YACHTREP Bootswerft, Lissabon, Portugal
Als die Nachwirkungen des Sturms endlich nachließen und der Schwell in der Hafeneinfahrt von Oeiras ungefährlicher wurde, machten wir die Leinen los um uns zu unserem Zwischenstop für die Nacht zu verholen: Lissabon. Wir hatten einen Platz in der Alcantara Marina mitten in der Stadt reserviert. Das klingt toller als es ist, denn eine der Sehenswürdigkeiten in Lissabon ist die große Autobahnbrücke über den Tejo. Die verläuft direkt neben der Marina (es gibt sogar noch einen Hafen direkt unter der Brücke) und macht jede Menge Lärm. Statt mit Asphalt ist die Fahrbahn auf der Brücke nämlich mit einem Gitter belegt. So kann man, wenn man darunter hindurch fährt tatsächlich die Autos von unten sehen! Der Nachteil ist aber, dass dieses Gitter nicht gerade für Geräuschdämmung sorgt. Noch dazu fliegen den ganzen Tag über Flugzeuge über den Hafen und da man direkt neben einem Containerterminal liegt ist es alles in allem etwas unruhig.
Da wir aber eh nur eine Nacht hier verbringen würden, war das für uns ok und wir schliefen nach einem unfassbar leckeren Abendessen mit frischen Thunfischsteaks und Mango-Salsa ziemlich gut.
Unser Krantermin war um 9.30 Uhr am nächsten Morgen, also hieß es für uns früh aufstehen, denn wir mussten zur Werft noch ein paar Seemeilen über den Tejo zurücklegen. Zu spät kommen war keine Option, denn unser Termin richtete sich nach der Gezeit. Nur bei Hochwasser hatten wir überhaupt eine Chance die Werft zu erreichen, da diese in einem ziemlich flachen Teil des Flusses liegt. Ach so, dass es die gesamte Fahrt über in Strömen regnete hab ich jetzt glatt vergessen zu erwähnen…
Wir kamen pünktlich und zum Glück in einer kurzen Regenpause an und wurden nach einem kurzen Anruf vom Sohn des Werftmeisters auch schon in Empfang genommen. Da wir nicht mit einem herkömmlichen Kran hochgehoben werden sollten, sondern mit einem Travellift, war die Prozedur für uns ein bisschen neu. Wir sind es gewohnt unter den Kran zu fahren, vorne und hinten eine Leine zu übergeben und dann die Gurte sorgfältig unter dem Rumpf zu platzieren. Wegen der Rumpfform ist das bei der Krassy keine ganz leichte Aufgabe…
Hier war es anders, denn die Leinen bekamen wir direkt wieder zurück. Das Boot musste durch vorsichtiges Vor- und Zurückmanövrieren auf der Stelle gehalten werden während die Gurte unter dem Rumpf in Position gezogen wurden. Die Jungs von der Werft waren gut vorbereitet und hatten sogar schon Bilder unserer Rumpfform auf ihren Telefonen parat, trotzdem machte der Typ, der den Kran bediente ein bisschen den Eindruck als hätte er das vorher noch nie gemacht.




Es ging alles gut und schon kurze Zeit später stand die Krassy, noch in den Gurten des Travellifts hängend, mit dem Kiel auf einem Stückchen Holz an Land. Am Heck wurde noch eine zusätzliche Stütze angebracht, wir bekamen eine Leiter und ein Landstromkabel und schon verabschiedeten sich die Jungs ins Wochenende.
Man könnte also sagen, wir hängen buchstäblich in den Seilen. Da wir am Montag zurück ins Wasser kommen ist es eine super Lösung einfach im Travellift zu bleiben. Das Boot ist stabil und wir sind hoffentlich morgen wieder ruck zuck angehoben und in den Tejo zurückgeworfen.
Übrigens haben wir hier zum ersten Mal auf dieser Reise, oder genauer gesagt in dieser Saison, ein Landstromkabel ausgebracht. Bisher sind wir mit unseren Solarpaneelen und den Lithium-Batterien bestens ausgekommen, auch wenn es ja durchaus nicht immer sonnig war.
Bevor wir mit der Arbeit loslegten wurden wir erst mal bei einem freundlichen Franzosen namens Michèle zum Kaffee eingeladen. Er steht mit seinem kleinen Stahlboot direkt hinter uns und ist bereits ein paar Tage hier. Auf uns machte er einen sehr netten, aber auch irgendwie melancholischen Eindruck. So richtig schien es ihm nirgendwo zu gefallen, obwohl er bereits seit 4 Jahren mit seiner kleinen Alphee unterwegs ist. Er warnte uns aber schon mal vor, dass hier auch am Wochenende gern mal lauter gearbeitet wird, wenn nötig auch mitten in der Nacht. Oha.
Auch wir machten uns an die Arbeit und bauten als erstes unser tröpfelndes Seeventil aus. Mit Schrecken stellten wir dabei fest, dass der „Fachbetrieb“, der das Ding vor unserer letzten Reise eingebaut hatte, mehr als schlampig am Werk gewesen war. Der Kugelhahn war nur mit 2 Umdrehungen auf das Gewinde geschraubt! Obwohl dieses Konstrukt fast 10 Jahre und etwa 15.000 Seemeilen gehalten hatte, waren wir schockiert. Immer wieder stellen wir beim Arbeiten an unserem Boot fest, dass es meistens besser ist, die essentiellen Dinge selbst zu machen. So weiß man zumindest, dass mit der nötigen Sorgfalt gearbeitet wurde.
Um den Borddurchlass herauszubekommen muss man entweder die Kontermutter auf der Oberseite lösen (was eigentlich nie funktioniert) oder den Ring auf der Außenseite abflexen. So hatten wir es zumindest bisher immer gemacht. Da wir aber das vorhandene Ventil aus Rotguss gegen eines aus hochfestem Kunststoff austauschen wollten, mussten wir auch das Loch größer bohren, denn natürlich passten die Maße des alten und des neuen Durchlasses nicht zusammen (wär ja auch zu einfach…).
Hier hatte uns unser guter Freund Pascal aus Cuxhaven einen super Tipp gegeben. Einfach von Außen einen Leckstopfen aus Holz in das alte Ventil kloppen und dann den Stopfen als Zentrierung für die Bohrkrone verwenden. So kann man gleichzeitig das alte Ventil ausbohren und in einem Arbeitsgang das Loch auf die richtige Größe aufweiten. Vielen Dank noch mal für den tollen Tipp! Das machen wir ab jetzt nur noch so!
Unter dem alten Ventil war übrigens ein kleiner Sockel aus Sperrholz verbaut, der ja der Grund für den Austausch war. Das Holz war komplett mit Wasser vollgesogen und zerbröselte regelrecht beim Ausbauen. Diese Konstruktion war allerdings noch original, nur war das Holz leider nicht versiegelt und offenbar war von innen mal Wasser drüber gelaufen, das das Sperrholz komplett durchtränkt und aufgeweicht hatte.
Das Ventil war also schnell ausgebaut, aber die Krassy wäre nicht die Krassy, wenn sie nicht noch eine Überraschung in der Hinterhand gehabt hätte… Wir setzten das neue Ventil erst mal ohne Kleber ein um zu prüfen, dass auch alles passte. Dabei fiel uns allerdings auf, dass die Wandstärke der Bordwand alles andere als gleichmäßig war. Auf der nach oben liegenden Seite des Ausschnitts maßen wir ca. 11 mm Wandstärke, nach unten hin waren es 17 mm. Beides ist bei Volllaminat beruhigend dick, aber den Unterschied würden wir irgendwie ausgleichen müssen um das Ventil bündig dichtend einbauen zu können. Das erklärte also auch die Sperrhölzer unter dem alten Borddurchlass.
Wir fingen an zu tüfteln, nahmen genaue Maße und beschrifteten alle Seiten des ringförmigen Ausschnitts indem wir die Himmelsrichtungen an dessen Rand anzeichneten. So konnten wir genau erkennen, wo unsere Ausgleichsplatte wie dick werden müsste. Zunächst waren wir uns nicht ganz sicher, welches Material hier am besten geeignet wäre, also bereitete ich ein dickes Gummi vor während Christian sich an einem Teakrest von unserem Deck zu schaffen machte. Wir schnitten und schliffen um die richtigen Maße zu bekommen und hatten schließlich zwei donutförmige Unterlegteile für unser Ventil zur Auswahl. Beim Passformtest gewann das Holz, also verpassten wir dem liebevoll zurechtgeschnitzten Teil eine dicke Schicht Epoxy, dichteten noch die offene Schnittkante des neuen Lochs in unserer Bordwand ab und machten Feierabend.
Was uns die kommende Nacht bringen sollte hatten wir nicht erwartet. Man könnte es als „Clusterfuck“ ziemlich gut beschreiben, denn Schlafen war in dieser Nacht nicht möglich. Zunächst mal hatte uns Michèle ja schon gewarnt, dass auch gern mal nachts gearbeitet würde. Das hatten wir ein bisschen abgetan, aber gerade als wir uns müde in die Koje verkrochen hatten ging es los. In der großen Werfthalle keine 50 Meter von uns entfernt wurde der Sandstrahler angeschmissen. Sandstrahlen ist unfassbar laut und da in der Halle ein großes, altes Stahlschiff liegt, hatten die Herren dort drüben gut zu tun. „Kann ja nicht allzu lange gehen, ist ja schließlich Freitag Abend“ dachten wir naiv, wie wir sind. Falsch gedacht! Die Arbeiten dauerten bis morgens früh um 6 Uhr an, dann wurde endlich Feierabend gemacht.
Der Lärm allein war aber nicht genug. In dieser Nacht zog zusätzlich noch ein episches Gewitter über uns hinweg und brachte nicht nur tosenden Donner, sondern auch jede Menge Regen mit sich. In der Koje war es heiß und stickig und wir konnten die Luke immer nur kurz öffnen, bevor es wieder hineinregnete. Das allein kann einem schon den Schlaf rauben… Aber hey, ich hatte Clusterfuck gesagt, oder? Dazu fehlt noch eine Komponente: Mücken.
Ich bin ein echter Tierfreund, aber bei Mücken hört die Freundschaft auf. Diese blöden Viecher haben keinerlei Nutzen für die Natur, alles was sie bringen ist Elend und Schmerz! Erst summen sie einem die ganze Zeit um die Ohren und dann stechen sie auch noch. Es juckt wie die Hölle und man nichts dagegen tun, außer sich unter der viel zu warmen Decke zu verkriechen. Selbst das super-giftige Mückenspray konnte gegen diese kleinen Monster nichts ausrichten und so schlugen wir uns die gesamte Nacht um die Ohren um am nächsten Morgen in Sonnenschein und Stille aufzuwachen. Was für eine gräßliche Nacht!
Aber es half nix, wir mussten wieder ans Werk. Das Epoxy war über Nacht ausgehärtet und so konnten wir die Ausgleichsplatte und den Borddurchlass mit dem Seeventil einkleben. Das klingt jetzt nach nicht viel, dauert aber alles eine Weile. Jetzt hieß es wieder warten, denn auch hier musste der Kleber trocknen bevor wir weitermachen konnten.
Während Christian den Rumpf und das Unterwasserschiff der Krassy abwusch, schliff ich noch mal den Niedergang und die neue Seitenablage im Cockpit ab. Alles Arbeiten, die wir etwas vor uns hergeschoben hatten. Der Rumpf sah schlimm aus, denn vorne war er vergilbt und hinten, am Auspuff verrußt. Unser Unterwasserschiff hatten wir extra nicht mit dem Hochdruckreiniger abspritzen lassen, denn wir wollen unser Antifouling noch erhalten. Das allerdings hatte sich entschieden großflächig abzublättern, also bekam auch das Unterwasserschiff noch eine kleine Streichelbehandlung mit einem weichen Schwamm.
Als wir endlich genug hatten vom Arbeiten am Boot, machten wir uns auf den Weg zum 25 Gehminuten entfernten Lidl. Wir sind uns nicht mal ganz sicher, wie der Ort hier heißt, aber um ehrlich zu sein ist es auch egal. Es ist hier wirklich nicht gerade schön und auch der Spaziergang führte uns lediglich an einer Straße entlang in eine kleine Hochhaussiedlung. Mal wieder einen deutschen Supermarkt zu besuchen war allerdings ein kleines Highlight. Manche Produkte sind hier exakt wie bei uns, aber gleichzeitig gibt es jede Menge lokale Spezialitäten. Man bekommt in der Backwarenauslage nicht nur frische Pastel de Nata, sondern auch Pastel de Bacalhau, kleine frikadellenartige Kugeln aus dem berühmten Stockfisch. In Lissabon wurden diese Dinger an jeder Ecke als absolute Spezialität angepriesen, waren wahrscheinlich auch von Lid..
Und da mittlerweile ja schon Oktober ist, hatte Lidl auch schon gut gefüllte Regale mit Weihnachtsleckereien! Herrlich! Ich hab ein bisschen gezuckt ein kleines Marzipanbrot oder eine Schachtel mit Lebkuchen zu kaufen…














Zurück an Bord gingen wir erst mal auf Mückenjagd. Da hier ein guter Teil des Flussufers trockenfällt, wimmelte es schon vor Mücken, als wir von unserem Einkauf zurückkamen. Wir schlossen schnell alle Luken und auch die Kuchenbude wurde hochgezogen. Trotzdem töteten wir im Laufe des Abends an die 30 Mücken. Es wurde schon fast zur manischen Jagd, denn wir leuchteten mit der Taschenlampe umher und schlugen wie wild um uns, sobald wir eins der Mistviecher entdeckten. Es half nicht viel, denn auch in dieser Nacht wurden wir wieder heimgesucht und auch die fleißigen Werftarbeiter legten pünktlich um Mitternacht wieder mit dem Sandstrahlen los… Außer dem Regen, war die Nacht also ähnlich gut, wie die letzte.
Heute früh baute Christian noch den Schlauch an unser Ventil und wir konnten endlich wieder das Waschbecken in der Pantry nutzen. Einen Klecks Antifouling für den neuen Borddurchlass bekam Christian noch von einem netten Polen, der ebenfalls hier in der Werft liegt und schon ist unser Projekt abgeschlossen.
Da wir aber noch den ganzen Tag auf dem Trockenen Zeit hatten, gingen wir noch mal ein paar Arbeiten an. Christian hatte sich vorgenommen den Rumpf noch mal richtig zu polieren und ich wollte unterdessen den Propeller wieder auf Hochglanz bringen. Wir hatten in Cuxhaven das vom Hersteller empfohlene Antifouling auf den Propeller aufgebracht, aber davon war jetzt schon nicht mehr viel übrig. Auch in der letzten Saison waren wir schon nicht so recht von dem Zeug überzeugt gewesen. Eine glatte Oberfläche kann auch verhindern, dass der Propeller Bewuchs ansetzt, also schliff ich das alte Antifouling mit grobem Schleifpapier runter um dann die Oberfläche mit immer feiner werdendem Papier glatt zu schleifen. Der Trick dabei war, wie ich feststellte, das Schleifpapier in Zitronensäure zu tränken. So bekam ich relativ leicht den alten Belag und die Reste der Seepocken von der Bronze. Nach einem letzten Schliff mit 600er Körnung gab es noch eine Runde Schleifpaste und Politur und der Prop sieht – fast – aus wie neu.
Die Krassy glänzt also wieder, über wie unter Wasser und wir sind jetzt endgültig fertig mit Bootsarbeiten. Hoffentlich wird es diese Nacht ein bisschen ruhiger hier, aber der Sonntag scheint den katholischen Portugiesen doch nicht ganz so heilig zu sein, denn von der Werfthalle hört man schon den ganzen Tag über Gerumpel. Die legen sicher wieder mitten in der Nacht los…
Aber egal, morgen gehts zurück ins Wasser und dann schlafen wir uns im nächsten Hafen erst mal so richtig aus!
Hey ihr Reisenden.
Ein spannender Reparaturbericht.
Besonders gefällt mir das Vorher und Nachher Bild der Schiffsschraube 🙂
Mücken können einen echt jede Nacht verderben. Ich fühle mit euch.
Und dann noch nachtschaffende, sandstrahlende Werftarbeiter… Aber hey… ihr lasst nichts aus.
Gute Erholung beim nächsten Stop und gute Reise.
Thomas
Hey Thomas,
japp, beim Prop hat Steffi mal echtes Durchhalte-Vermögen gezeigt (übrigens alles Handarbeit ohne schweres Gerät). Die Fische wird‘s freuen, und vielleicht arbeitet er jetzt auch noch etwas effizienter als vorher.
Es ist halt nicht alles toll auf so einer Tour, aber so sind wieder ein paar lustige Geschichtchen entstanden, wie wir sicherlich noch das ein oder andere Mal zum Besten geben werden.
Jetzt sind wir wieder gut ausgeschlafen und im Reise-Modus.
Liebe Grüße nach Pulheim und natürlich auch an deine Girls!
Hey ihr Lieben, hänge beim Lesen etwas hinten dran, daher erst jetzt ne Reaktion. Toll erst mal wie es bei euch voran geht. Zu den Schlauchschellen. Ich setze die immer versetzt, also eine rechts und eine links, hatte das mal so gelesen und sehe das auch häufig so, ob es wirklich besser ist ???
Euch weiterhin gute Fahrt. Das wir uns in Marikko treffen fällt für uns leider aus, da wir vorgestern unsere Reise absagen mussten… aber das ist eine andere Geschichte.
Hey ihr lieben, das ist aber schade! Wir hätten uns riesig gefreut euch hier noch zu treffen! Aber das holen wir irgendwo anders gerne nach.
Bei den Schlauchschellen ist bei uns meisten das Problem, dass wir kaum dran kommen, daher bestimmen die Platzverhältnisse in der Regel, wie wir die Schellen setzen können.
Ganz viele liebe Grüße von uns beiden!