Die Liebe meines Lebens 

Rock Sound, Eleuthera, Bahamas

Mit zarten 19 Jahren verließ ich meine kleine Heimatstadt in Ostwestfalen und zog hinaus in die weite Welt. Genauer gesagt ins schöne Hamburg. Nach meinem Abitur hatte ich in der Hansestadt unerwartet schnell einen Studienplatz ergattert und so musste nun eine Unterkunft her. Hamburg war damals schon teuer, also recherchierte ich, welche Studentenwohnheime in Frage käme. Sätze wie „Der abendliche Bibelkreis ist für alle Bewohner verpflichtend“ oder „Die Reinigung wird in Eigenregie der Studenten übernommen“ disqualifizierten schnell das ein oder andere Wohnheim. Ich hatte nach meiner Recherche schnell einen Favoriten und als ich mit meiner Mama zusammen nach Hamburg fuhr mit dem Plan ein neues Zuhause für mich zu finden, stand dieses Wohnheim an erster Stelle. Sollte es hier nicht klappen, hatte ich eine Liste weiterer Unterkünfte dabei und wenn alles nichts half, dann wollten wir nach einer Wohnung suchen. Im Rückblick war das vielleicht ein wenig naiv, denn der Wohnungsmarkt war auch schon vor 20 Jahren nicht einfach in Hamburg… 

Unser erster Stop führte uns also zum „Haus Bauhütte“, einem von einer privaten Stiftung betriebenen Studentenwohnheim im wunderschönen Alsterdorf mit direktem Zugang zur Alster. Frau Turner, die Heimleiterin, empfing uns freundlich und zeigte mir eines der frisch renovierten Zimmer. Auf 8m^2 stand ein schmales Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank und es war sogar ein winziges Bad mit Dusche ins Zimmer gequetscht. Die Wände waren in einem gemütlichen Gelbton gestrichen und auch die Gemeinschaftsräume und Küchen machten einen einladenden Eindruck. Wir waren uns schnell einig und so hatte ich innerhalb einer Stunde meinen Mietvertrag für die erste eigene Unterkunft unterschrieben. Meine Mama und ich konnten uns also einfach einen schönen Tag in Hamburg machen, bevor wir wieder nach Hause fuhren. 

Als ich kurz darauf dann endgültig in die Großstadt umzog, war es doch ein komisches Gefühl, so ganz allein in dieser fremden Stadt, wo ich niemanden kannte. Meine Habseligkeiten waren in dem kleinen Zimmer schnell verstaut und es war erstaunlich gemütlich geworden. Als ich losging um nun auch meinen kleinen Küchenschrank einzuräumen, traf ich im Gemeinschaftsraum ein anderes junges Mädel aus Ostwestfalen, die ebenfalls gerade eingezogen war. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und ganz offensichtlich hatte sie schon ein paar mehr Bekanntschaften geschlossen als ich. Sie fragte mich also, ob ich nicht am Abend mit ins Nachbargebäude kommen wollte. Hier hatten sich ein paar Leute einen Beamer aus der Uni ausgeliehen und man wollte die Wok-WM schauen (wer das nicht mehr kennt, der darf sich jetzt kurz freuen wie jung er noch ist!). Um gar nicht erst Einsamkeit aufkommen zu lassen, ging ich also mit. 

Als wir den Gemeinschaftsraum im Nachbargebäude erreichten stellte sich dieser als komplett vollgestopft heraus. Alle Möbel waren so gut es ging aus dem Weg geräumt worden und tatsächlich rutschten auf die Wand projizieret B-Promis einen Eiskanal hinunter. Etwas verloren stolperte ich in den Raum und suchte mir einen Sitzplatz, als mich ein großer dunkelhaariger Typ anstrahlte. Vielleicht habt ihr ja schon eine Vermutung, wer das gewesen sein könnte… Richtig, Christian, damals noch ganz nackig im Gesicht. Er begrüßte mich mit seinem riesigen Lächeln und wir unterhielten uns für den Rest des Abends. So begann unsere Freundschaft. 

Dank dieses ersten Abends in der Gesellschaft einer Gruppe von Leuten, die sich im Laufe der Zeit zu guten Freunden entwickeln sollte, kam ich schnell im Studentenwohnheim an und Hamburg wurde mein neues Zuhause. Ich blieb übrigens viereinhalb Jahre lang, also bis zum Ende meines Studiums, in der „Baude“, wie wir das Wohnheim nannten. Als ich schließlich ausziehen musste, tat ich das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. 

Christian war in der Zwischenzeit längst ausgezogen und hatte Hamburg sogar für eine Weile verlassen um in München zu leben. Wir blieben die ganze Zeit über in Kontakt, trafen uns immer mal wieder zum Frühstück, auf Parties oder für ein Abendessen. Mein damaliger Freund fand es übrigens gar nicht toll, wenn „Christian, mit seinen großen Kulleraugen“ aus München zu Besuch kam… 2008 kehrte Christian dann endgültig aus München zurück und in seiner kleinen, gemütlichen Wohnung in Winterhude war ich auf der ein oder anderen Party zu Gast. 

Wir wurden erwachsen, das Studium war abgeschlossen, wir hatten gute Jobs und meine Beziehung zu meinem Ex-Freund war mittlerweile Geschichte. Und auch unsere Freundeskreise veränderten sich. Viele heirateten, bekamen Kinder und zogen nach und nach aus Hamburg ins Umland. Ungebunden wie Christian und ich waren, war uns die Laune aufs Ausgehen aber noch nicht vergangen und so fingen wir an immer öfter Zeit miteinander zu verbringen. Wir gingen essen, besuchten mitten in der Nacht Hamburgs Museen (zur langen Nacht der Museen), fuhren zusammen nach Berlin und sogar für ein Wochenende nach Sylt, wo wir den ganzen Tag am Strand spazieren gingen und über Gott und die Welt plauderten. Tja, und irgendwann war es dann plötzlich so weit, dass wir unversehens ein Paar wurden. Nach 10 Jahren Freundschaft wussten wir, was uns erwartete und so ging nun alles ganz schnell. Ich gab meine Wohnung in der Innenstadt auf und zog in Christians kleines Zuhause in Winterhude ein, wir fuhren zusammen zur Ostsee, unternahmen unsere ersten gemeinsamen Segeltörns und beschlossen schon während unseres ersten Urlaubs mit der Krassy, dass wir zusammen eine Atlantikrunde machen wollten. Als wäre es schon immer so gewesen, teilten wir nun unsere Leben. 

Der Tag, den wir als offiziellen Anfang unseres gemeinsamen Lebens festlegten, war der 25. April 2015, also ziemlich genau vor 10 Jahren. Vielleicht habt ihr mitgerechnet und ebenfalls festgestellt, dass ich Christian nun schon mehr als die Hälfte meines Lebens lang kenne. Unglaublich, denn es ist immer noch genau so schön zusammen wie am ersten Tag! 

Unseren Jahrestag verbrachten wir auf See. Die Vorhersagen für unsere 4-tägige Überfahrt von der Dominikanischen Republik zu den Bahamas war günstig, also verließen wir Samaná Richtung Norden. Unsere Überfahrt war ehrlich gesagt relativ unspektakulär. Mit halbem Wind kamen wir schneller voran als erwartet und unser Motor musste zum Glück nicht allzu viel mithelfen. Die Bahamas sind ein riesiges Gebiet und da wir diesmal gern die nördlich gelegenen Abaco-Inseln erkunden wollen, beschlossen wir, möglichst weit nach Norden durchzufahren. 

Gestern kamen wir dann gegen Mittag in Rock Sound auf Eleuthera an und ankerten auf gerade mal 1,90m Tiefe in leuchtend türkisem Wasser. 

Zum Einklarieren mussten wir zum nahegelegenen Flughafen, einen 20-minütigen Dinghy-Ride entfernt. Die netten Damen am Zoll fertigten uns schnell ab und schickten uns dann weiter zur Einwanderungsbehörde. Hier erwischten wir die Beamtin allerdings scheinbar auf dem falschen Fuß, irgendwas an uns gefiel ihr offenbar nicht und so schickte sie ihren Kollegen los um unser Boot zu inspizieren. Da die Krassy allerdings vor Anker lag, unser Dinghy extrem klein und langsam und der Beamte eher etwas kompakter war, entschied er sich, die Krassy nur aus der Ferne zu inspizieren. Wir sollten uns im Ort auf der Pier treffen, er käme über den Landweg, wir fuhren mit dem Dinghy zurück. Als wir auf die weit draußen geankerte Krassy gezeigt hatten und alle Formalitäten erledigt waren, mussten wir für den Spaß noch eine Gebühr von 200 USD zahlen. Damit belaufen sich die Einklarierungskosten für die Bahamas auf insgesamt 500 USD, denn die Befahrenserlaubnis, die man braucht um hier zu segeln, kostet noch mal 300 USD. Teurer Spaß und wie wir im Nachhinein feststellten wahrscheinlich völlig unnötig, denn die teure Gebühr wurde offenbar für die „Inspektion“ erhoben. Wir vermuten ganz stark, dass uns die zickige Beamtin eins reinwürgen wollte… hat geklappt! 

Wir lassen uns aber trotzdem nicht den Spaß an den Bahamas verderben. Hier ist es wunderschön und zu wissen, dass wir auf eigenem Kiel bis hier her gesegelt sind, macht uns schon ein bisschen stolz… Da Rock Sound eine kleine Ortschaft hat, gingen wir uns nach der langen Überfahrt erst mal die Beine vertreten. Der einzige Supermarkt war geschlossen, aber auf dem Weg dort hin kamen wir an einer knallbunten, kleinen Hütte vorbei, in der Gemälde in allen Farben und Größen ausgestellt waren. Der Künstler werkelte gerade auf der anderen Straßenseite an weiteren Bildern herum und rief uns zu sich. Er gab uns ein paar Tipps, was wir uns hier noch unbedingt anschauen sollten, packte ein paar Brocken Deutsch aus, die er in der Schweiz gelernt hatte und brach zwischendurch immer wieder in schallendes, ansteckendes Gelächter aus. Herrlich, so einen gut gelaunten Menschen zu treffen! Nachdem er unter weiteren Lachern noch ein paar Fotos von uns vor einer von ihm bemalten Wand gemacht hatte, zogen wir weiter. Eigentlich hatten wir vorgehabt unseren Jahrestag nachträglich mit einem schicken Abendessen zu feiern, aber wie so oft waren wir zu früh dran und alle Restaurants waren noch geschlossen. Wir waren von der Überfahrt noch hundemüde und so fielen wir nach einer großen Portion Nudeln mit Tomatensauce einfach ins Bett. 

Nachdem wir heute doch noch mal im kleinen Supermarkt einkaufen konnten (so viele Kakerlaken haben wir lange nicht mehr gesehen…), kamen wir noch mal bei Warren, dem verrückten Künstler vorbei. Er freute sich diebisch darüber, dass wir händchenhaltend die Straße entlang liefen und als wir ihm sagten, dass wir schon seit 10 Jahren zusammen sind, konnte er nicht glauben, dass wir uns trotzdem noch so gern haben! Warren war wieder richtig gut drauf und er schenkte uns – einfach so – einen ganzen Berg Obst, Mangos, Papaya und Dallies, eine Frucht, die wir bisher noch gar nicht kennen. Wir kauften ihm daraufhin ein Bild ab, denn nachdem wir die exorbitanten Preise im Supermarkt gesehen hatten, hatten wir ein mächtig schlechtes Gewissen, sein Obst einfach so anzunehmen. Außerdem ist ein Bild dieses gut gelaunten Menschen ein wirklich schönes Andenken! Warren schenkte uns darauf hin gleich noch ein zweites Bild und wir werden für die beiden Malereien jetzt einen Ehrenplatz auf der Krassy finden. 

Eigentlich wollten wir heute weiter fahren um uns eine schönere Ankerbucht etwas weiter im Norden Eleutheras zu suchen, aber ein grau verhangener Himmel und der ein oder andere Platzregen lassen uns doch noch verweilen. Außerdem hat uns Warren von einer Höhle erzählt, die wir natürlich unbedingt noch besuchen wollten. 

Der Spaziergang zur Höhle führte uns an einer reichlich vermüllten Hauptstraße entlang, bis wir ein Schild erreichten, das ganz offensichtlich von unserem Künstler Warren gemalt war. Die Höhlen waren unerwartet toll! Wir tauchten ein in eine Welt wie aus Herr der Ringe und erwarteten hinter jeder Ecke die fiese Spinne hervorspringen zu sehen, die Frodo in den Cocon eingewickelt hat. Den Namen Cathedral Cave hat jemand hier sehr passend gewählt, denn durch die hohen Decken bekommt man einen leicht sakralen Eindruck in der von Spinnennetzen übersäten Höhle. Das besondere sind hier die Löcher in der Höhlendecke, denn nicht nur scheint hier das Licht auf einen hinunter als würden die Götter einen direkt auserwählen, hier wachsen auch die Wurzeln der Bäume meterweit senkrecht nach unten. Die verflochtenen Wurzelstränge sehen dabei aus wie riesige Säulen und an einigen stellen wirkt es sogar so, als würden sie direkt aus dem Stein wachsen. Wenn man genau hinsieht und -hört, dann kann man auch die Fledermäuse entdecken, die wie schwarze Taschentücher von der steinigen Decke hängen. Ab und zu flattert mal eine herum und immer wieder hört man ihr typisch hochfrequentes Quietschen. Wir kletterten also durch die Höhlen und erkundeten diese einzigartigen Felsformationen. In die dunklen Ecken krochen wir allerdings nicht hinein, da hört bei mir der Spaß auf. 

Es hat sich gelohnt, heute doch noch hier zu bleiben, denn die Höhlen zu verpassen wäre wirklich schade gewesen. Außerdem konnten wir den Tag auch noch ein bisschen dazu nutzen mal wieder in alten Fotos zu stöbern. Ich bin ja mal gespannt, ob ihr uns auf den 20 Jahre alten Bildern noch erkennt.

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6 thoughts on “Die Liebe meines Lebens 

  1. Herzliche Glückwünsche zum 10jährigen! Wie sehr ihr zusammen passt, zeigt ja, dass ihr es solange auf engsten Raum miteinander aushaltet, das können nicht viele. Die Fotos aus der Höhle sind wirklich beeindruckend, zum Glück sieht man die Spinnweben nicht 🕸️🕷️.
    P.S. diese Woche gibt es bei Edeka Ananas für 1,99🍍
    Liebe Grüße von Armin und Anja

    1. Vielen Dank! ☺️ Ja, wir gehen uns (meistens) nicht gegenseitig auf den Keks, wenn wir hier aufeinander rumsitzen. 😂 Manchmal dürfte die Krassy aber schon etwas größer sein…

      Ananas für 1,99? Kaufen!!😎

      Liebe Grüße von den Bahamas!

  2. Hallo ihr zwei.
    Was für ein schöner Bericht aus der Vergangenheit und Gegenwart. Glückwunsch zum Jahrestag.
    Und noch eine wundervolle Weiterfahrt bzw erstmal noch schönen Aufenthalt auf den Bahamas.
    Viele Grüße Thomas

    1. Moin Thomas,

      vielen Dank! Ja, Steffi hat das mit dem Schreiben schon raus, sollte sie hauptberuflich machen. ☺️

      Wir genießen weiterhin die Zeit zusammen und ganz besonders natürlich jetzt die Bahamas.

      Liebe Grüße!

  3. Huch ihr Lieben, ich dachte der wunderbare Artikel von Steffi endet in einem Verlöbnis !!!🫶
    Na ja, ist garnicht nötig, ihr seid auch so ein tolles Paar. Herzlichen Glückwunsch zum 10jährigen.
    Wir touren gerade dich Süditalien und haben eine Papstwahl und ein Erdbeben (Nespel) erlebt. Lassen Nix aus.
    Ganz liebe Grüße von Achim und Angela

    1. Ach, wenn man so lange zusammen ist, dann ist der Trauschein doch nur noch ein lästiger Verwaltungsakt! 😂 Vielen Dank für eure Glückwünsche, 10 Jahre schaffen ja auch nicht alle.

      Cool, dass ihr wieder unterwegs seid! Und Italien war ja nun absolut die richtige Wahl. Eine Papstwahl hautnah mitzubekommen ist ja auch mal was. Weiterhin viel Spaß und wir freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen!

      Liebe Grüße!

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