins Wasser gelassen werden. „Mal eben schnell“ heißt hier in der Karibik gern mal 1,5 Stunden… Die mussten wir mit stetig anwachsenden Wutbeulen am Hals abwarten, denn die Herrschaften vor uns kamen einfach nicht in den Quark! Da steht man schon extra früh auf und sitzt dann ewig dumm rum, das hasse ich ja wie die Pest! 

Naja, aber irgendwann ging es dann doch endlich los, ich manövrierte die Krassy vorsichtig rückwärts in die Gasse und umsichtig wurden die Gurte platziert. So ein Travellift ist schon eine feine Sache! 

An ihrem designierten Platz direkt neben dem Kran wurde die Krassy auf dem Kiel abgestellt und bekam gleich 7 stabile Stützen verpasst, sodass wir ganz bequem arbeiten konnten. 

Das Unterwasserschiff sah bis auf den Wasserpass und ein paar Stellen am Skeg, wo der Lack ebenfalls noch recht dünn ist, ganz ok aus. An der Wasserlinie hatte die Krassy einen kleinen Damenbart angesetzt, aber ansonsten war neben der üblichen und völlig normalen Schmierschicht nur ein überschaubar artenreiches Biotop zu finden. Die Krassy verströmte einen Hauch von Seetang, aber wir haben schon deutlich schlimmer bewachsene Unterwasserschiffe gesehen… Trotzdem nutzte ich die Gelegenheit mal die Makro-Funktion meines neuen Telefons zu testen und machte ein paar Nahaufnahmen der seltsamen Gewächse, die sich auf der giftigen Farbe angesiedelt hatten. Einige davon hätten sicher gut in die Crew von Davie Jones gepasst… 

Wir liehen uns einen Hochdruckreiniger aus und machten uns gleich ans Werk das Biotop abzuspülen. Wie erwartet ging alles gut ab, vielleicht sogar hier und da zu gut, denn der Hochdruckreiniger hatte ordentlich Wumms uns man musste aufpassen nicht auch gleich den blauen Lack vom Rumpf mit abzuwaschen. 

Da der Rumpf jetzt erst mal trocknen musste, bevor wir anfangen konnten neue Farbe aufzutragen, beschäftigten wir uns mit anderen Dingen. Christian baute die Propeller des Bugstrahlruders aus und klebte die obere Kante des Wasserpasses ab, während ich mich mich daran machte den mühsam hochpolierten Propeller, der nun ebenfalls eine kalkige Schicht angesetzt hatte, wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. 

In der karibischen Hitze ist der Vorgang des Trocknens – egal von was – immer schnell erledigt. Wir konnten also mit unseren Malerrollen aus Gold (Himmel ist so ein Kram hier teuer!!!) anfangen zu streichen. Der Wasserpass und der Skeg bekamen ein paar Extra-Schichten verpasst und schnell war klar, dass unser 2,5l-Eimer Antifouling nicht ausreichen würde. Direkt in der Werft ist zum Glück ein großer Ausrüster und so kaufte ich zähneknirschend einen zweiten Eimer. Auch die Farbe muss teilweise aus Gold sein, wenn man hier auf den Preis schaut… Aber Segeln ist nunmal kein günstiger Sport… 

In der EU wurde übrigens Anfang diesen Jahres ein neues Gesetz erlassen, laut dem man nun beim Kauf von selbstabschleifendem Antifouling eine umfassende Beratung über sich ergehen lass muss. Die Verkäufer sind verpflichtet, Verbraucher über die Risiken dieser Farbe aufzuklären und besonders in Deutschland hat dies offenbar dazu geführt, dass einige Händler das Zeug jetzt einfach aus ihrem Sortiment genommen haben. Der Kauf ist in der EU nicht mehr so einfach wie er mal war. 

Tja, auch Guadeloupe gehört zur EU, denn die Insel ist Teil von Frankreich. Auf Aufklärung wurde hier trotzdem gepfiffen. Der Verkäufer hat meinen Farbeimer noch mal kräftig geschüttelt und dann direkt abkassiert. So einfach geht‘s! 

Am Nachmittag hatten wir alles fertig gestrichen und so blieb uns noch ein bisschen Zeit bevor es dunkel wurde. Christian wollte unbedingt noch mal den Rumpf polieren und ich war mit dem Propeller noch nicht ganz fertig geworden. Den ganzen Tag über war auf der Werft viel los gewesen und besonders mit ihrer schicken neuen, roten Hose erntete die Krassy eine ganze Menge Komplimente. Aufgebockt auf ihrem elegant geschwungenen Kiel sieht sie eben auch spektakulär hübsch aus! 

Müde, verschwitzt und furchtbar schmutzig von Antifouling, Politur und Staub packten wir kurz nach Sonnenuntergang unsere Sachen ein, verstauten das Werkzeug im Boot und packten jeder eine kleine Reisetasche mit Kleidung und Waschzeug für eine Nacht. Hier durften wir nicht am Bock übernachten, also hatten wir eine kleine Ferienwohnung ganz in der Nähe gemietet. Wir aßen auf dem Weg dort hin noch schnell eine Pizza und freuten uns dann auf eine ausgiebige und dringend nötige Dusche. Wir rochen schon ein bisschen wie die Leute in den Bussen auf Guadeloupe… 

Unsere klimatisierte Ferienwohnung war gemütlich und sauber und wir konnten vom Bett aus noch einen Film schauen bevor wir völlig erledigt einschliefen. Draußen vor unserer sehr durchlässigen Tür hatte sich allerdings eine Gruppe Hähne verschworen uns den Schlaf zu rauben. Die müssen einen fiesen Jetlag gehabt haben, denn die blöden Viecher fingen schon um 3 Uhr morgens an zu krähen! Da war ein Radau ohne Gleichen direkt vor unserer Ferienwohnung und als ich den Kopf herausstreckte lief da eine ganze Hühnerfamilie laut schnatternd herum. Der Hahn, Henne und 8-10 kleine Küken, alle ins Gespräch vertieft… Kein Wunder, dass wir den Eindruck hatten in einem Hühnerstall geschlafen zu haben! Ein paar Katzen mischten sich auch noch in die Truppe, aber die waren zumindest sehr leise.

Wir hatten noch bis zum Nachmittag Zeit ein paar restliche Arbeiten an der Krassy zu erledigen, bevor sie wieder zurück in ihr Element gehoben wurde. Christian polierte also fleißig weiter und ich lief noch mal zum Ausrüster um einen guten Konstruktionskleber zu organisieren. Für mich stand noch ein Herzensprojekt auf der To Do Liste, denn ich wollte unbedingt die blanken Stahlrohr-Stufen unserer Badeleiter mit Holztritten versehen. Die Hölzer hatte ich schon vor Ewigkeiten gekauft und Christian hatte sie vor ein paar Tagen passend zurecht geschnitten. Jetzt mussten sie nur noch angebracht werden und da wir ungern in das Stahlrohr bohren wollten, entschieden wir uns fürs Kleben. Mal eben ein paar Holzstufen anzukleben dauerte erstaunlich lange, aber wie es scheint halten sie bombenfest. Jetzt rutscht man nicht mehr so leicht von den glatten Stufen ab, was mir besonders im Winterlager und beim ausgiebigen Baden hier in der Karibik ein Anliegen war. 

Auf so einem Werftgeländer ist wie gesagt immer was los und man kann so einige Kuriositäten entdecken. Wir haben ja fast gar keine Vorurteile was Franzosen angeht *zwinkerzwinker* und lachten deshalb besonders laut in uns hinein, als direkt neben uns im Kran ein Segelboot zum kärchern aufgebockt wurde. Zwei Herren kratzten und wuschen hier ebenfalls ihren Bewuchs vom Rumpf, so weit so normal. Als dann jedoch der eine der beiden in einer Hand die Pistole des Hochdruckreinigers und in der anderen eine Halbliter-Dose Bier und eine Zigarette hielt – und nebenbei weiter kärcherte, brachen bei uns alle Dämme. Hätte er statt der Bierdose ein Glas Rotwein in der Hand gehabt wäre das Bild perfekt gewesen! 

Wie vereinbart, wurde die Krassy am Nachmittag wieder zurück ins Wasser gesetzt und wir freuten uns über die erledigten Arbeiten und das professionelle Vorgehen der Werft. Die waren wirklich super organisiert und bis auf die kleine Verzögerung am Vortag hatte alles astrein funktioniert. 

Wir gingen noch mal für eine Nacht vor der Marina vor Anker, denn hier waren wir auch noch mit Anke und Thomas aus Berlin verabredet, die wir ein paar Tage zuvor kennengelernt hatten. Die beiden sind ebenfalls mit einer alten Rassy unterwegs, allerdings eine Nummer größer als die Krassy und hatten uns auf dem Weg mit ihrem Dinghy in der Marina entdeckt. Nach einem netten Abend bei uns an Bord stand nun ein Gegenbesuch an und wir hoffen sehr, dass wir die beiden weiter im Norden noch das ein oder andere Mal treffen werden. Man kann es nicht oft genug sagen: Segeln ist ein herrlich kontaktfreudiger Sport! 

Apropos, wir sind jetzt übrigens Vereinsmitglieder. Ja, in der SVC sind wir eh schon, aber jetzt gehören wir noch einem weiteren Segelverein an. Der Ocean Cruising Club (OCC) ist ein Verein für Hochsee-Segler, ganz ähnlich dem Trans Ocean (aus dem ich vor der Reise entnervt ausgetreten bin, aber das ist eine andere Geschichte…). Der OCC hat allerdings strenge Regeln, denn hier wird man nur aufgenommen, wenn man einen Sponsor hat und zudem nachweisen kann, dass man mindestens eine Hochsee-Etappe von 1000 Seemeilen auf einem Boot unter 70 Fuß gesegelt ist. Unser Sponsor war Marleen von der Alani und die Aufnahme ging unerwartet schnell. 

Vorteile dieser Hochsee-Vereine sind neben den Rabatten, die man in Häfen und bei Ausrüstern bekommt hauptsächlich die Netzwerke aus Langfahrtseglern. In diesem Fall kann man sich auch darauf verlassen, dass die Mitglieder tatsächlich einiges an Erfahrung haben und so freuen wir uns jetzt sehr ein Teil dieser Gruppe zu sein. Damit wir uns auch als Mitglieder ausweisen können, machten wir heute auf unserem Weg von Point-a-Pitre nach einer rasanten Segeletappe Halt in Basse-Terre, wo wir uns mit Francis trafen. Francis ist einer der so genannten Port Officers des OCC und er übergab uns eine schicke Flagge mit dem Logo des Vereins, einem fliegenden Fisch auf blauem Untergrund. Wir plauschten noch ein Weilchen mit Francis und morgen geht es dann für uns weiter nach Norden, von wo aus wir am Freitag nach Antigua weiter segeln werden. Jetzt als echte Hochsee-Segler mit frischer roter Hose! 

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6 thoughts on “A sailor must do what a sailor must do

  1. Hachja, das steht uns auch noch bevor… das Sargassum gibt dem Antifouling den Rest. Liest sich bei euch dennoch wie ein Einschlafmärchen! Euch eine gute Weiterreise !

    1. Moin Philip,
      irgendwas ist ja immer. Wir haben in der Zwischenzeit auch schon wieder ein anderes Projekt gewonnen. 🙄

      Euch auch eine gute Weiterreise. Wir stalken euch weiterhin im AIS! ☺️

      Liebe Grüße von Antigua!

  2. Moin an die Arbeitswütigen,

    wow: innerhalb von knapp 2 Tagen UW-Schiff säubern, AF streichen, Propeller überarbeiten, Rumpf polieren, Upgrade für die Badeleiter … dann noch das alles im Bild für diesen tollen Bericht festhalten … und das alles bei tropischen Temperaturen. Da sag‘ ich mal passend zum Ort: à la bonne heure!

    Auf Antigua war war ich am Ende einer Reise mit der Alex auch, wir sind dort mit einem Taxi am Tag unserer Abreise über die Insel gefahren. Lt. Fahrer hat sie exakt 365 Strände – für jeden Tag des Jahres also einen anderen. Haben wir damals nicht getestet.

    Ich hatte ein bischen gehofft, daß Ihr noch Montserrat und St. Eustatius / Saba besucht und von dort berichtet. Das kenne ich neben St. Kitt’s und Barbuda nämlich noch nicht. Aber da muß man natürlich die örtlichen Randbedingungen kennen, um zu entscheiden, ob das überhaupt geht bzw. sich lohnt.

    Euch beiden weiter gute Reise, bei uns soll’s nach z.T. knackigem Frost in der letzten Woche jetzt wärmer werden. Wird auch Zeit, ich muß am Schiff noch etliches machen – insofern war es gut, daß ihr mich mit Eurem Bericht wieder daran erinnert habt …

    Lieben Gruß,

    Jürgen

    1. Moin Jürgen,

      trotz der Temperaturen ging vor allem das Streichen echt gut von der Hand. Die Farbe lässt sich bei fast 30°C deutlich besser verarbeiten als bei 5°C. Und gern geschehen, wir erinnern euch doch immer gerne daran, dass die Saison bald wieder startet.

      Und zu Montserrat und Co: Keine Sorge, da wollen wir schon noch hin. Hatten nur keine Lust, nach Antigua hochkreuzen zu müssen. Also erstmal hierhin, dann nach Montserrat und dann weiter nach Norden ☺️.

      Liebe Grüße!

  3. Hallo Ihr Beiden, die Krassy sieht ja wieder echt schick aus. Der Bewuchs ist der lebende Beweis für die Evolution, Anpassung funktioniert! Ulkige Würmer hattet ihr dabei😁ich wundere mich nur, warum die Katzen nicht die Hühner gefressen haben, sind die durch Whiskas verwöhnt? Gute Fahrt nach Antigua, wir warten ungeduldig auf euren nächsten Bericht.
    Liebe Grüße aus Bremen von
    Armin und Anja

    1. Moin ihr beiden,

      tja, ich schätze, die Katzen wurden von den Feriengästen doch ordentlich verhätschelt. Von Jagdinstinkt gab es zumindest keine Spur, eher vom Kuschelinstinkt.

      Und vielen Dank, die Überfahrt war auch ganz entspannt. Und der nächste Beitrag folgt in Kürze. ☺️

      Liebe Grüße!

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