Santa Cruz de Tenerife, Spanien
Nach der spontanen Nachtfahrt hingen wir beide an unserem ersten Tag auf Teneriffa ein bisschen durch. Wie immer gab es also zuerst die obligatorische Dusche und dann vertrödelten wir den restlichen Tag an Bord. Wir telefonierten mit unseren Familien, lagen im Cockpit herum und verbrachten den Abend mal wieder mit ein paar Würfelspielen aus unserer Sammlung. Mittlerweile sind wir seit fast 4 Monaten unterwegs und noch kein einziges Mal hatten wir das Bedürfnis fern zu sehen – und das, obwohl wir zuhause ziemliche Serienjunkies sind…
Wir gingen früh schlafen, denn am nächsten Tag hatten wir eine besondere Verabredung. Christian’s ehemaliger Kollege Hajo und seine Frau Marlie machen gerade Urlaub auf Teneriffa und so hatten wir uns natürlich verabredet. Die beiden kamen nach dem Frühstück bei uns vorbei um uns abzuholen. Hajo kennt die Krassy schon ein wenig, denn er ist bereits mit uns gesegelt, wenn auch nur das kurze Stück von Cuxhaven nach Brunsbüttel, als wir nach unserer letzten Reise die Krassy zurück in die Ostsee überführen wollten. Dort angekommen hatte unser niegel-nagel-neuer Motor direkt wieder den Geist aufgegeben und wir konnten nicht so weiter fahren, wie geplant. Aber das ist eine andere Geschichte…
Während unserer letzten Tour war Hajo übrigens auch unser zuverlässiger Wetterfrosch, der uns während der Atlantiküberquerungen immer aktuelle Wetterupdates auf unser Satellitentelefon geschickt hat. Diese Nachrichten waren wirklich hilfreich, denn so konnten wir unsere eigenen Wetterdaten immer noch mal abgleichen.
Die beiden haben hier auf der Insel einen Mietwagen und wollten uns zu einer kleinen Wanderung abholen. Wir packten also unsere Wanderschuhe ein und nach einem kleinen Pläuschchen an Bord der Krassy machten wir uns auf den Weg. Zuerst ging es noch mal zurück zur Ferienwohnung von Hajo und Marlie, denn dort war ein paar Wanderschuhe zurück geblieben. Die mussten unbedingt mit, denn kurze Zeit später ging es für uns über Stock und Stein.
Hajo hatte eine tolle Wanderung um den Roque de Taborno an der Nordseite der Insel ausgesucht. Auf dem Weg dort hin fürchteten wir zunächst, dass wir ganz schön frieren müssten, denn über der Nordseite der Insel hatte sich eine dichte Nebelschicht zusammengezogen. Bei einem kurzen Halt an einem Aussichtspunkt auf dem Weg zum Start unserer Wanderung erschraken wir ein wenig über die kühlen Temperaturen und die feuchte Luft, aber als wir oben am Parkplatz von Taborno ankamen war die Sonne wieder herausgekommen und es wurde noch ordentlich warm.
Unsere Wanderung führte uns zunächst durch den winzigen Ort, bevor uns gleich die erste Aussicht auf die hügelige Landschaft und das Meer umhaute. Mit der kargen Vulkan-Einöde von Lanzarote oder Fuerteventura hatte das hier nicht mehr viel gemein. Saftig grüne, spitz aufragende Berge, bedeckt mit Kakteen, Sukkulenten und den endemischen Drachenbäumen und dahinter der Kontrast zum tiefblauen Wasser des Atlanischen Ozeans und der mit Wolkenfetzen durchsetzte Himmel zeichneten ein wunderschönes Bild. Und es blieb spektakulär, denn unser Wanderweg führte uns einmal um den markant aufragenden Roque de Taborno herum und hier war die Aussicht an jedem einzelnen Punkt schlichtweg umwerfend! Wir kamen an einem kleinen Gehege mit uralten, zotteligen Bergziegen vorbei, passierten riesige Kakteen und kletterten hier und da auch mal über ein paar Steine. Der Weg war anspruchsvoll, aber nicht allzu schwer und auch wenn es gelegentlich mal ein paar Meter bergauf ging (was ich ja bekanntlich nicht so toll finde), machten die Aufstiege hier sogar richtig Spaß, denn man musste eher an den Steinen hochklettern als einfach nur stumpf bergauf zu laufen. Vor allem, als wir irgendwie mal kurz vom Weg abkamen und durch dichte Sträucher stapften, bevor wie den eigentlichen Pfad wieder fanden, war ein bisschen Geschick gefordert. Die Mischung macht‘s!












Gerade als wir die Rückseite des Felsen erreicht hatten, also etwa auf halber Strecke hörten wir über uns ein dumpfes Dröhnen. Kurz darauf entdeckten wir am Himmel einen knallroten Hubschrauber. „Na, wenn das mal nicht die Bergrettung ist!“ witzelte Christian noch und er sollte tatsächlich Recht behalten. Wir beobachteten wie der Hubschrauber mit geöffneter Seitentür kurz vor uns dicht an einen kleinen Felsvorsprung heranflog und dort knapp über dem halbwegs ebenen Stück Wanderweg in der Luft stehen blieb. Zwei Bergretter sprangen aus dem Helikopter heraus und eilten vor uns den Weg entlang. Ein Stückchen weiter auf dem Pfad entdeckten wir dann auch den Grund für die Rettungsaktion. Eine junge Spanierin war offensichtlich umgeknickt und hatte sich den Knöchel verletzt. Sie war mit ihrer Familie inklusive zwei kleinerer Kinder unterwegs gewesen und saß nun mit ausgestrecktem Bein auf dem Wanderpfad. Die Dame war noch ganz fidel und wirkte nicht allzu schwer verletzt, aber offensichtlich war es schlimm genug, dass sie den Rückweg aus eigener Kraft nicht mehr antreten konnte.
Da die beiden Bergretter direkt vor uns auf dem schmalen Wanderpfad angekommen waren und nun natürlich die Versorgung der Verletzten Priorität hatte, mussten wir warten, bis uns die freundlichen Helfer vorbei ließen. Wir wurden langsam ein bisschen nervös, denn wir wollten auf keinen Fall bei Dunkelheit über den steinigen Weg gehen müssen und konnten erst mal nicht so recht einschätzen, wie lange die Rettungsaktion dauern würde.
Zum Glück mussten wir nicht allzu lange warten und als die Bergretter uns an der mittlerweile mit einer großen Beinmanschette versorgten Frau vorbei führten, eilten wir schnell weiter. Der Hubschrauber sollte die Frau abbergen und während wir zügig weiterliefen bekam die Arme ein Geschirr umgeschnallt. Wir beobachteten wie sie kurz darauf zusammen mit einem der Sanitäter in ein Seil eingehakt wurde, das ein ganzes Stück unterhalb des Helikopters in der Luft baumelte. Die beiden hingen in schwindelnder Höhe an diesem Seil über den Felsen und wurden ganz langsam hoch gezogen, während der Hubschrauber sich von der Felskante entfernte. Ganz ehrlich, ich hätte mir wahrscheinlich ordentlich in die Hose geschissen, wenn ich da oben gehangen hätte… Da war der verstauchte Knöchel wahrscheinlich das kleinere Übel!
















Als wir noch beobachteten, wie der Hubschrauber davon flog kam uns vom Parkplatz aus ein ganzer Trupp Feuerwehrleute entgegen. Die Jungs waren offensichtlich ebenfalls zur Rettung herbei gerufen worden und kümmerten sich jetzt um den Begleiter der jungen Dame und die beiden Kinder. Die kleinere der beiden war in einem Tragetuch auf dem Rücken ihres Papas schon tief am schlummern, aber die größere schaffte den Weg aus eigener Kraft. Wir waren weitergegangen und so hörten wir die Gruppe zunächst nur hinter uns, bis sie uns irgendwann einholten. Das etwa 4 oder 5 Jahre alte Mädchen plapperte in einer Tour, während sie an der Hand eines der gut gebauten und über und über tätowierten Feuerwehrmänner ging. Am Parkplatz angekommen gab es noch ein Gruppenfoto mit dem imposanten Feuerwehrauto und es war schwer zu sagen, wer hier mehr Begeisterung zeigte, das kleine Mädchen oder die großen Feuerwehrjungs…
Diese Wanderung schaffte es locker in meine Top 3 der bisher schönsten Wandertouren. Die spektakuläre Rettungsaktion machte alles natürlich noch ein bisschen aufregender, aber sie zeigte uns auch, wie gut so etwas funktionieren kann und mit welcher Ruhe und Freundlichkeit hier seitens der Einsatzkräfte gehandelt wurde. Für uns war es noch mal eine zusätzliche Erinnerung daran wie wichtig es ist, auf solchen Wanderungen aufzupassen wo man hin tritt. Auch bei kleinen Wanderungen ist es wichtig mindestens gutes Schuhwerk zu tragen, aber auch ausreichend Wasser mitzunehmen und andere Vorbereitungen zu treffen. Nachdem wir die Aktion mit dem Hubschrauber beobachtet hatten waren auch unsere Schritte deutlich bedächtiger geworden. Trotzdem lassen wir uns nicht abschrecken, Unfälle können passieren, aber es wäre eine Schande aus Angst davor, was so passieren könnte, solche unvergesslichen Touren auszulassen.
Hajo und Marlie haben zu ihrem Ferienapartment in einem nahegelegenen Riu-Hotel eine Halbpension dazu gebucht und luden uns am Abend ein, mit ihnen zusammen dort zu essen. Wir zogen uns also am Parkplatz noch schnell um, denn statt schwitziger Wanderkleidung war hier schickere Garderobe angesagt. Es gab ein tolles Buffet mit vielen Leckereien, an denen wir uns nach der Anstrengung mehr als gut stärken konnten. Zum Abschluss wartete hier sogar noch ein Schokoladenbrunnen auf uns – so viel Luxus sind wir gar nicht mehr gewöhnt…
Es war ein toller Tag und jetzt freuen wir uns schon auf die nächste Wanderung mit den beiden!
Santa Cruz selbst ist übrigens nicht unbedingt ein Highlight. Die Stadt ist groß und vor allem fällt uns hier der dichte Verkehr auf. Direkt hinter dem Hafen liegt das Kreuzfahrtterminal, wo zeitweise bis zu 4 riesige Kreuzfahrtschiffe liegen. Manche von denen lassen einfach ihre Maschinen laufen und überziehen die Stadt dabei mit dicken, schwarzen Rauchwolken, ganz zu schweigen von den Massen an Touristen, die sich aus den riesigen Schiffen über die Stadt ergießen.
Für uns ist Santa Cruz eher wegen der Infrastruktur interessant, denn wir finden hier große Supermärkte, Bootsausrüster und einige sehr gut ausgestattete Einkaufszentren, in denen wir uns für die anstehenden Wochen und Monate versorgen können. So einige Kakerlaken sind uns hier übrigens auch schon über den Weg gelaufen, deutlich mehr als auf Lanzarote oder Fuerteventura und leider auch in den großen Supermärkten, was ich ganz besonders eklig finde.
Bei den sommerlichen Temperaturen irritiert einen hier die allgegenwärtige Weihnachtsdeko ein bisschen. Gestern sind wir sogar an einem kleinen Weihnachtsmarkt vorbei gekommen. Hier waren Schneemänner und Tannenbäume aufgebaut und während uns der Schweiß den Rücken herunter rann plärrten aus den Lautsprechern Weihnachtslieder… Naja, zumindest die Lichterketten scheinen hier besonders günstig zu bekommen zu sein, denn davon sieht man unfassbar viele.





Ihr fragt euch aber bestimmt auch schon, wie es bei uns weitergeht. Wir haben aktuell die Wettervorhersagen genau im Blick und lauern auf ein gutes Fenster für die Überfahrt auf die Kapverden. Hier werden wir ca. 7-8 Tage auf See sein und da aktuell das Azorenhoch auf Wanderschaft ist, müssen wir warten, bis der Passat wieder richtig einsetzt. Entscheidend sind für uns die ersten Tage, denn da brauchen wir ein bisschen Wind um erst mal weit genug nach Süden zu kommen und den Passatwind zu erwischen. Der scheint sich zum Ende der Woche einzustellen, daher sind wir – wenn wir nicht gerade wunderschöne Wanderungen mit Freunden machen – fleißig mit Vorbereitungen beschäftigt. Alle wichtigen Systeme der Krassy werden noch mal überprüft, allen voran natürlich Rigg und Motor, wir stocken unsere Lebensmittel- und Wasservorräte auf, verstauen alles, was nicht niet- und nagelfest ist und erledigen noch letzte Arbeiten. Heute hat Christian die Seewasserpumpe installiert, die wir zum Duschen nutzen wollen. Eigentlich hatten wir vorgehabt das Ding fest einzubauen, haben uns aber letztendlich doch für eine mobile Variante entschieden. Die kleine Pumpe ist jetzt also wasserdicht in einer Kunststoffbox verbaut und wir können zum Duschen einfach den Ansaugschlauch über das Speigatt im Cockpit ins Wasser lassen und unsere Duschbrause anschließen. Funktioniert super und ist allemal sicherer als bei voller Fahrt Eimer über die Reling zu wuchten.
Ein bisschen was haben wir noch zu tun, aber man könnte sagen, langsam ist See in Sicht.