Santa Cruz de Tenerife, Spanien
Gleich am folgenden Tag wurden wir nach dem Frühstück wieder von Hajo und Mali (ich hatte ihren Namen im letzten Beitrag leider nicht ganz richtig geschrieben, sorry!) für eine weitere Wanderung abgeholt. Auch diesmal hatten die beiden etwas ganz besonderes für uns herausgesucht, denn es ging mit dem Auto etwa 30 Kilometer Richtung Süden, wo wir in Las Eras von der Autobahn abfuhren. Wir parkten in dem kleinen unscheinbaren Ort, wo sich offensichtlich keine Touristen hin verirrten, statt dessen war in diesem Dörfchen wohl der Hund begraben…
Das machte aber nichts, denn für uns war der kleine Ort erst mal nur der Einstiegspunkt in unsere Wanderung. An einem typisch schwarzen Stand voller Taucher fanden wir einen Schotterparkplatz, hier sollte es losgehen. An dem von der Polizei angebrachten Flatterband, das die Durchfahrt Richtung Flussbett verbot schlichen wir uns einfach vorbei und nahmen ganz frech an, dass das wohl nur für die Autos galt.
Schon kurz darauf fanden wir uns in einem trockenen Flusslauf wieder, den wir in den nächsten Stunden durchwandern würden. Das Wasser hatte hier vor langer Zeit offensichtlich eine tiefe Schlucht ins Gestein gegraben, denn um uns herum ragten die vom Fluss teilweise blank polierten Felswände auf. Immer wieder fanden wir in den steil aufragenden Wände kleine Höhlen, die wir allerdings lieber nicht erkunden wollten. Dass hier zumindest Fledermäuse hausen könnten halte ich nicht für allzu unwahrscheinlich…
Das Flussbett selbst hatte einen sandigen Untergrund, gespickt mit großen Felsbrocken und verschiedenen Pflanzen, von kleinen Drachenbäumen bis hin zu langen, trockenen Grasbüscheln. Hier und da huschte mal ein Gecko durch die Sträucher, aber ansonsten begegneten wir auf dem Weg niemandem und obwohl nicht weit von uns entfernt die Autobahn über den trockenen Flusslauf führte, war es die ganze Zeit über angenehm ruhig.
Wir stapften also den Weg entlang, stiegen hier und da über größere Steine und mussten an ein paar Stellen ganz unerwartet sogar ein paar Kletterfertigkeiten auspacken. An einer Stelle im Weg hatte sogar jemand für die Wanderer ein paar Bretter an einem steil aufragenden Stein befestigt, die zum Glück auch stabil genug waren, denn anderenfalls wäre man den spiegelglatten Felsen unmöglich hinauf gekommen. Dieser Weg war ein absolutes Kontrastprogramm zu unserer letzten Wanderung, bei der wir in sattgrünem Gebirge mit Blick aufs Meer unterwegs gewesen waren. Jetzt war die Landschaft trocken und karg, aber trotzdem nicht weniger schön.
Hajo’s kleiner Wanderführer wies uns irgendwann an, das Flussbett zu verlassen und an der Wand des Flusses hinauf Richtung Straße zu klettern. Für den kleinen Aufstieg sollten wir aber noch mit dem Blick auf eine spektakuläre, natürliche Felsbrücke belohnt werden. Die Jungs wollten es sich selbstverständlich nicht nehmen lassen, über die in der Luft hängende Brücke zu laufen. Stabil genug war sie allemal und an der Unterseite entdeckten wir sogar ein paar zurückgelassene Kletter-Karabiner im Fels.
Der Rückweg führte uns an der Straße entlang zurück nach Las Eras. Das war jetzt nicht die schönste Strecke, aber alternativ hätten wir nur durch den Flusslauf zurückgehen können und so entschieden wir uns einstimmig für die Straße.
Zurück im Ort fanden wir das scheinbar einzige Restaurant und ließen uns dort zu einem Stück Kuchen und einer Tasse Tee für Hajo und Mali und Barraquito für Christian und mich nieder. Frisch gestärkt brachten uns die beiden anschließend zurück zum Hafen.

















Es war noch relativ früh und so beschlossen wir – da wir ja noch nicht genug gelaufen waren – noch mal in die Stadt zu gehen und schon mal die Supermärkte für unseren anstehenden Großeinkauf auszukundschaften. Der Carrefour, den ich mir schon angesehen hatte kam nach meiner Begegnung mit der Kakerlake nicht mehr in Frage! Wenn einem in einem Supermarkt schon am hellichten Tag die Viecher fast über die Füße laufen, dann will man nicht wissen, was da bei Dunkelheit erst so los ist… Zum Glück fanden wir ein paar deutlich sauberer wirkende Märkte und konnten auch gleich noch ein paar Besorgungen machen. Wer weiß, wie lange wir noch so viel Zivilisation um uns haben…
Hier in Santa Cruz kann man sich wirklich einen Wolf laufen… die Strecken sind alle deutlich länger als man annimmt und so waren wir beide richtig müde, als wir endlich zurück auf der Krassy ankamen. Mein Schrittzähler zeigte mir, dass ich an diesem Tag stolze 25.000 Schritte zurückgelegt hatte.
Am nächsten Morgen mussten wir aber beide wieder los. Christian hatte einen dringend überfälligen Friseurtermin und wollte beim Ausrüster noch ein paar Dieselkanister besorgen und ich lief wieder zum Supermarkt um den Einkauf zu erledigen. Hier in Spanien ist es übrigens vollkommen selbstverständlich, dass die Supermärkte einen Lieferservice anbieten, und zwar kostenlos. Ab einem Einkauf von 30€ kann man sich einfach an der Kasse seine Sachen einpacken lassen, die Adresse angeben und dann wird geliefert. Da ich ja zu Fuß hier war und noch dazu einige Wasserflaschen und jede Menge andere Lebensmittel brauchte, nahm ich diesen Service in Anspruch. Sowohl die wahnsinnig geduldige Kassiererin als auch alle anderen Mitarbeiter dieses Ladens sprachen allerdings ausschließlich Spanisch und so wurde ich auch gleich ein wenig herausgefordert. Bis die Adresse des Hafens, die Stegnummer, Bootsname, Telefonnummer etc. im System eingegeben waren und alle meine Einkäufe in stabilen Transportkisten verstaut waren, verging ein wenig Zeit. Alle anderen Kunden wurden an andere Kassen geschickt und trotz meiner holprigen Spanischkenntnisse klappte alles wunderbar. Die Einkäufe trafen schon nach einer knappen halben Stunde bei Christian auf der Krassy ein, da war ich noch lange nicht wieder zurück am Boot.
Den Rest des Tages verstauten wir also die vielen Lebensmittel, räumten mal wieder unser kleines, unordentliches Boot auf und ich zog Christian noch mal für einen gründlichen Rigg-Check in den Mast. Die Zeit verging und langsam mussten wir uns beeilen, denn wir hatten für den Abend noch ein kleines Kulturprogramm geplant.
Frisch geduscht und ausnahmsweise mal ein bisschen schick gemacht gingen wir noch schnell einen Happen essen und liefen dann zum imposanten Auditorio de Tenerife hinüber, einer futuristischen Konzerthalle in der Form einer weißen Welle. Wir hatten für diesen Abend Karten für ein Klavier- und Violin-Konzert und hatten natürlich auch Hajo und Mali eingeladen, die wir in der Aula trafen. Ähnlich wie Hamburg hat es sich auch Santa Cruz offensichtlich nicht nehmen lassen, statt eines einfachen Konzerthauses ein bombastisches Bauwerk zu errichten. Ehrlich gesagt finde ich das toll, denn als alte Wahl-Hamburger waren wir immer schon sehr stolz auf die Elphi gewesen. Warum sollte das hier also anders sein?!
Als Teil des Kammermusik-Zirkels des Auditorium traten an diesem Abend der Pianist Nikolai Lugansky und der Violinist Nikita Boriso-Glebsky auf. Falls ihr die nicht kennt, wir kannten die auch nicht…
Aber ein bisschen Kultur schadet ja nicht und deshalb stelle ich euch die beiden Herren hier mal kurz vor:
Nikolai Lugansky, geboren 1972 in Moskau, erhielt schon im Alter von 5 Jahren Musikunterricht, als seine Eltern sein „absolutes Gehör“ erkannten. Er studierte am Moskauer Konservatorium und arbeitete seit dem mit namhaften Dirigenten wie Kent Nagano und vielen weiteren zusammen. 2018 erhielt er im Kreml von Vladimir Putin den Staatspreis der Russischen Föderation für Literatur und Kunst. Lugansky ist besonders bekannt für seine Interpretationen von Rachmaninoff, Prokofiev, Chopin und Debussy.
Nikita Boriso-Glebsky wurde 1985 in Wolgodonsk in Russland geboren und studierte ebenfalls in Moskau, allerdings am Tschaikowski-Konservatorium sowie an verschiedenen Instituten in Belgien. Auch er spielte bereits mit vielen namhaften Orchestern und Philharmonien zusammen und tourte unter anderem durch China, Korea und Japan.
Die beiden Künstler gaben an diesem Abend 3 Stücke von Nikolai Medtner, Johannes Brahms und Sergei Prokófiev zum Besten, die allerdings je ca. 45 Minuten lang waren. Dazu gab es noch ein paar Zugaben. Der Ablauf war uns ein bisschen neu, aber die eingefleischten Klassik-Liebhaber unter euch kennen sich vielleicht besser aus.
Auf der Bühne standen zunächst nur ein Konzertflügel, zwei Hocker und ein Notenständer. Als die beiden Herren ins Rampenlicht traten, hatten sie noch eine junge Frau dabei, die sich jedoch dezent im Hintergrund hielt. Sie stellte sich als professionelle Notenheft-Umblätterin heraus und nahm auf dem zweiten Hocker ein Stück hinter dem Pianisten platz. Sie las die gesamte Zeit über die Noten mit, stand leise auf, wenn Lugansky das Ende des Notenblatts erreicht hatte und bog dann zunächst die obere Ecke der Seite um, bevor sie gekonnt umblätterte. Das sah einfach aus, aber die Gute hatte hier einen echt verantwortungsvollen Job!
Der Violinist war moderner aufgestellt, denn er hatte statt eines staubigen Notenhefts ein neues iPad dabei, zusammen mit einem kleinen Fußpedal, mit dem er die auf dem Tablet angezeigte Seite umblättern konnte. Wir staunten darüber, wie selten er blättern musste, vor allem im Vergleich zu dem Pianisten, dessen arme Assistentin alle Nase lang aufspringen und umblättern musste.
Die beiden Musiker legten sich ordentlich ins Zeug und spielten hervorragend. Selbst für Klassik-Anfänger wie uns war erkennbar, dass hier keine Amateure am Werk waren. Unsere Unkenntnis zeigte sich allerdings darin, dass es erschreckend lange dauerte, bis wir kapierten, dass die Stücke in vier – ich nenne es mal – Segmente aufgeteilt waren. Auf einer Anzeigetafel über der Bühne konnte man verfolgen, ob gerade Allegro, Adagio, Scherzo oder ein anderes Tempo gespielt wurden. Hieran konnte man erkennen, wo wir uns gerade in den ellenlangen Stücken befanden. Da hatte uns auch der jahrelange Klavierunterricht aus der Jugend nicht geholfen… Aber wir waren nicht die einzigen Amateure hier, denn als in einer kurzen Kunstpause zwischen dem Tempowechsel jemand zu klatschen begann wurde der von den alten Kammermusik-Hasen gleich mit einem wütenden „Shhhhh!“ zum Schweigen gebracht.
Nachdem das erste Stück geschafft war schob der Violinist ganz lässig seinen Notenständer an die Seite und schaltete das Tablet aus. Brahms konnte er offensichtlich auswendig und so spielte er die gesamte Sonate Nr. 3 in d-moll von Johannes Brahms, die nicht minder lang war als das erste Stück von Medtner, aus dem Kopf. Beeindruckend! Dieses Stück gefiel uns richtig gut und als auch das geschafft war, gönnte man den beiden Virtuosen ein kleines Päuschen. Die zwei waren mit vollem Körpereinsatz dabei und sogar der Pianist hüpfte bei besonders wilden Allegrissimos auch mal von seinem Höckerchen.
Als Abschluss gab es dann noch eine weitere Sonate von Prokófiev, bei der Christian mir nur das Wort „Hurz“ zuflüsterte. Den lauten Pruster konnte ich daraufhin zum Glück unterdrücken, denn Christian hatte absolut Recht! Wer von euch den legendären Sketch von Hape Kerkeling nicht kennt, der darf jetzt mal ganz schnell YouTube befragen, denn das ist eine echte Bildungslücke.







Naja, das Stück wurde zum Glück besser, aber mit Brahms konnte es alles in allem nicht ganz mithalten. Die beiden Musiker bekamen trotzdem wohl verdiente Standing Ovations und sogar einen lauten „Bravo!“-Ruf aus dem Publikum. Nach ein paar Zugaben und weiterem Applaus löste sich das Publikum erstaunlich schnell auf und wir wurden aus dem Konzertsaal und der Aula gescheucht. Klassik-Konzert-Liebhaber hängen wohl anschließend nicht mehr so gern rum und diskutieren das gehörte…
Es war mal wieder ein toller Abend mit einer kleinen Abwechslung von unserem üblichen Programm. Ein bisschen Kunst und Kultur haben noch niemandem geschadet!
Wir hatten eigentlich geplant, dass dieser Abend auch ein schöner Abschied von den Kanarischen Inseln wäre und wollten am folgenden Tag in Richtung Kapverden starten. Dummerweise hatte ich aber schon den ganzen Tag über ein Kratzen im Hals gehabt, das sich bis zum Abend in einen Schnupfen auswuchs. Im Laufe der Nacht war dann klar, dass ich am nächsten Morgen nicht für eine 7-tägige Überfahrt fit wäre und so verschoben wir unsere geplante Abfahrt gedanklich um 2 Tage. Neben meinem Schnupfen, der zum Glück nicht zu einer richtigen Grippe oder sowas wurde, war auch das Wetter noch nicht so richtig stabil. Vor den Kapverden war für Mitte der nächsten Woche etwas vorhergesagt, das man nur mit dem Wort „komisch“ beschreiben kann. Schwach- und Starkwindfelder, die ineinander über gehen und Wind aus allen möglichen Richtungen. Die Vorhersage für nächste Woche fällt zwar bei uns in die Kategorie „Kaffeesatz“, weil alles über 3 Tagen nicht wirklich vorhersagbar ist, aber es sah irgendwie nicht gut aus und die Wettermodelle blieben erstaunlich hartnäckig bei dieser Prognose.
Trotzdem tankten wir die Krassy schon mal auf, ergatterten uns dabei einen besseren Liegeplatz im Hafen und verbrachten einen sehr gemütlichen Tag mit Nichts-Tun, an dem ich mich ein bisschen auskurieren konnte.
Heute entführten Hajo und Mali Christian noch zu einer kleinen Inselrundfahrt, bei der ich mich allerdings ausnahmsweise ausklinkte, denn ich will für die anstehende Überfahrt richtig fit sein und vor allem niemand anderen anstecken. Ich blieb also an Bord, während die drei Teneriffa erkundeten, aber davon wird euch Christian noch berichten.
Hallo ihr beiden Lob, Preis und Dank, seit heute sind wir wieder online. Knapp drei Wochen hat Vodafone und sein windiger Subunternehmer gebraucht. Endlich können wir Eure tollen Beiträge wieder genießen, ohne auf der Terrasse oder in Alexanders Zimmer zu stehen. Toll, dass Ihr sogar ein Klassikkonzert genießen konntet. Wenn ihr mal richtig hurzen hören wollt, rate ich zu Schönberg oder Penderecki😄
Liebe Grüße von
Armin und Anja
Hallo ihr lieben, schön, dass ihr wieder online seid! Sorry, dass wir diesmal so spät antworten, aber auf See ist auch für uns Offline-Zeit. Wir werden fleißig weiter schreiben, damit ihr auch genug zu lesen habt, hoffentlich gemütlich im warmen Wohnzimmer! Ganz viele liebe Grüße aus Mindelo!