Ein lang gehegter Traum – Gastbeitrag von Mitsegler Jens

Port St. Charles, Barbados

Kennt jemand das sagenhafte Spiel Pirates von Sid Meyer ? Ein tolles Simulationsspiel aus den 80er Jahren, das in der Karibik zur Kolonialzeit spielt. Man fährt mit einem kleinen Boot zwischen den Karibischen Inseln herum und muss Adelstitel sammeln, Schiffe und Städte erobern und seinen Reichtum mehren. Ohne nachzusehen fallen mir heute immer noch direkt die verschiedenen Bootsklassen ein, die man im Spiel erobern musste. Im zarten Alter von 10 Jahren hatte mich dieses Spiel in den Bann gezogen und die Karibik tief in den Unwinden meinen Gehirns verankert.

Diesen Sommer war ich in Enkhuizen und Medemblick und habe Christian kurz vor seiner Abfahrt ein Bild der Hafeneinfahrt geschickt. Ich musste kurz überlegen und feststellen, dass wir vor 25 Jahren hier das erste Mal zusammen segeln waren. In den ersten Studienjahren riss der Kontakt auch wegen der Distanz zwischen Hamburg und Karlsruhe etwas ab, um zu Christians 30. Geburtstag wieder aufzuleben. Nach einer kurzen Diskussion stand der Beschluss fest: Wir gehen auf die Nordsee segeln. Es folgten einige Törns auf Nordsee und Ostsee, die zügig auf das Mittelmeer mit urlaubswilligen Freunden erweitert wurden. Mit wunderbaren Erinnerungen an Maiks Kacke Tüte, Ivis Disput mit unseren koksenden Nachbarn und tollen Ankerbuchten mit dem besten Gin-Tonic auf Mallorcas Cabrera, den ich je getrunken habe, bleiben davon zurück. In einer dieser Planungsrunden tauchten bereits die British Virgin Islands als mögliches Ziel auf, die jedoch jäh vom studentischen Budget kastriert wurden.

Steffi stieg bei einem Trip in die schwedischen Schären mit dazu. Der Wunsch über den Atlantik zu fahren war bei Christian fest verankert. Steffi dagegen war noch eher auf Landtouren fokussiert und so drehte sich dieser Törn darum ihr diese große Reise schmackhaft zu machen. Ich erinnere noch gut wie wir so ein Mann über Bord Manöver durchgesprochen haben. Bei einem Mann über Bord ist die Person im Wellengang kaum zu erkennen und man entfernt sich in Fahrt unheimlich schnell und viele Dinge müssen gleichzeitig beherrscht werden, damit derjenige eine gute Chance hat zu überleben. UNTER KEINEN UMSTÄNDEN VON BORD FALLEN ! Der Blick den sie mir gab, lies noch Zweifel erkennen, ob eine Atlantiküberquerung diese beste Idee ist und hat sich bei mir eingebrannt. Nach dem Törn war der Entschluss der beiden jedoch gefasst und die Risiken ausreichend bekannt.

Der nächste Versuch in die Karibik zu kommen war quasi ausgeschlossen. Der erste Atlantik Rundtrip von Christian und Steffi fiel genau in die Zeit wo der Sohnemann in Mamas Bauch heranwuchs und man bei der Geburt besser nicht in der Karibik ist. Mit einem sehnsüchtigen Auge musste ich also zusehen wie die ganzen Pirates Inseln einfach abgefahren wurden ohne, dass ich auch nur einmal an Bord war.

Nun bot sich also ein zweites Fenster an endlich dieses Ding von meiner Todo Liste streichen zu können. Mit säuselnden Verhandlungen musste die Familie von meinem Plan überzeugt werden. Der Sohnemann war direkt Feuer und Flamme als er von Haien und Meeresschildkröten hörte, um dann umso trauriger zu sein als die Verhandlungen damit beendet wurden, dass er nicht mitdurfte. Trotzdem will ich mich hier nochmal explizit bedanken. Vielen Dank Familie ! Die letzte Hürde habe ich dann damit gerissen den Hinweis bei einer Nasennebenhöhlenentzündung nicht zu fliegen einfach zu ignorieren und mich mit Nasensprays und Schmerztabletten für den Flug zu bewaffnen.

Nun habe ich es endlich geschafft und bin auf Barbados. Vom 2° kalten verregneten grauen Karlsruhe bin ich im 28° warmen und sonnigen Barbados gelandet. Da Christian und Steffi noch auf hoher See waren, konnte ich die Insel 2 Tage intensiv alleine erkunden.

Am Flughafen gibt es verschieden Transportmöglichkeiten. Touris nehmen gerne die Taxis aber das war nicht meins. Ich wollte gerne Bus fahren und fragte mich durch wie ich nach Oistins kommen würde. Ich stieg in den nächsten Bus ein und war verwundert, dass die Kontrolletti-Dame erstmal nicht abkassiert hatte. Das Bündel Geld in der Hand lies nichts Gutes erahnen außer die Nachricht, dass Deutschland nicht das letzte Land ist, wo Cash der König ist. Ohne Barbados Dollar rettete mich die einzige weitere Touristin mit 2 US Dollar und bezahlte mir die Fahrt. Die Busse sind 30 Jahre alt, es dröhnt laute Black Musik aus ansehnlichen Soundsystemen und der Schaltknüppel wurde durch einen Gussplastikblubberblasen-Steuerknüppel ersetzt. Faszinierend ist, wie aggressiv die Kontrolleties nach Mitfahrern suchen und teilweise nochmals den Taxi-Bus zurücksetzen, um jemand in einer Seitenstraße einzusammeln, der mir nicht im Ansatz aufgefallen wäre. Wenn auch sehr robust teils lebensmüde im Transport sind die Bus-Taxis das Rückrad der Transportsystems auf Barbados. Und sie kommen wirklich fast alle 5 Minuten auf derselben Route. Wahnsinn. 

Kehrseite der Medaille den Bardans, wie die einheimischen hier heißen, gehören die Taxi-Busse nicht. Sie sind angestellte Fahrer und arbeiten für jemand anderen. Ein Muster das sehr auffällig in Barbados ist. Man hat das Gefühl die reichen Europäer und Amerikaner kommen in der Saison zwischen Dezember und April hier her und bauen durch die immensen Finanzflüsse eine Art moderne Sklaverei auf in der das kreolische Volk als Servicepersonal freundlich Dienerschaft leistet. Die Vermieterin berichtete, dass es keine Kriminalität bei Touristen gäbe, weil jeder spätestens seit Corona verstanden habe, was es bedeutet, wenn die Finanzflüsse ausbleiben.

Ausgestiegen und erstmal in die falsche Richtung geschickt lief ich durch ein kleines einheimisches Viertel in Oistins. Oistins ist bekannt für seinen Fischmarkt der auch insbesondere freitags zu einem regen Besucherstrom führt. Überall pickten freilaufenden Hühner. Ein Anwohner, der sich auf der Motorhaube einen Joint drehte und mich mit hochgezogener Augenbraue ansah, wunderte sich wohin ich wohl gehen möge.

Mit ein bisschen Google Maps Hilfe kam ich an, wo ich sein sollte. Dort angekommen wurde mir der Fernseher präsentiert mit dem Hinweis ich könne auch deutsches Fernsehen gucken und es gäbe 18000 ! Fernsehkanäle. Wenn es einem so einfach gemacht wird bloß nicht aus seiner sozio-kulturellen Blase auch nach 1000den Kilometern Entfernung austreten zu müssen habe ich nur noch die Hoffnung in die nächste Generation, dass die das wieder anders macht.

Am nächsten Tag wurde mir das Surfers Cafe zum Frühstück empfohlen, was mit einem Fenster direkt am Meer in Oistins begeistern konnte. Auch das gereichte Avocado Brot am türkisblauen Wasser vermittelt einen Eindruck was die Menschen hierher zieht. Auf dem Hin und Rückweg zu dem Cafe fällt aber eins sehr deutlich auf: Das Paradies hat ein Müllproblem, was mit Sizilien in Wettbewerb treten kann. Meine Ausflüge in die touristisch und touristisch nicht erschlossenen Gebiete haben mich etwas schockiert. Überall Müll. An Straßenrändern, in den Siedlungen von Einheimischen, am Meer und Durex Packungen an schönen Meer-Aussichtspunkten.

Scheinbar hält das die Leute nicht davon ab hier ihre Häuser zu kaufen. Ein Luxusanwesen wurde mit 47 Millionen US Dollar angepriesen, wohl gemerkt für eine Wohnung von vieren in dem Luxusanwesen. Günstige Anwesen starten hier bei 400.000 US Dollar. Meine zweite Unterkunft war deutlich billiger und hat sich in einer einheimischen Siedlung befunden. Man bekommt einen Eindruck womit ein Einheimischer hier zufrieden ist. Ein ca 30qm großes Haus mit Bett, kleiner Küche und Badezimmer. Es ist trotz gemauerter Steine etwas unheimlich sich vorzustellen hier einen Hurricane abwettern zu müssen. 

Der letzte Hurricane, der hier vorbeizog war im Juli 2024 Beryl, der viele Rekorde brach. Als er an Barbados vorbeizog und die Grenadinen traf war er ein Kategorie 4 Hurricane. Nach dem Durchzug ging er auf Kategorie 5 hoch mit Windgeschwindigkeiten von 270km/h. Wir werden wohl noch sehen wie er die Grenadinen verwüstete. Hier auf Barbados hat die Fischereiflotte zu 90% verwüstet und viele Gebäude schwer beschädigt. Die Werft in Oistins hatte Schiffswracks, die meiner Meinung nach kein Mensch ernsthaft wieder aufbauen würde und doch sah ich einige, die am Wochenende ihre Einkunftsquelle nicht aufgeben wollen.

Wem diese Randbedingungen gefallen, der darf hier für ein Jahr ein Arbeitsvisum beantragen, was jährlich verlängert werden kann. Ich entscheide mich vorerst für die Ausreise nach Bequia auf den Grenadinen auf einem wunderbaren Segelschiff mit guten Freunden, um später über Barbados wieder zurückzufliegen.

Jens

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1 thought on “Ein lang gehegter Traum – Gastbeitrag von Mitsegler Jens

  1. LIEBER PAPA
    ICH FREUE MICH DASS DU GESCHRIEBEN HAST.
    SCHICKST DU MIR EINE POSTKARTE?
    ICH WÜNSCHE MIR EINE MEERESSCHILDKRÖTE.
    NILS

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