Wight noise

Yarmouth, Isle of Wight, Großbritannien

Nach unserem gestrigen, sehr frühen Start konnten wir heute wieder ausschlafen. Es war angenehm ruhig im Hafen und so frühstückten wir ganz in Ruhe und brachen dann am späten Vormittag mit Ziel Yarmouth auf der Westspitze der rautenförmigen Isle of Wight auf. 

Es war sehr wenig Wind, dafür aber viel Sonne und schon nach kurzer Zeit musste unser Motor mithelfen. Egal, es war ein herrlicher Tag und so genossen wir die Fahrt in vollen Zügen, trotz des Rumpeln des Motors. Und wir waren mal wieder nicht allein, wie auf der Autobahn fuhren wir in Gesellschaft etlicher Segel- und Motorboote über den Solent. Erstaunlicherweise fast alle in Westrichtung, und das, obwohl die Strömung eigentlich nicht zu unseren Gunsten stand… 

Da die Strecke heute wirklich kurz war kamen wir wie ein altes Rentnerpärchen schon kurz nach dem Mittag im Hafen an. Yarmouth rühmt sich damit der freundlichste Hafen der Insel zu sein. Hier meldet man sich – wie so oft in Großbritannien – per Funk an. In Yarmouth wird man dann von einem Berthing Master, einem unglaublich coolen Typen in einem Dinghy, in Empfang genommen und bekommt einen Platz zugewiesen. Wir bekamen einen Platz im Päckchen, denn wir bleiben nur für eine Nacht. Festgemacht an einer brandneuen Rassy 340 kamen wir gleich mit unseren Nachbarn ins Gespräch. Die waren nämlich auch gerade in Cuxhaven und zwar auf dem Rückweg von der Insel Ellös in Schweden, wo sie ihr Boot aus der Hallberg-Rassy Werft abgeholt haben. Das Schätzchen ist also gerade mal ein paar Hundert Meilen gesegelt… 

Neben diesem niegel-nagel-neuen Hochglanzboot sieht die Krassy ganz schön vergilbt aus. Wir haben schon immer gesagt, dass die Farbe der Krassy nicht wirklich weiß ist, sondern eben eher so „Krassy-weiß“ also leicht gelblich, aber wie dunkel sie ist, war uns bisher noch nicht so extrem aufgefallen. Vielleicht müssen wir demnächst mal unser Polierzeug auspacken… 

Da wir nicht jeden Tag essen gehen wollen, machten wir uns ein leckeres Omlette und genossen noch ein wenig das Treiben hier im Hafen bevor wir zur obligatorischen Ortsbesichtigung aufbrachen. 

Yarmouth ist der kleinste Town in Großbritannien und hat laut dem letzten Zensus von 2011 nicht mal 900 Einwohner. In Großbritannien gibt es nicht wie in Deutschland eine Meldepflicht, daher können die Einwohnerzahlen immer nur per Zensus ermittelt werden. Hier kann man seinen Wohnsitz noch per Wasser- oder Gasrechnung nachweisen. 

Der kleine Ort liegt direkt am Fluss Yar, einem der beiden Flüsse der Insel. Das Örtchen selbst ist typisch britisch und besteht aus vielen winzigen, uralten Häuschen. Eine kleine Sehenswürdigkeit ist die alte Holzpier, die längste, der Öffentlichkeit zugängliche Pier ihrer Art. Die Pier ist sehr gut in Schuss und auf jeder einzelnen Holzbohle ist der Name der Spender eingraviert, die den Erhalt der Brücke ermöglichen. An der Spitze der Pier steht eine hübsch angemalte kleine Hütte, das war‘s dann aber auch schon. 

Eine weitere Attraktion im Ort ist das Yarmouth Castle, eine 1547 erbaute Befestigungsanlage, die den Hafen der Stadt vor französischen Invasoren schützen sollte. Die Franzosen hatten nur wenige Jahre bevor diese Artillerie-Anlage erbaut wurde, die Stadt niedergebrannt und die Kirchenglocken geklaut. Der Legende nach wurden diese nach Cherbourg oder Boulogne-sur-Mer gebracht.

Von unserem Liegeplatz aus können wir das Fort übrigens sehen, besichtigt haben wir es allerdings nicht. 

Yarmouth ist so klein, dass man den Eindruck bekommt, der Hafen nimmt mehr Fläche ein als der Ort selbst (was wahrscheinlich sogar so ist). Einen Supermarkt sucht man hier vergebens, stattdessen gibt es einen unglaublich überteuerten kleinen Laden, der Lebensmittel aus aller Welt für unverschämte Preise anbietet. Unser Rundgang durch den Ort war also in Summe eher kurz. 

Von Yarmouth aus kann man mit dem Bus zu den bekannten Needles fahren, einer Felsformation an der äußersten Westspitze der Insel. Die Isle of Wight besteht hauptsächlich aus Kalkstein und hier an der schroffen Küste stehen steil abfallende Kalksäulen, die man von einer Seilbahn aus besichtigen kann, die Needles eben. Wir hatten überlegt, den Bus dort hin zu nehmen, aber wir waren ein wenig spät dran und fahren wahrscheinlich morgen ohnehin auf der Seeseite an den Felsen entlang (mal sehen, wie dicht wir da vorbei kommen…). 

Die Isle of Wight selbst ist übrigens auch ein interessantes Fleckchen Erde. Ich habe gelesen, dass sie ursprünglich mal, also so vor ca. 8.000 Jahren zum Mainland gehörte und der Solent lediglich ein Fluss war. Aus irgendeinem Grund hat sich die Landmasse dann abgelöst und ist seit dem eine eigene Insel, in etwa halb so groß wie Singapur, die größte Insel Großbritanniens. 

Seit den Zeiten Queen Victorias, die hier eine Sommerresidenz und ihren Alterssitz erbauen ließ, ist die Insel beliebt bei Touristen. Neben dem Tourismus sind aber natürlich auch der Bootsbau und die Segelmacherei, sowie der Bau von Hovercraft-Booten und – erstaunlicherweise – Weltraumraketen die hauptsächlichen Wirtschaftszweige der Insel. Sogar Karl Marx lebte einige Jahre auf der Isle of Wight. 

Die wohl bekanntesten Festivitäten auf der Isle of Wight sind natürlich die Cowes Week, zu der jedes Jahr etwa hunderttausend Segler die Insel besuchen und Regatten fahren, sowie ein großes Musik-Festival. Dieses war im Jahr 1970 das bis dahin größte Festival aller Zeiten, größer sogar als Woodstock im Jahr zuvor. Damals spielten hier Musikgrößen wie The Who, The Doors, Jimi Hendrix, Joni Mitchell, Leonard Cohen, Jethro Tull und viele weitere. Man schätzt, dass damals ca. 600.000 Menschen zu diesem Festival kamen, die zu dieser Zeit größte Menschenansammlung aller Zeiten. Als das Festival im Jahr zuvor, also 1969, kurz nach dem legendären Woodstock-Festival stattfand, hatte Bob Dylan dort seinen ersten Auftritt, drei Jahre nach seinem Motorrad-Unfall in dessen Folge unklar war, ob er je wieder würde auftreten können. Dylan soll hierfür genau an dem Tag auf die Isle of Wight gereist sein, als Woodstock startete. Er wohnte zu dieser Zeit ganz in der Nähe von Woodstock, was es umso erstaunlicher machte, dass er das wohl legendärste Festival aller Zeiten sausen ließ um stattdessen auf einer kleinen englischen Insel aufzutreten. 

Der überraschende Erfolg des Isle of Wight Festivals von 1970 führte übrigens dazu, dass das Parlament über Nacht stattfindende Zusammenkünfte auf der Insel auf höchstens 5.000 Personen beschränkte. So starb das Festival für viele Jahre, bevor es 2002 wiederbelebt wurde, mit Rock-Legenden wie den Rolling Stones, Red Hot Chili Peppers, David Bowie, Muse, R.E.M., Placebo, den Foo Fighters und vielen, vielen weiteren. 

Die Bewohner der Isle of Wight bezeichnen diese übrigens nur als „die Insel“. Die ganze Insel gehört seit 2019 zum UNESCO Biosphärenreservat und etwas über die Hälfte des Eilands hat die Auszeichnung als Area of Outstanding Natural Beauty (AONB) erhalten und steht so unter besonderem Schutz. 

Morgen verlassen wir die Insel wieder und nutzen das gute Wetter um noch weiter Richtung Westen zu segeln, oder möglicherweise zu motoren, denn viel Wind ist nicht vorhergesagt. Wir freuen uns sehr, dass wir die Gelegenheit hatten im bekannten Solent zu segeln, auch wenn es nur kurz war. 

Ich möchte übrigens an dieser Stelle mal von Herzen Danke sagen. Seit wir die Leinen in Cuxhaven losgeworfen und uns in unser nächstes Abenteuer gestürzt haben, haben wir ganz viele tolle Nachrichten von euch erhalten. Die vielen Rückmeldungen, die wir zu unserem Blog auf den unterschiedlichsten Kanälen bekommen, freuen uns wahnsinnig! Toll, dass ihr alle dabei seid und mit uns auf diese Reise geht, das bedeutet uns sehr viel. Ihr seid super! 

Written by 

5 thoughts on “Wight noise

  1. Moin!
    In einer netten Gegend seid ihr da! Laut Ais scheint ihr ja gerade wieder auf dem Festland zu sein. War letztes Jahr Ostern mit Familie in Bournemouth und dann an der Jurasic Coast eichtung Westen entlang. In Lime Regis kann man schön Fossilien an der Küste suchen! Kinder hatten ihren Spaß (und ich Kiloweise Steine mit Fossilien im Auto)!
    Mast und Schotbruch!

    1. Moin Henning,
      Ja, das stimmt, die Gegend hier ist echt schön 😊
      Wir sind heute in Weymouth, vielleicht finden wir hier auch ein paar alte Steinchen 😁 Christian sammelt ja auch gerne alte Zähne… 😂
      Viele liebe Grüße!

  2. Hi Ihr beiden, ihr seid ja schon auf See. 🙂 Dachte ihr fagrt erst ab September los.
    Das sieht ja alles sehr professionell aus. Tolle Bilder und in der MIttagspause schaue ich dann ab jetzt mal öfters rein.
    Liebe Grüße von Franky Rehbein von ATLAS.

    1. Moin Franky,

      jawohl, sind schon seit gut drei Wochen unterwegs! Die Professionalität ist vor allem Steffis Verdienst, ich hab mich da ja etwas rausgehalten bisher. Die Latte liegt hoch, und wir versuchen, das Niveau zu halten. 😀
      Grüß die Kollegen von mir!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.