Cadzand, Niederlande
Gestern war unser Tag sagenhaft unspektakulär. Wir starteten früh in Scheveningen, denn es war nur sehr wenig Wind vorhergesagt und der kam mal wieder direkt von vorne.
Leicht genervt mussten wir also mal wieder den Motor bemühen. Der Wind sollte später noch drehen und so warteten wir geduldig ab, zockelten mit laufendem Motor gen Süden und lauschten dem erstaunlich regen Funkverkehr auf Kanal 16. Die See war nicht wild, aber das konstante Schaukeln ließ mich etwas schläfrig werden (immer ein Zeichen für leichte Seekrankheit). Ohne Segel liegt die Krassy einfach nicht so stabil im Wasser, also war dies ein weiterer Grund, warum ich die Winddrehung dringend herbeisehnt…
Wir rundeten Hoek van Holland, die Ausfahrt aus Rotterdam auf die Nordsee, wo mal wieder gut was los war. Aus unserem Heimatrevier in der Elbmündung sind wir große Containerschiffe gewohnt, trotzdem ist es schon immer wieder ein Erlebnis, diesen auf See zu begegnen. Die Verkehrsleitstelle von Hoek van Holland, die wir wie vorgeschrieben vor der Querung des Fahrwassers angefunkt hatten, ließ uns wissen, dass da gleich ein größeres Schiff ausfahren würde. Wir könnten aber vorher noch durchhuschen. Das hatten wir im AIS auch schon gesehen. Wie groß das Schiff wirklich war, sahen wir aber erst als es näher kam. Es handelte sich um ein Schwesterschiff der berühmt-berüchtigten Ever Given und war über 400 Meter lang und voll beladen. Ziemlich eindrucksvoll!

Das war allerdings auch schon das aufregendste, was gestern passierte. Die versprochene Winddrehung kam gegen Nachmittag noch und so schoben uns Wind und Strom weiter Richtung Süden. Unser eigentliches Ziel war die Oosterschelde, aber da es gut lief entschieden wir spontan nach Cadzand weiter zu fahren. Hier gibt es eine ganz neue und sehr schöne Marina, in der wir nach einem sehr langen Tag auf See gegen Abend ankamen. 64 Meilen hatten wir hinter uns gelassen und konnten heute guten Gewissens einen Hafentag einlegen. Der Wind passte heute eh nicht zu unseren Plänen und die Krassy brauchte ein bisschen Zuwendung.
Heute schliefen wir also aus und nach dem Frühstück freute ich mich auf eine Dusche. Ich war irgendwie mit dem falschen Fuß aus der Koje geklettert und heute morgen nur so mittel gut gelaunt. Nichts, was eine Dusche nicht richten könnte…
Tja, als ich dann in der kleinen, komplett abgeschlossenen Kabine unter der Dusche stand fiel mir auf, dass irgendetwas fehlte. Mein Handtuch! Das hatte ich an Bord liegen lassen! Verdammt!
In der Duschkabine fehlte leider ein Abzug, sodass die Luft hier ungefähr 300% Luftfeuchte aufwies. Ohne Handtuch blieben mir nur zwei Optionen: mein sauberes T-Shirt als Handtuchersatz missbrauchen oder der Fön. Ich entschied mich für letzteres, was allerdings dazu führte, dass ich anschließend gleich wieder unter die Dusche hätte gehen können… Es war so schwül in der kleinen Kabine, dass ich quasi keine Chance hatte jemals trocken zu werden. Super Start in den Tag!
Zurück an Bord hatte Christian schon mal angefangen rumzuwerkeln. Wir wollten in der Bugkajüte noch eine Steckdose einbauen und da ich dabei ohnehin nicht groß helfen konnte machte ich mich daran das Deck mal ordentlich sauber zu machen.
Wir mussten die Krassy im letzten Winter notgedrungen und sehr spontan ins Außenlager stellen. Sie war zwar mit einer Plane abgedeckt, aber der Winter war extrem nass und das hat unserem schönen neuen Teakdeck überhaupt nicht gut getan. Wir hatten den Grünspan zwar runtergewaschen, aber irgendwie sah das Deck nicht gut aus. Es war fleckig und stellenweise immer noch dunkel. Vor unserer Abreise wollte ich eigentlich noch mal das Holz mit Boracol behandeln, was Sporen und Pilze abtötet, aber ich bin einfach nicht mehr dazu gekommen. Der Smog von der Großschifffahrt in Cuxhaven tat sein übriges und unser Deck sah fürchterlich aus.
Jetzt wollte ich mit Salzwasser und einer sehr weichen Bürste vorsichtig die Oberfläche abwaschen. Dafür bracht man normalerweise eine gute halbe Stunde, wenn man es ordentlich macht. Drei Stunden später war ich mit dem Vorschiff und dem Aufbau fertig… Einfach nur Abwaschen ging hier nicht mehr und auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass man bei Teak nur sehr vorsichtig reinigen soll gab es hier keine andere Möglichkeit, als das Deck mit einer Handbürste abzuschrubben. So vorsichtig wie möglich und so gründlich wie nötig schrubbte ich also jeden Zentimeter und spülte die dunkelgrüne Brühe mit eimerweise Seewasser herunter. Allein die vielen Eimer, die ich aus dem Hafenbecken hochholte werden mir morgen einen ordentlichen Muskelkater verpassen.
Wenn ich sage, dass wir jeden Zentimeter unseres Decks persönlich kennen, dann ist das nicht übertrieben. Wir haben so viele Stunden kniend auf dem Deck verbracht, geschliffen, geklebt, gebaut, gepflegt… Heute war ich regelrecht schockiert, wie viel Schmutz noch auf dem schönen Holz zurückgeblieben war. Das meiste wahrscheinlich wirklich noch vom Winterlager, denn wir hatten damals wohl etwas zu zaghaft gereinigt.
Als Christian unter Deck die Steckdose eingebaut hatte stieg er mit ein und sobald er eine Bürste in der Hand hatte quatschte ihn schon unser Bootsnachbar, ein Typ ganz in Weiß, an. Ich hatte vorher Kopfhörer getragen, denn nach guten Ratschlägen war mir heute wirklich nicht. Unser Nachbar wies zuerst mal darauf hin, wie ein Teakdeck zu reinigen sei und dass ich das wohl noch nicht mitbekommen hätte. Vielen Dank für den Hinweis, aber Handauflegen funktioniert hier leider nicht. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann sind das Klugscheißer!
Christian schnackte noch ein wenig mit dem Nachbarn und stieg dann ins Schrubben ein. Wir brauchten noch mal fast 2 Stunden um auch den Rest des Decks sauber zu bekommen, reinigten dann noch die Scheuerleiste und spülten zum Schluss das Salz mit Frischwasser wieder ab.
Das Deck sieht jetzt wieder so aus wie es aussehen soll. Schrubben ist nicht so gut für das Holz aber noch viel schlimmer ist eine dicke Schmutzschicht. Wir machen das in dieser Form nur wenn es absolut nicht anders geht und das kann das Holz ganz gut ab.
Nach der Arbeit und einem Videoanruf in der Heimat machten wir uns zum Strand auf. Cadzand hat außer Strand gar nicht so viel zu bieten, denn das ist hier ein echter Ferienort. Christian war hier schon als Kind im Urlaub und hat am Strand Haifischzähne gesammelt. Er war damals vielleicht so 10 Jahre alt und wurde von seiner Familie „Superglotzauge“ genannt, weil er so gut darin war die kleinen Fossilien am Strand zu finden. Als wir heute darüber sprachen brauchte es eine kleine Korrektur als er der Meinung war „das ist aber bestimmt schon 20 Jahre her“. Nein mein Freund, das ist 35 Jahre her…
Das mit den Haifischzähnen lässt Christian trotzdem bis heute nicht los und so gingen wir nach einem Abendessen in einer schönen Strandgastronomie noch mal los, damit Christian nach alten Zähnen im Sand suchen konnte. Während er also systematisch den Boden abscannte macht eich mich lieber auf die Suche nach schönen Fotomotiven. Ich glaube, Haifischzähne dürften mittlerweile nicht mehr viele zu finden sein, denn scheinbar kommen jedes Jahr tausende Touristen nach Cadzand und alle suchen nach diesen begehrten Souvenirs. Es gibt hier sogar eine Statue in Form eines Haifischzahns.









Christians Suche blieb natürlich erfolglos, Superglotzauge war gestern. Ich riet ihm morgen früh noch mal zu schauen, vielleicht hat die Touristenbehörde bis dahin wieder neue Haifischzähne am Strand ausgelegt 😉
Nach nur gut einer Woche verlassen wir morgen schon die Niederlande und fahren weiter Richtung Belgien. Unsere Pläne nach London zu fahren werden wir wohl leider verschieben müssen, denn der Wind passt dafür einfach nicht und wir wollen nicht zu viel Zeit verlieren. London würde uns wahrscheinlich fast eine ganze Woche kosten, also hoffen wir, dass es auf unserem Rückweg vielleicht noch mal eine Gelegenheit gibt.
Die Niederlande waren wie immer schön. Wir lieben beide dieses Land und kommen mittlerweile auch auf Niederländisch beide ganz gut zurecht. Christian kann sich relativ problemlos auch länger unterhalten, während ich zumindest in kleinen Alltagssituation ganz gut klar komme.
In diesem Sinne: Tot ziens!