Vilagarcia de Arousa, Spanien
Nach unserem großartigen Abendessen mit der Crew der Anna wechselten wir vorgestern noch mal die Bucht und legten uns vor der Isla de Arousa an eine Boje. Man lag dort sagenhaft geschützt vor dem kleinen Ort und obwohl um uns herum überall große Steine aus dem Wasser ragten, waren wir an unserer muschelbewachsenen Boje gut aufgehoben. Ab und zu rauschten die Fischer oder kleine Ausflugsboote an uns vorbei und ließen die Krassy an ihrer Boje tanzen, aber in Summe war es dort echt angenehm.
Es waren noch Garnelen vom Vortag übrig geblieben, also gab es noch mal ein Festessen an Bord der Krassy und mal wieder wurde es ein netter Abend. Tags darauf erkundeten wir wie üblich den Ort, besuchten den sehr gut ausgestatteten Bootsausrüster um noch ein paar Dinge zu besorgen und ließen uns dann auf einen Kaffee vor einem kleinen Café mit Blick auf das Bojenfeld nieder.
Frisch gestärkt ging es nun weiter nach Vilagarcia de Arousa, eine der größeren Ortschaften in den Rías. Obwohl so gut wie gar kein Wind wehte versuchten wir die paar Meilen auszusegeln. Die Anna zog schnell an uns vorbei, während wir in Zeitlupe auf den Ort zuschaukelten. Nicht genug, dass kaum Wind wehte, noch dazu klemmte unsere Genua und ließ sich partout nicht ausrollen. Wir waren also nur mit dem Großsegel unterwegs und unsere Reisegeschwindigkeit war dem entsprechend lahm. Egal, der Tag war schön und die Strecke kurz.
Im Hafen erwartete uns bereits der super freundliche Hafenmeister und wies uns eine Box zu. Das Problem mit der Genua hatte erst mal Priorität, also war unsere erste Amtshandlung, nachdem die Leinen fest waren, ein Ausflug in den Mast. Das obere Lager der Rollanlage war wie befürchtet trocken gelaufen und benötigte dringend eine ordentliche Portion Fett. Frisch geschmiert ließ sich die Genua wieder ganz leicht ein- und ausrollen. Problem gelöst!
In der Zwischenzeit war auch noch die Marea mit Holger und Angela angekommen und hatte direkt neben uns festgemacht. Wir kennen uns bereits aus La Coruña und so dauerte es nicht lange, bis wir zu einem Anleger-Umtrunk an Bord eingeladen wurden. Hier lernten wir dann auch Pauline kennen, den Papagei von Angela (eine Doppelgelbkopfamazone, großartiges Wort!). Pauline fand uns allerdings nicht so toll wie wir sie und begegnete uns beiden eher ablehnend. War wohl nicht persönlich gemeint, denn wie wir lernten mag sie eigentlich niemanden außer Angela…





Für heute stand ein ganz besonderer Ausflug für uns auf dem Plan. Wir wollten nach Santiago de Compostela fahren und sowohl die Crew der Anna als auch die der Marea waren ebenfalls von der Idee begeistert und begleiteten uns. Die Pilger-Stadt ist nicht weit entfernt und von Vilagarcia ist man durch eine sehr komfortable Zugverbindung in nur 20 Minuten dort.
Zum ersten Mal seit längerer Zeit prasselte allerdings heute früh der Regen auf unser Deck. Egal, wir sind ja nicht aus Zucker und außerdem ist es gut, dass es endlich regnet, denn das hilft hoffentlich die Waldbrände im nahegelegenen Portugal zu bekämpfen. Wir zogen Jacken an, packten Regenschirme ein und stiefelten los zum Bahnhof. Dort erfuhren wir, dass wir heute nur eine Hinfahrt buchen könnten, die Rückfahrten waren schon alle ausgebucht. Abenteuerlustig entschieden wir trotzdem hin zu fahren, wir würden schon irgendwie wieder zurück kommen (was dann auch kein Problem war).
Santiago de Compostela ist das Ziel der verschiedenen Jakobswege, die quer durch Europa verlaufen. Der bekannteste Weg ist der Camino francés, den besonders Hape Kerkeling mit seinem großartigen Buch Ich bin dann mal weg Anfang der 2000er-Jahre einer breiten Masse nahegebracht hat. Seit der Veröffentlichung dieses Buches hat der Weg unter deutschen Pilgern einen regelrechten Hype erlebt, der bis heute anhält. Im Jahr 2019 wurden in Santiago de Compostela ca. 350.000 Pilgerurkunden ausgestellt und die erhalten nur diejenigen, die mindestens die letzten 100 km zu Fuß oder die letzten 200 km per Fahrrad oder Pferd zurückgelegt haben. Diejenigen Pilger, die unterwegs ihre Reise aufgrund von Krankheit, Verletzung oder aus anderen Gründen abbrechen mussten sind hier nicht eingerechnet.
Man sagt, der Camino, also der Pilgerweg, beginnt auf dem eigenen Bettvorleger. Es ist also egal wo man startet und so findet man auch in weit von Nordspanien entfernt gelegenen Orten wie Hamburg ausgewiesenen Jakobswege.
Das Ziel der Wege ist aber immer das gleiche: Santiago de Compostela. Hier soll angeblich das Grab des Heiligen Jakobus liegen und zwar in der bombastischen Kathedrale des Ortes. Schon im Mittelalter pilgerten Gläubige auf diesen Wegen und heute ist die Pilgerfahrt bei Menschen aus der ganzen Welt beliebter denn je. Nicht nur der deutsche Comedian hat hier Scharen von Pilgern auf den Weg gelockt, man begegnet dort auch vielen Amerikanern, Australiern, Franzosen und und und.



















Auch ich bin 2012 nach Santiago gepilgert, allerdings nicht auf dem Camino francés, sondern auf dem portugiesischen Jakobsweg. Gestartet bin ich damals in Porto und habe die ca. 250 km in 11 Tagen bewältigt. Nun, 12 Jahre später wieder in Santiago de Compostela zu sein war also was ganz besonderes für mich. Die Pilgerwege sind anstrengend und man geht körperlich und mental an seine Grenzen, wird aber dafür mit einer ganz besonderen Erfahrung belohnt. Ich kann also das Gefühl der Menschen gut nachvollziehen, die humpelnd in Santiago ankommen und dort sich dort ihre Pilgerurkunde aushändigen lassen. Es spielt dabei keine Rolle, ob man nun religiös ist oder nicht, der Weg macht was mit einem.
Ich hab noch ein altes Foto von meiner Ankunft in Santiago de Compostela von 2012 gefunden. Findet ihr ich hab mich irgendwie verändert?!


Wie erwartet war die Stadt voll mit Pilgern, die sich in der Regel durch eine Jakobsmuschel zu erkennen geben. Aber auch ohne Muschel kann man sehr leicht erkennen, wer hier her gelaufen ist und wer – wie wir – mit der Bahn angereist ist. Die Pilger sehen erschöpft, aber glücklich aus, viele humpeln, tragen Kniebandagen oder laufen sogar barfuß auf ihren geschundenen Füßen durch das uralte Stadtzentrum. Man hört Sprachen aus aller Herren Länder und je mehr wir die einmalige Stimmung auf uns wirken ließen, desto mehr erinnerten uns die Pilger an Langfahrtsegler. Man braucht Zeit für die Pilgerreise, wie beim Segeln. In der Regel startet man allein, trifft aber unterwegs gleichgesinnte, mit denen man einen Teil der Strecke gemeinsam geht, wie beim Segeln und hat man seinen langen Weg in vielen kleinen oder größeren Etappen geschafft ist man nicht nur stolz auf sich, sondern hat eine Erfahrung gemacht, die man für den Rest seines Lebens nicht mehr vergisst, wie beim Segeln.
Wir waren also nicht als Pilger in Santiago, konnten uns aber sehr gut in die Menschen dort hineinversetzen.
In unserer kleinen Gruppe machten wir uns als erstes auf den Weg zur großen Kathedrale. Wir wollten noch gemeinsam einen Kaffee trinken und dann getrennt die Stadt erkunden. Vor der Kathedrale war eine Schlange von Menschen, die sich über den riesigen Vorplatz wand, also entschieden wir uns dazu erst mal durch die Gassen mit den vielen netten Läden zu stromern. Ich brauchte neue Wanderstiefel und wo könnte man die besser bekommen als in der Pilgerhauptstadt?! Naja, dummerweise hatten wir mal wieder die Siesta vergessen… Die Läden waren vorerst geschlossen, aber wir drehten trotzdem eine ausgedehnte Runde durch Santiagos Altstadt. Der Nieselregen konnte uns dabei nicht aufhalten, denn in der uralten Stadt kann man sich wortwörtlich verlieren.
Am Nachmittag hatte sich die Schlange vor der Kathedrale aufgelöst und so ließen wir es uns nicht nehmen uns diesen Prunkbau auch von Innen anzusehen. Ich war damals am Ende meines Weges ebenfalls dort, sah zu wie der berühmte Weihrauchschwenker an einem langen Seil quer durch das ganze Kirchenschiff schaukelte und platzte fast vor Stolz als bei der Segnung der Pilger auch ich (eine Pilgerin aus Deutschland, gestartet in Porto), verlesen wurde. Als Pilger ist es Tradition die Reise mit einem Besuch der Messe und natürlich des Grabes des Heiligen Jakobus zu beenden. Hierbei umarmt man zum Abschluss die goldene Statue des Heiligen, die über dem Altar thront und von der Rückseite zugänglich ist.
Am späten Nachmittag, mit neuen Wanderstiefeln im Gepäck, trafen wir unsere Mitreisenden vor der Kathedrale wieder, suchten uns noch ein nettes Restaurant für ein abschließendes Abendessen und fuhren dann mit dem Zug zurück nach Vilagarcia de Arousa. Der Ausflug heute hat wieder richtig Lust auf eine Pilgerreise gemacht, aber eins nach dem anderen, denn wir pilgern ja gerade auf unsere eigene Weise – und zwar unter Segeln.
Ihr Lieben, es ist so wunderbar, euren Blog zu lesen. Auch in Bremen gibt es einen Jacobsweg. Im Bibelgarten des Doms steht eine Jacobusfigur und im Schnoor gibt es das Jacobushaus mit (jetzt Geschichtenhaus), wie die Bremer so sind, nannten sie den Jacob den Juxmajor. Auch wenn man nicht religiös ist, sagt das Zitat von Dag Hammarskjöld, dass die Reise vor allem eine Reise ins Ich ist:
„Ich beginne die Reise nach innen.
Ich reise in mich hinein,
zum innersten Kern, wo du wohnst.
An diesem tiefsten Punkt meines wesens
bist du immer schon vor mir da.
Gott du bist lebendig,
Du bist in mir.
Du bist hier.
Du bist jetzt.
Du bist.“
Und Stephi, Du hast dich gar verändert, nur die Haarlänge. ☺️
Ganz vielen lieben Dank! Das ist das schönste Lob, das wir uns wünschen können ☺️
Das Gedicht passt ziemlich gut, vielen Dank dafür!
Immer wieder tolle Bilder und Berichte von euch. Man nimmt so intensiv an eurer Reise teil und bekommt noch Informationen über die Orte, die man bei keiner Pauschalreise bekommt.
Durch die schönen Bilder von Santiago de Compostela hat Brigitte, die ja da immer mal hin pilgern wollte, die Reise gespart.
Vielen lieben Dank euch beiden!
Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät, eine Pilgerreise kann ja auch ein bisschen kleiner sein für den Anfang.
Liebe Grüße!