Fake News: Kolumbus war hier! 

Baiona, Spanien

Nachdem wir gestern extrem gemütlich an unserem Ankerplatz in den Tag gestartet sind, ausschliefen und die wunderbare Ankerbucht genossen, setzte ich noch Teig für Brot an. Unsere Vorräte sind nach dem vielen Ankern und den letzten Häfen ohne Supermärkte in der Nähe, nahezu aufgebraucht. Frisches Brot könnte also nicht schaden. 

In den letzten Wochen, seit wir in La Coruña angekommen waren, segelten wir durchgehend wie in der Badewanne. Wenig Wind, praktisch keine Welle, perfekte Bedingungen! Heute hatte allerdings jemand die Whirlpool-Funktion eingeschaltet (leider ohne heißes Wasser einlaufen zu lassen…). Die See war auf der wieder mal kurzen Etappe von den Islas Cies nach Baiona deutlich wilder als wir es von Galizien gewohnt sind und präsentierte sich ganz nordseehaft grau. Ein untypischer Südwind ließ einen hohen Schwell in die Rías rollen und so bekamen wir heute eine kleine Vorschau auf die nächsten Wochen in denen wir deutlich ungeschützter an der portugiesischen Küste entlang segeln werden. 

Vorher können wir aber noch einen letzten Stop in Galizien genießen: Baiona. Es stand schon bei unserer Ankunft in Spanien fest, dass wir diesen Ort auf jeden Fall besuchen wollten. Auf unserer letzten Reise hatten wir Baiona ausgelassen, aber Christian hatte irgendwo aufgeschnappt, dass dies der Ort war, an dem Kolumbus 1492 auf seine glorreichen Entdeckungsreise nach Amerika aufgebrochen war. Diese Info ließ uns brennend zurück und so hatte Baiona einen festen Platz auf unserer Bucket-List. Christian erzählte in den letzten 7 Jahren auch jedem, der nicht schnell genug weglaufen konnte, von diesem interessanten Ereignis. 

Heute früh wollte ich diese Geschichte noch mal genauer nachlesen und machte dabei eine ernüchternde Entdeckung. Wie bereits Kolumbus, der eigentlich nach Indien wollte und dabei zufällig Amerika fand, war auch Christian ein kleines Fehlerchen unterlaufen. Kolumbus war nämlich nie in Baiona. Alles Fake News! 

Den ganzen Tag zerbrechen wir uns jetzt schon den Kopf, wie wir auf diese völlig falsche Information gestoßen waren und vor allem, warum wir sie nie hinterfragt hatten. So schnell verbreiten sich Falschinformationen… 

Aber sicher fragt ihr euch jetzt, was denn die wirkliche Geschichte war. Zumindest diejenigen von euch, die – wie wir – bisher auch nur gefährliches Halbwissen über die spannende Geschichte des großen Entdeckers hatten. Deshalb erzähle ich euch jetzt kurz zusammengefasst die Abenteuer des Christoph Kolumbus, in denen so einige Überraschungen stecken. 

Christoph Kolumbus wurde im Jahre 1451 in Genua geboren, richtig, er ist Italiener (1. Überraschung). Im Dienste der Spanischen Krone sollte Kolumbus im Wettrennen mit Portugal eine westliche Route nach Indien erschließen um so neue Handelsrouten auf dem Seeweg zu finden. Ziel seiner ersten Reise war dabei eine Hafenstadt in China, das man damals der Einfachheit halber eben zu Indien zählte (2. Überraschung).

Seine erste von insgesamt vier Entdeckungsreisen unternahm Kolumbus im Jahr 1492 und obwohl diese Reise als die Entdeckung Amerikas gilt, erreichte Kolumbus damals „nur“ eine Insel der Bahamas, sowie ein paar Karibikinseln (3. Überraschung). Erst bei seiner vierten und letzten Reise betrat er in Honduras amerikanischen Boden (4. Überraschung), erkannte aber Zeit seines Lebens nie, dass Amerika ein eigener Kontinent ist (5. Überraschung). 

Übrigens war Kolumbus bei weitem nicht der erste, der Amerika entdeckte. Bereits 500 Jahre zuvor war der Kontinent von dem in Grönland geborenen Wikinger und Entdecker Leif Eriksson besucht worden (6. Überraschung). Anders als Kolumbus hatte Eriksson die Menschen dort allerdings nicht kolonialisiert und geriet so in Vergessenheit. 

Aber Christoph Kolumbus hat trotzdem eine interessante Geschichte. Laut eigener Aussage begann er bereits mit 14 Jahren zur See zu fahren und heuerte später als Korsar (auch bekannt als Freibeuter) an. Im Zuge dessen segelte er 1476 auf den Atlantischen Ozean, wo seine Flotte in eine Seeschlacht verwickelt wurde. Kolumbus konnte sich von seinem sinkenden Schiff schwimmend nach Portugal retten, wo er sich niederließ. Er heiratete und bekam auf der Insel Porto Santo vor Madeira einen Sohn. Auf der Insel begann er  wohl auch sich mit der Planung seiner Atlantiküberquerung zur Erschließung eines Seeweges nach Indien zu beschäftigen. Vasco da Gama sollte übrigens einige Jahre später tatsächlich den Weg nach Indien finden, indem er Afrika umrundete, aber das ist eine andere Geschichte. 

Kolumbus war nicht dumm und studierte intensiv verschiedene Schriften, die bis zu Aristoteles zurückreichten. Dieser hatte bereits über eine Passage nach Westen geschrieben, die in nur wenigen Tagen nach Asien führen sollte. Naja, stimmte nicht ganz, aber das konnte damals ja noch keiner wissen… Dass es im Westen Land geben müsste, war jedoch zu vermuten, denn immer wieder wurden Indizien dafür an den Küsten der Azoren, Madeiras oder sogar am Festland angespült. Kolumbus wusste davon, denn er lebte schließlich auf Porto Santo und sprach mit den Seeleuten, die diese fremdartigen Hölzer, Pflanzen oder gar Leichen gefunden hatten. 

Er baldowerte eine Route aus, die ihn im Passatwind südlich der Kanarischen Inseln nach Westen bringen sollte und erkannte zudem auch, dass es weiter nördlich auch möglich wäre aus dem Westen wieder zurück nach Europa zu segeln. Genau die gleiche Route, die Kolumbus damals schon für sich nutzte begehen auch wir gerade, über 500 Jahre später. 

Da Kolumbus in Portugal lebte sprach er zunächst bei der portugiesischen Krone mit seinem Plan vor, wurde dort aber rund heraus abgewiesen. Da er nach dem Tod seiner Frau Portugal verlassen wollte, ging er also nach Spanien um auch dort dem Königshaus die Entdeckungsreise nach Indien schmackhaft zu machen. Allerdings ließ sich auch die Spanische Krone nicht so einfach überzeugen und nach langem Hin und Her, betteln, drohen und beleidigtem Abwenden seitens Kolumbus, wurde ihm eine Verhandlung gewährt. Er verlangte als Belohnung für seine Reise nicht nur ein Zehntel der zu erwartenden Schätze in den Kolonien, sondern auch die Titel als Vizekönig über die entdeckten Gebiete sowie die wunderbar großspurige Bezeichnung als „Admiral der Weltmeere“. Auch hierüber gab es zunächst ein spannendes Tauziehen, aber man gewährte ihm schließlich die geforderten 10% des Gewinns, die Statthalterschaft über die entdeckten Gebiete und den absurden Admirals-Titel. Jetzt musste Kolumbus nur noch Indien finden. 

Wie wir aber jetzt wissen, verfuhr er sich ein wenig und landete statt dessen in der Karibik. Am 25. Dezember 1492 legte Kolumbus noch einen kleinen Boris-Hermann-Move hin. Auf einer Fahrt vor der Insel Hispaniola hatte er sich schlafen gelegt und das Steuer seiner Santa Maria einem Schiffsjungen anvertraut. Dieser lief sogleich auf eine Untiefe auf und das Schiff sank. Na gut, Boris Hermann ist nicht abgesoffen, aber eingeschlafen ist auch er… 

Aus den Überresten seines Schiffs ließ Kolumbus auf der Insel die erste Festung der Kolonie bauen, die er aufgrund des Datums seiner Havarie La Navidad nannte. Er ließ einen Teil seiner Mannschaft zurück in der Festung (die sich kurz darauf vollständig gegenseitig umbrachten) und machte sich mit den verbliebenen beiden Schiffen seiner Flotte auf den Rückweg nach Spanien. Eines dieser beiden Schiffe war die Pinta und jetzt kommen wir langsam wieder zurück nach Baiona. Dieses Schiff erreichte nämlich 1493 die galizische Hafenstadt, nachdem die beiden Karavellen während eines Sturms auf Höhe der Azoren getrennt worden waren. Kolumbus selbst kam jedoch mit dem anderen Schiff, der Niña, in Lissabon an. Dass die Karavelle Pinta hier in Baiona ankam noch bevor Kolumbus selbst das Festland erreicht hatte, wird noch heute groß gefeiert. Jedes Jahr am ersten Märzwochenende wird ein mittelalterliches Fest in Baiona abgehalten mit dem Namen A Arribada (die Ankunft) und dem Kapitän der Pinta Martín Alonso Pinzón hat die Stadt ein Denkmal errichtet. Im Hafen liegt ein Nachbau der Karavelle und offenbar gibt es dazu auch ein Museum, das wir uns vielleicht auch noch ansehen werden. 

Was auf die erste, erfolgreiche Fahrt von Kolumbus folgte, war eine Reihe an Entdeckungsreisen, die leider auch die Versklavung und Ausbeutung unzähliger Menschen, sowie deren entsetzliche Behandlung in den kolonialisierten Gebieten nach sich zogen. Heute werden die damals gefeierten Eroberungen deutlich kritischer gesehen, denn für die indigenen Völker erwies sich die Ankunft der Seeleute auch deshalb als Katastrophe, weil diese neue Krankheiten einschleppten, die die Bevölkerungszahlen in der Karibik dramatisch dezimierten. Bis heute sind die Nachwirkungen der Sklaverei, Ausnutzung und Bevormundung durch Kolonialherren nicht nur in der Karibik ein großes und wichtiges Thema. 

Christoph Kolumbus starb übrigens keineswegs als der Held, der er heute ist. Im Laufe seiner Reisen hatte er insgesamt 9 Schiffe versenkt, was dazu führte, dass er seinen Status als Mythos und Held verlor und so kämpfte er trotz eines gewissen Wohlstandes bis zu seinem Tod im Alter von 55 Jahren darum, seine Privilegien wiederherzustellen. Es gelang ihm nicht. 

Die Geschichte von Kolumbus ist hier übrigens sehr stark eingedampft und ich habe die vielen haarsträubenden Erzählungen seiner Reisen bewusst ausgelassen, denn die würden hier den Rahmen sprengen. Falls ich aber euer Interesse geweckt haben sollte, dann lest die Geschichten unbedingt mal nach. Einen kleinen Fun Fact hab ich aber noch: alle Portraits von Kolumbus wurden posthum gemalt, man weiß also heute nicht sicher, wie er wirklich ausgesehen hat. Einzig bekannt ist, dass er für seine Zeit ungewöhnlich groß und rothaarig war. 

Noch bevor wir Baiona erreicht hatten, hatten wir schon so ein Gefühl, dass es uns hier gefallen würde und gleich nach unserer Ankunft war klar: wir sind beide schockverliebt! Diese kleine Hafenstadt ist so sympathisch und gemütlich, dass wir hier nicht mehr weg wollen. 

Wir haben nun fast einen ganzen Monat in Galizien verbracht, angefangen im wunderschönen La Coruña hat uns diese Region absolut verzaubert. Wir haben schon viel von Europa besegelt, waren in der Ost- und Nordsee unterwegs, in den Niederlanden, im Englischen Kanal, auf den Kanaren und auch im Mittelmeer, aber hier gefällt es uns eigentlich am besten. Als Segelrevier sind die spanischen Rías mit das schönste, was die europäischen Küsten zu bieten haben und fliegen dabei völlig unterhalb des Radars der Seglergemeinschaft. 

Baiona ist nun der krönende Abschluss und wenn unsere Herzen beim Gedanken daran, Spanien bald zu verlassen, nicht eh schon geblutet haben, dann fällt es uns jetzt noch ein wenig schwerer. Dies ist nämlich unser letzter Stop bevor wir die Grenze nach Portugal überqueren und so wollen wir hier noch mal ein paar Tage ausharren bevor es weitergeht. Das Wetter spielt uns dabei in die Karten, denn für die nächsten Tage ist Regen vorhergesagt und bitte, wir segeln doch nicht bei Regen… 

Außerdem haben wir heute früh erfahren, dass wir hier aus dem Wasser gehen können. Der Hafen des hiesigen Yachtclubs ist wirklich schön und das Personal ist super freundlich. In astreinem Spanisch besprach Christian heute morgen unser Anliegen mit dem Hafenbüro und man bot uns an, am Freitag raus und Sonntag wieder rein zu kranen. Das ist zwar später als wir gehofft hatten, aber eventuell besteht noch die Chance, dass vorher ein anderes Boot auf der Liste abspringt und wir unseren Termin vorverlegen können. Und falls nicht, hier kann man es aushalten! 

Heute ist bei uns erst mal Haushaltskram angesagt. Vier riesige Beutel mit Wäsche warten darauf zum Waschsalon getragen zu werden, unseren (meistens) treuen Krassimir haben wir sauber gemacht und wieder klein zusammengefaltet. Seine Dienste werden wir an der portugiesischen Küste eher nicht brauchen, daher ist er wieder gut in der Achterkabine verstaut. Und natürlich will der Kühlschrank auch mal wieder aufgefüllt werden, auch wenn es hier ein paar wirklich einladende und scheinbar recht günstige Restaurants gibt. Die werden wir natürlich auch noch testen.

Gestern Abend haben wir bei unserem Rundgang durch den Ort noch die hier bekannten Churros probiert. In Deutschland findet man dieses frittierte Spritzgebäck mittlerweile auch recht häufig, wir hatten es aber beide noch nie gegessen. Ganz klassisch gibt es dazu Schokolade und zwar in geschmolzener Form. Wir bekamen also einen großen Teller mit den länglichen Gebäckstangen, die für den maximalen Overkill noch mit Zucker bestreut waren, und dazu jeder eine Kaffeetasse voll mit geschmolzener Schokolade in die man die Stangen eintaucht. Lecker, aber anschließend kam bei uns beiden der Wunsch nach einer Lebertransplantation auf… 

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