St. George, Grenada
Nachdem unser Besucher Jens uns wieder verlassen hatte, beschlossen wir für unsere Zeit auf Grenada abwechselnd einen Tag gemütlich zu machen und einen Tag mit Ausflügen zu verbringen. Grenada hat viel zu bieten, aber nach den aufregenden vergangenen Wochen tut es uns auch mal ganz gut ein bisschen langsamer zu machen. Und nirgendwo geht das besser als im tiefenentspannten Grenada. Außerdem ist es hier so heiß, dass man ohnehin nicht in einer Tour durchpowern kann. Ein bisschen Limin‘ ist hier also Pflichtprogramm…
Nach Jens Abreise machten wir es uns an Bord erst mal gemütlich. Christian brachte unsere leere Gasflasche zum Auffüllen weg und machte ein bisschen Routenplanung während ich mit Textilfarbe und Pinsel meinen ausgebleichten Schuhen neues Leben einhauchte. Die sahen schon echt oll aus, sind aber leider total bequem, vor allem in der gnadenlosen Hitze hier.
Gegen Nachmittag wollten wir uns ein bisschen abkühlen. Dafür gehen wir meistens eine Runde in dem kleinen Pool der Marina schwimmen und ziehen dann tropfnass direkt weiter zu den klimatisierten Duschräumen. Wenn man auch nur 5 durchnässte Minuten in den eiskalt temperierten Waschräumen verbringt ist man schon maximal erfrischt und wenn uns schon mal solch luxuriöse Duschen zur Verfügung stehen, dann wollen wir sie auch ausgiebig nutzen!
Beim Plantschen im Pool lief diesmal allerdings nicht alles wie geplant. Der Pool ist wie gesagt recht klein, vielleicht so 12-15 Meter lang und das Wasser ist nur sehr leicht gechlort. Die Wände des Pools sind nicht, wie man es so kennt, gekachelt, sondern statt dessen mit einer Art Anti-Rutsch-Farbe gestrichen, die für eine raue Oberfläche sorgt. Warum das wichtig ist, erfahrt ihr, wenn ihr jetzt weiter lest…
Wir beide schwammen ein paar gemütliche Bahnen, plauschten dabei wie alte Omas beim Kaffeekränzen und legten immer mal wieder Päuschen am Beckenrand ein. Als wir mal wieder eine Bahn schwimmen wollten (nix olympisches, sondern eher ganz gemütlich – zumindest bei mir), tauchte Christian ab um nun doch mal ein bisschen den Blutdruck hochzujagen. Sportlich stieß er sich von der Wand ab und schoss torpedogleich durchs Wasser. Ich wunderte mich noch kurz, dass Christian ganz schön weit tauchte, als er etwas benebelt auftauchte und nur meinte „Autsch!“.
Auf Christian‘s Stirn prangte eine leuchtend rote Schürfwunde von der Größe einer Euromünze! Der alte Blindfisch war so pfeilschnell durchs Wasser geglitten, dass er das andere Ende des Pools nicht hatte kommen sehen und war mit dem Kopf in der Wand eingeschlagen. Die raue Oberfläche der Pool-Innenwände hatte ihr übriges getan und eine obere Hautschicht als Zoll verlangt. Bei allem Mitleid mit der nässenden Verletzung konnte ich in dieser Situation nicht anders als in herzhaftes Lachen auszubrechen! Man könnte auch sagen: Pool: 1 – Christian: 0.
Ich schickte Christian direkt in die Dusche, denn so war es erst mal vorbei mit Plantschen. Als wir uns anschließend an Bord wieder trafen, saß der arme Kerl mit bedröppelter Miene und einem leuchtend weißen Pflaster auf der Stirn da. Komischerweise wollte er sich in den nächsten zwei Tagen auch nur sehr ungern fotografieren lassen – versteh ich gar nicht…



Als Entschädigung gab es am Abend nach einem kurzen Ausflug in die Stadt und zum Obstmarkt dann aber noch einen leckeren Roti im Grenada Yacht Club auf der anderen Seite der Bucht. Davon hatten wir jetzt seit 7 Jahren geträumt, denn die Rotis in der gemütlichen Hafengastronomie hatten schon auf unserer letzten Reise zu den Highlights gezählt. Falls ihr euch jetzt übrigens fragt, was denn nun schon wieder ein Roti ist – das ist eine Art Teigfladen, ähnlich wie ein Burrito, aber gefüllt mit einem leckeren Curry, wahlweise mit Hähnchen, Gemüse, Fleisch, Fisch oder Lambie (Muschelfleisch). In Bremen gab es übrigens sogar mal ein kleines karibisches Restaurant, dass diese Leckerei angeboten hat, aber leider hat der Laden die Pandemie nicht überlebt.
Nach unserem Gammeltag war es wieder Zeit für einen Ausflug. In der Mitte der Insel gibt es einen kleinen Kratersee, den Grand Etang (so heißen in der Karibik übrigens fast alle Seen…). Hier kann man eine kurze Wanderung um den See machen und dann direkt noch zum angrenzenden Mount Qua Qua (der heißt wirklich so, das hab ich mir nicht ausgedacht!) hoch wandern, von dem aus man eine tolle Aussicht auf den See haben soll. So zumindest behauptet es Google.
Wir packten also einen kleinen Rucksack mit einer Flasche Wasser, Mückenspray und was man eben sonst noch so braucht und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Schon bei unserem letzten Besuch auf der Insel hatten wir eine ähnliche Wanderung unternommen, damals zum Seven Sisters Wasserfall, und waren dabei mit unseren Wanderschuhen völlig über-ausgestattet gewesen. Fast alle, die uns damals entgegen gekommen waren, hatten Flip Flops oder ähnlich stabiles Schuhwerk angehabt. Da ich also meine schweren Wanderstiefel in der Hitze eh ungern anziehen wollte, ging ich in Sneakern los (zumindest die stabilen Sneaker).
Zum Grand Etang fährt ein Bus vom zentralen Busbahnhof in St. George ab, also mussten wir einmal umsteigen. Ich glaube zum Busfahren auf Grenada haben wir noch nicht so viel erzählt, aber jede Busfahrt auf dieser Insel ist ein Erlebnis für sich! Wir reden hier nicht über die uns bekannten großen Linienbusse, sondern über kleine Transporter, die in der Regel hinter dem Fahrer noch vier Sitzreihen haben. Die Busse sehen alle unterschiedlich aus, es gibt aber definierte Buslinien und vorn an der Windschutzscheibe ist ein großer Aufkleber mit der Liniennummer und den Haltestellen angebracht.
Neben dem Fahrer gibt es meistens noch einen – wir nennen ihn – Ranwinker. Das ist ein Typ, der auf dem Platz neben der Schiebetür sitzt und halb aus dem Fenster gelehnt die vorbeilaufenden Leute – Überraschung – heranwinkt. Er ist auch dafür zuständig so viele Menschen wie möglich in den kleinen Bus reinzuquetschen, den Fahrer aufmerksam zu machen, wenn er anhalten soll und natürlich sammelt er auch das Geld für die Fahrt von den Passagieren ein. Ein wichtiger Job also! In den Bussen läuft – je nach Geschmack des Fahrers – meistens eine eigene Playlist mit Soca-Musik, die nicht selten voll aufgedreht wird. Komplett gefüllt fasst so ein Minibus bis zu 19 Menschen, die sich mehr oder weniger gemütlich aneinander kuscheln. Die Fahrten sind meistens ziemlich rasant und machen dementsprechend viel Spaß, vor allem wenn man die hinterste Sitzbank erwischt, auf der man ordentlich durchgeschüttelt wird. Mit der Musik, dem Fahrtwind, der durch die offenen Fenster hereinkommt und der herzlichen Atmosphäre, die meistens hier vorherrscht, sind die Busfahrten ein unvergessliches Erlebnis!
Als wir also nach einer knappen halben Stunde Fahrt mit einem Umstieg am Grand Etang See ankamen ergoss sich gerade ein epischer Regenschauer über uns. Wir schafften es gerade noch dem Ranwinker das Geld für die Fahrt zuzuwerfen und retteten uns dann unter ein Vordach, wo wir den nicht enden wollenden Wolkenbruch abwarteten. Statt einer Sonnenbrille hätte ich vielleicht lieber einen Regenschirm einpacken sollen, schoss es mir noch durch den Kopf…








Regen ist hier in der Karibik nichts besonderes und ein Schauer ist in der Regel schnell durchgezogen und weggetrocknet. Uns schwante allerdings, dass dieser Wolkenbruch eventuell den Pfad etwas aufgeweicht haben könnte. Die Rezensionen dieser Wanderung sagten zumindest, dass es bei Regen auf dem Pfad etwas rutschig sein könnte.
Wir wollten es trotzdem versuchen, denn neben einer netten Aussicht sollte es hier auch freilebende Affen geben, die man unterwegs im Urwald sehen könnte. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen!
Um die Wanderpfade zu benutzen muss man an einem Tickethäuschen eine kleine Gebühr entrichten. Von dort aus wurden wir zu einem Besucherzentrum geschickt, wo wir uns in eine Liste eintragen mussten, wenn wir den Mount Qua Qua besteigen wollten. So wird sichergestellt, dass hier niemand auf dem Weg verloren geht. Im Besucherzentrum erfuhren wir, dass der Rundweg um den See nicht begehbar sei, den Berg könnten wir aber erklimmen. Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht deutete die junge Dame im Besucherzentrum auf eine dichte Nebelbank und meinte dann mit kaum verhohlenem Lachen in der Stimme „Mit ein bisschen Phantasie könnt ihr euch den Aussichtspunkt etwa da drüben vorstellen“.
Wir wollten die blöden Affen sehen, also stiefelten wir im Nieselregen los. Wir hatten noch nicht mal richtig den Pfad erreicht, da prasselte dann auch schon der nächste Schauer auf uns herab! Notdürftig retteten wir uns unter ein paar Bäume, die uns mehr schlecht als recht vor dem Regen schützten und binnen Minuten waren wir schon ordentlich durchnässt. Egal, weiter. Das trocknet wieder!
Vom See war im Nieselregen nicht allzu viel zu sehen. Wir witzelten schon herum, bauten aber immer darauf, dass es sicher noch aufklaren würde.
Als wir dann den eigentlichen Wanderpfad erreichten erwartete uns eine matschige Rutschbahn… Im schlammigen Boden waren Stufen abgesteckt worden, an denen wir noch ganz gut voran kamen, meine weißen Sneaker stellten sich aber sehr schnell als nur bedingt geeignetes Schuhwerk heraus. Von wegen Flip Flops… Wir kämpften uns eine ganze Weile vorsichtig den rutschigen Pfad entlang und sagten uns, dass es hier bei Sonnenschein sicher wunderschön wäre. Der Regen ließ die ganze Zeit über nicht so recht nach und so langsam wurde die Wanderung eine Mischung aus Miss-Wet-T-Shirt-Kontest und Tough Mudder Lauf. Unsere Schuhe hatten mittlerweile eine dicke braune Schlammschicht angesammelt und bei jedem Schritt lief man Gefahr entweder auszurutschen oder in eine tiefe Pfütze zu treten. Es hatte keinen Zweck! Als wir auf einem kleinen Hügelkamm ankamen entschieden wir uns endlich umzukehren. Der Weg rauf war ja noch ok, aber wir mussten auch wieder runter. Wie ihr ja vielleicht mittlerweile mitbekommen habt laufe ich deutlich lieber Berge runter als rauf, aber in diesem Fall war das ausnahmsweise anders. Der Schlamm war stellenweise so glitschig, dass wir versuchten uns an den umstehenden Bäumen festzuhalten, während wir abstiegen und natürlich war es irgendwann so weit, dass die glatten Sohlen meiner Schuhe wegrutschten und ich im Matsch landete! Außer einem schlammigen Fleck am Rücken passierte nichts, aber natürlich hatten wir beiden Anfänger an alles gedacht, außer an Wechselkleidung… Egal, nass war eh schon alles, jetzt wars eben schmutzig und nass… Auch Christian rutschte einige Male mit seinen Wanderschuhen aus, konnte sich aber immer noch gerade so auffangen.


















Zurück am Besucherzentrum suchte ich mir an einem der vielen Souvenirstände ein neues Kleid aus, ging damit zu den Waschräumen, die zum Glück für schlammige Wanderer spezielle Waschbecken vorsahen und zog mich um. Notdürftig wuschen wir uns den Matsch von Schuhen und Waden und stellten dabei fest, dass wir in guter Gesellschaft waren. Ein amerikanisches Pärchen war ebenfalls von den Matschmonstern angegriffen worden. Sie hatte sich dabei offenbar einmal richtig ordentlich hingesetzt, denn sie war noch deutlich schlammiger als ich und hätte man nicht gewusst, dass sie gerade auf einem lehmbraunen Wanderpfad unterwegs gewesen war, hätte man unangenehme Schlüsse aus der Farbe ihres Hinterteils ziehen können…
Während wir versuchten uns zu trocknen und vom Matsch zu befreien, sollen übrigens ein paar Affen am Besucherzentrum vorbeigeschaut haben. Die haben wir natürlich verpasst, aber da es ohnehin immer noch regnete entschieden wir noch ein Weilchen zu bleiben und darauf zu hoffen, dass sich die blöden Affen noch mal blicken lassen würden. Mittlerweile war es früher Nachmittag, es regnete Bindfäden und die Tourigruppen vom Vormittag waren alle wieder verschwunden. Wir mussten feststellen, dass man den besten Ausblick auf den See ganz einfach vom Besucherzentrum aus hatte und als sogar die Souvenirläden anfingen ihre Sachen einzupacken, gaben auch wir auf. Dieser Ausflug war irgendwie nicht ganz so verlaufen, wie wir uns das erhofft hatten. Aber wahrscheinlich werden wir uns viel länger an die kleine Schlammschlacht vom Mount Qua Qua erinnern als es der Fall gewesen wäre, wenn das eine ganz normal Wanderung zu einem ganz normalen Aussichtspunkt gewesen wäre. Und immerhin hab ich ein hübsches neues Kleidchen bekommen.