Ein rundum perfekter Tag

Cowes, Isle of Wight, Großbritannien

Gestern Nachmittag entschieden wir nach einem weiteren etwas lahmen Tag an Bord, dass wir dringend die Krassy umparken müssen. In den 5 Tagen in Brighton haben wir letztenendes an 4 verschiedenen Liegeplätzen gelegen. Zuerst rückten wir an unserem Steg immer weiter vor um dem Wind zu entkommen, zuletzt lagen wir dann aber so weit vorne am Steg, dass wir fürchteten dort nicht mehr weg zu kommen. Der Wind drückte uns von schräg hinten an den Steg und wie ihr ja wisst lässt sich die Krassy nur sehr schwer rückwärts irgendwo rein oder raus manövrieren. Christian hatte sich schon fast in eine kleine Panik geredet, denn wir wollten morgens früh los und er fürchtete, dass wir gegen den Wind und dann auch noch im Dunklen nicht von unserem Platz weg kämen. Kein Problem, das war eindeutig ein Fall für Super-Steffi! Wir entschieden uns los zu machen, den Bug zum Steg einzudrehen, Rückwärts mit ordentlich Schwung ein Stück raus zu fahren (hinter uns lag natürlich ein Katamaran…) um dann mit Schmackes den Bug durch den Wind zu drücken und auf der anderen Seite des U-förmigen Steges wieder anzulegen. Also cool bleiben und los. Christian machte die Leinen, ich den Rest. Mit dem Gashebel fast am Anschlag drehte sich die Krassy in der relativ engen Stegeinheit beinahe wie auf dem Teller und bevor wir uns versahen lagen wir auch schon wieder fest. Christian hörte gar nicht mehr auf zu grinsen! 

Als dann heute früh um 5 Uhr der Wecker klingelte (ich verfluche dich, Gezeit!), konnten wir ganz entspannt vorwärts rausfahren, zogen noch im Hafen bei Büchsenlicht das Großsegel hoch und konnten unseren Kurs Richtung Solent direkt anlegen. Wir hatten einen vollen Segeltag vor uns und rechneten mit einer Ankunft gegen 18 Uhr, also nahm ich vorsichtshalber eine Reisetablette. Gut verpackt im Frühstück hoffte ich, die würde mich diesmal nicht so müde machen. Falsch gedacht. Die Tablette schoss mich wieder für 3 volle Stunden ins Lummerland und Christian segelte währenddessen die Krassy mit Höchstgeschwindigkeit auf unser Ziel zu. Zwischenzeitlich machten wir wohl spektakuläre 8 Knoten Fahrt über Grund. Ich muss das wohl so glauben, denn ich war ja nicht dabei…..

Aber als ich endlich wieder aufwachte waren wir deutlich weiter gekommen als wir beide vorher angenommen hatten. Wir haben mittlerweile festgestellt, dass 4 Windstärken und Halbwind die optimalsten Bedingungen für die Krassy sind. Als ich eingeschlafen war sah ich in der Ferne vor uns noch einen anderen Segler, beim Aufwachen hatten wir den schon fast eingeholt und stellten fest, dass das andere Boot eine 44-Fuß Sun Odyssey, also ein modernes, leichtes Boot war. Kurze Zeit später hatten wir die große Yacht hinter uns gelassen, was Christian quittierte mit: „nur einen Hammer zu haben reicht nicht, du musst ihn auch benutzen können!“

Kurz vor unserer Abreise hatten wir uns eine brandneue Segelgarnitur aus einem Großsegel aus schwerem Offshore-Tuch mit 2 Reffreihen und einem Main-Drop-System und eine riesige Genua mit Triradialschnitt gegönnt. Unsere alten Segel hatten auf der letzten Reise ziemlich gelitten und mussten aufgrund der Schäden durch die hohe UV-Strahlung mehrmals geflickt werden. So ein Satz Segel ist eine echte Investition, aber an Tagen wie heute merken wir ganz besonders, wie sehr sie sich gelohnt hat. Wir sind mit den neuen Segeln deutlich schneller unterwegs als früher und die große Genua können wir sogar halb eingerollt am Wind noch super fahren. Das ging mit der alten überhaupt nicht gut. Auch das Main-Drop-System, auf dem ich ein wenig bestanden habe, hat sich als große Erleichterung herausgestellt. 

Falls euch das nichts sagt, ein Main-Drop ist im Prinzip eine Tasche für das Großsegel, die direkt am Baum befestigt und nach oben in den Mast verspannt ist. Hiermit kann man das Segel einfach fallen lassen und dann den Reißverschluss der Tasche zuziehen. Das Segel ist ruck-zuck verpackt und auch gleich gegen UV-Strahlung geschützt. Christian hatte sich dagegen anfangs ein bisschen gewehrt, aber mittlerweile hat auch er das neue System sehr zu schätzen gelernt. 

Ich bin übrigens genau im richtigen Moment aus meinem Tiefschlaf aufgewacht. Gerade als ich mich aufrecht hingesetzt und mir die Augen gerieben hatte tauchte direkt vor der Krassy in der Mündung des Solent ein riesiger Delfin auf! Wir waren erst nicht ganz sicher, ob es nicht auch ein kleiner Wal gewesen sein könnte, aber wir sahen ihn noch ein paar mal auftauchen, zuletzt direkt neben der Krassy. Leider konnten wir kein Foto mehr von ihm machen. Der erste Delfin dieser Reise! Wie cool!!! 

Als wir im Solent ankamen war die See plötzlich spiegelglatt, der Wind wehte aber weiter wie zuvor. Durch die Abdeckung der Isle of Wight gibt es bei südlichen Winden so gut wie keinen Seegang und man hat das Gefühl auf einem kleinen Binnensee unterwegs zu seien. Überall um uns herum tauchten plötzlich unzählige Boote auf. Und auch hier gab es noch mal ein echtes Highlight, denn auf dem Solent zwischen dem Ort Ryde auf der Isle of Wight und Southsea auf dem Mainland verkehrt die letzte noch existierende Fährverbindung mit einem Hovercraft. Ich kann nicht erklären wo es herkommt, aber seit meiner Kindheit faszinieren mich Luftkissenboote zutiefst. Was für ein abgefahrenes Konzept! Tatsächlich sahen wir das Hovercraft sogar wie es in Ryde am Strand startete und über die Wellen flog. Die Strecke zwischen Ryde und Southsea legt dieses futuristische Gefährt in unter 10 Minuten zurück und ist damit die schnellste Fährverbindung die es hier gibt. Hätte es eine Gelegenheit gegeben wäre ich die erste, die für eine Fahrt in der Schlange gestanden hätte! Leider fällt der Yachthafen in Ryde trocken, den konnten wir also nicht anlaufen. 

Wir segelten weiter ins berühmte Cowes. Hier gibt es mehrere Häfen und unzählige Yacht-Clubs. Royal dies, royal das. Auch hier bekamen wir wieder einen Liegeplatz zugewiesen, der all unser Können forderte. Wir liegen wieder in einer Reihe zwischen zwei Stegen ganz hinten drin. Eigentlich hätten wir rückwärts in die Gasse fahren müssen, aber da das nicht geht, legten wir mit der Krassy wieder mal eine Pirouette hin und liegen nun unfassbarerweise mit dem Heck hinten in der Ecke am Steg. Auf dieses Manöver war ich heute schon ein bisschen stolz… 

Da die Krassy ja heute mal wieder ihren Booster gezündet hatte erreichten wir Cowes nicht wie geplant gegen 18 Uhr sondern lagen schon um 13.30 Uhr fest. Völlig unerwartet blieb uns also noch der ganze Nachmittag um den Ort zu erkunden. Und was soll ich sagen? Cowes ist ein kleines Juwel! Hier von einem Segel-Mekka zu sprechen ist fast schon eine Untertreibung! An jeder Ecke sind hier Bootsausrüster, Yachtclubs, Segelmacher und auch der bekannte Rettungswestenhersteller Spinlock, von dem auch unsere Westen sind (die sind super!), hat hier seinen Hauptsitz. Der kleine Ort besteht aus uralten Häuschen, die allesamt mit bunten Flaggen geschmückt sind. Entlang einer gewundenen kleinen Straße kann man durch die Ortschaft zur Promenade spazieren und dabei die wieder mal sehr ausgefallenen kleinen Läden bewundern. Rein zufällig hatte Christian heute sogar seine rote Hose an. Na sowas, der alte Seebär!

Neben den unzähligen Yachtclubs ist hier auch die Royal Yacht Squadron angesiedelt, deren Admiral der mittlerweile verstorbene Prinz Philip, Duke of Edinburgh, war. Man kann sich an diesem Ort sehr gut vorstellen, wie der Ehemann von Queen Elisabeth II. hier die Zeit mit seinen Kumpels aus der Royal Navy genossen hat. 

Nach unserer Segeltour hatten wir Hunger und setzten uns in eine Gastronomie mit einer wunderschönen Terrasse, von wo aus wir das Treiben im Solent betrachten konnten, während wir uns stärkten. Nach einem anschließenden Spaziergang an der Promenade entlang waren wir beide so richtig müde. Heute hatte endlich mal wieder den ganzen Tag lang die Sonne geschienen und das hat so richtig gut getan. 

Jetzt sitzen wir mit der Abendsonne im Cockpit und lassen diesen perfekten Tag ausklingen. Cowes war als Ziel heute eine wirklich gute Wahl. Schön, mal hier gewesen zu sein. 

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4 thoughts on “Ein rundum perfekter Tag

  1. Moin ihr zwei,
    ja die Hovercrafts… faszinierend! Ich kann mich noch gut an Calais vor langer Zeit (1991) erinnern. Wir standen mit unserem ersten Womo (VWLT Selbstausbau) in Sichtweite der Anlandeplätze und hatten gerade unser Essen auf dem Gasherd, als ein Hovercraft anlandete. Die Druckwelle war kräftig zu spüren und blies sogar unseren Gasherd aus🙄.

    Klasse euer Blog – vor allem auch die Hintergrund Infos und auch die Erklärungen für Landfahrer / Nix-Segler😎
    Liebe Grüße
    Peter und Ulrike

    1. Moin Peter,

      das muss ja mal ein lauter Stellplatz gewesen sein, die Dinger haben den halben Solent beschallt. Aber faszinierend sind sie wirklich!

      Freut uns, dass euch der Blog gefällt, wir geben uns Mühe, nicht zu sehr ins Segler-Latein zu verfallen.

      LG!

  2. Hi, das Newsletter-Abo funktioniert und es gibt wieder tollen Lesestoff! Der Ship-Tracker hatte natürlich verraten, wohin die Reise geht, die Beschreibung und die Bilder sind aber wieder um Längen besser. 😁 Prinz Philip hat sich übrigens mal in seiner unnachahmlichen Selbstironie als weltbesten Gedenktafel-Enthüller bezeichnet, das wertet die Tafel doch nochmal extra auf. Beste Grüße

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