Langweilig schön

13°29,8’N, 050°13,3’W
Als uns unser treuer Wetterfrosch Hajo heute per Satellitentelefon ein Update für die nächsten Tage schickte, kommentierte er dies mit „langweilig schön“. Gut getroffen, denn so könnte man die Überfahrt aktuell nennen. Vielen lieben Dank an dieser Stelle an Hajo für die wertvollen Wetterdaten! Nach der nervenaufreibenden Schwachwindphase bekamen wir endlich wieder richtigen Wind. Für zwei Tage stieg der Wind von lahmen 3 auf 5-6 Windstärken, das, was man eigentlich auf so einer Atlantiküberquerung erwarten kann. Wir freuten uns, dass wir endlich wieder vorwärts kamen und als wir unser Bergfest mit den ersten 1000 Seemeilen erreicht hatten, schmolzen die Meilen plötzlich nur noch so dahin. Mit dem Wind kam auch eine entsprechende See, die uns und die Carinya ordentlich durchschüttelte, aber hier draußen gewöhnt man sich recht schnell an die Bewegung. Durch die ständigen Wechsel in Windstärke und -richtung waren wir gezwungen 2-3 Mal am Tag die Segel umzubauen. Solche Bedingungen mit Schwachwind, Südkomponenten und häufigem Wechsel sind absolut untypisch. Normalerweise, und das werden die meisten bestätigen, die schon mal eine Atlantiküberquerung hinter sich haben, zieht man im Passat einmal die Segel hoch, stellt sie ein und plündert dann nur noch den Kühlschrank. So ähnlich war es auch auf unserer ersten Überfahrt. In der ersten Nacht mit mehr Wind zog hinter uns ein dickes Wolkenband auf. Wir hatten schon seit mehreren Tag darauf gewartet, die ersten Squalls abzubekommen, kleine Starkwindzellen, die über den Atlantik ziehen und dabei kurze Windpeaks und Regenschauer mit sich bringen. Jetzt sah es so aus als würden wir zum ersten Mal Squalls begegnen. Und tatsächlich briste der Wind leicht auf und es fielen ein paar Tropfen vom Himmel, die uns zwangen, schnell die Polster und das Logbuch unter Deck in Sicherheit zu bringen. Endlich Regen, der den blöden Sahara-Staub abwäscht! Tja, weit gefehlt, denn es handelte sich nicht um typische Squalls, sondern bloß um eine kleine Front, die es gelegentlich ein bisschen tröpfeln ließ. Die Krassy wurde nass, aber nicht sauber… Den kommenden Vormittag über blieb der Himmel bedeckt und auch jetzt gab es immer mal wieder winzige Schauer, die schnell wieder trockneten. Unsere Batterien bekamen wir an diesem Tag nicht ganz voll, aber ansonsten änderte sich für uns nicht viel.
Der stärkere Wind hat sich mittlerweile wieder bei gemütlichen 15 Knoten eingependelt und seit gestern Nacht ist die See hier draußen wieder ungewöhnlich handzahm. Man könnte meinen wir segeln hier auf einer Badewanne statt auf einem Ozean! Die Carinya hat heute früh wieder ihr Leichtwindsegel ausgepackt und wir fliegen mit Groß, Genua und Stagreiterfock neben der Carinya her. Ausgerechnet auf einer Passatwind-Überfahrt ein Leichtwindsegel zu brauchen ist absolut ungewöhnlich! Barbados ist mittlerweile in fast greifbare Nähe gerückt. Für die restlichen 550 Seemeilen, die jetzt noch vor uns liegen rechnen wir mit ca. 4 weiteren Tagen auf See. Wenn wir genau so wie jetzt die letzten Tage weitersegeln können, dann sind wir mehr als zufrieden, denn außer den paar Tagen mit viel zu wenig Wind können wir uns kein bisschen beklagen. Auf der Insel werden wir von einem Freund aus Christians Heimat erwartet und wir freuen uns schon darauf, eine Woche lang zusammen die südlichen Karibikinseln zu erkunden. Unsere Funkrunden mit der Carinya werden von Tag zu Tag länger, denn hier draußen auch mal jemanden zum Quatschen zu haben ist richtig toll.
Die dicken Teppiche aus Saragossa-Gras haben sich mittlerweile zum Glück etwas aufgelöst und gestern konnten wir sogar wieder den ganzen Tag über den Windpiloten an den Start bringen. Christian versucht auch weiterhin tapfer zu angeln, aber es sammelt sich immer wieder in kürzester Zeit ein dickes Bündel Seegras im Köder und so blieben wir auch in den letzten Tagen wieder recht erfolglos. Kein Problem, denn unsere Netze sind immer noch erstaunlich gut mit frischem Obst und Gemüse gefüllt, die wir eisern rationieren um bis zum Ende der Überfahrt zumindest einmal am Tag ein paar Vitamine futtern zu können. Auch der Wassertank ist noch mehr als halb voll, da wir konsequent sparsam mit Frischwasser umgehen und zum Spülen und Duschen nur Seewasser nutzen.
Immer deutlicher merken wir auf dieser Überfahrt, dass wir doch so einiges an Erfahrungen gesammelt haben. Die Krassy läuft wie geschmiert und wenn wir wollen können wir erstaunliche Geschwindigkeiten aus dem mäßigen Wind herausholen. Unsere Segel stehen ab 10 Knoten Wind relativ stabil und für die Umbauten haben wir die nötigen Handgriffe mittlerweile im Blut. Und wir stellen immer wieder fest, was für ein riesiger Vorteil es ist, mit einem Boot unterwegs zu sein, das man so gut kennt. Immerhin ist die Krassy schon seit über 10 Jahren Teil unserer kleinen Familie und es gibt hier kaum ein System, das wir nicht schon mal auseinander genommen oder ausgetauscht haben.
Man könnte meinen, dass man nach so einer langen Überfahrt die Ankunft schmerzlich herbeisehnt, aber wir genießen es momentan einfach mal zu entschleunigen. Unsere Handys dienen nur noch als Wecker, Fotoapparate und zum Abspielen von Hörbüchern und Musik. Digital Detox deluxe. Klar freuen wir uns auf die Ankunft und ganz besonders darauf, endlich von Bord ins türkisblaue Wasser springen zu können, aber die Überfahrt macht diesmal richtig Spaß. Sogar die Nächte sind so entspannt, dass wir tagsüber kaum mal Schlaf nachholen müssen. In den 2x 3 Stunden Freiwache schlafen wir wie die Bären und während der Wachen gönnen wir uns halbstündige Powernaps. Meistens ist hier draußen ja nicht viel los und der gelegentliche Frachter, der zufällig immer einen CPA (Closest Point of Approach) von 0,0 nm hat, wird rechtzeitig über den AIS-Alarm angekündigt. Dank AIS sehen uns die großen Schiffe rechtzeitig und ändern dann ihren Kurs entsprechend. Und falls man das Gefühl hat, doch nicht gesehen worden zu sein, dann gibt es ja immer noch die Funke. Auch auf großen Schiffen freut man sich gelegentlich über ein Pläuschchen über UKW.
Steffi

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