Passat mit angezogener Handbremse

13°40.0’N, 041°21.7’W
Wenn man zu dieser Jahreszeit von den Kapverden in die Karibik segelt, muss man sich um eines in der Regel keine Gedanken machen: Das Wetter. Der Passat weht mit schicken vier oder fünf Windstärken, vielleicht auch mal mit sechs. Segel hochziehen und sich zwei Wochen lang schlafen legen ist also die Devise. Tatsächlich berichten die meisten Segler, die diese Strecke gesegelt sind (so auch wir), dass sie unterwegs kaum etwas an der Besegelung ändern mussten.
Und jetzt finden wir uns hier draußen in etwas, was wir so nicht erwartet hätten: Schwachwind. Steffi hat in ihrem letzten, euphorischen Beitrag bereits geschrieben, dass wir uns etwas weiter südlich hielten, um einer Schwachwindzone auszuweichen, die vielleicht kommen sollte, vielleicht aber auch nicht. Nun ja, sie kam. Insofern war es goldrichtig, dass wir uns südlicher gehalten haben, allerdings stellte sich der Schwachwind großflächiger und anhaltender heraus als zunächst prognostiziert.
So standen wir tatsächlich zwei Tage lang, Ende Dezember, Anfang Januar mitten im Passatgürtel, in der Flaute. Der Wind blieb immerhin östlich und wehte aber nur noch mit zwei bis drei Windstärken. So schwacher Wind von hinten ist einfach nur nervig. Das kann vielleicht ganz nett sein, wenn man spiegelglattes Wasser hat. Haben wir hier draußen aber nicht. Obwohl man schon sagen kann, dass die See super ruhig ist, ist sie doch immer etwas in Bewegung. Das Ergebnis: Die Segel schlagen mit jeder Welle wie verrückt, weil der Wind nicht ausreicht, um sie hinreichend zu füllen, und die Geschwindigkeit geht zum Teufel.
Mit zwei Vorsegeln nach Steuerbord und Backbord ausgestellt wie ein kleiner Spinnaker und dem Großsegel hatten wir alles oben, was wir bieten konnten und machten zeitweise nur zwei Knoten Fahrt, wenn es gut lief immerhin drei Knoten. Ständig begleitet vom Flap-Flap und Klong-Klong der schlagenden Segel, die das ganze Boot erschütterten. Wenn man sich Material kaputt machen will, dann passiert das genau so, und nicht mit Starkwind. Unsere Nerven lagen jedenfalls blank. Keine Ahnung, warum so viele Segler den Schwachwind so feiern. Wir sind jedenfalls keine Fans.
Lustigerweise sah die Welt auf der Carinya, mit der wir nach wie vor zusammen unterwegs sind, ganz anders aus. Sie konnten mit ihrem bunten Leichtwindsegel den Schwachwind ganz ordentlich aussegeln, und hatten die Zeit ihres Lebens. Das Segel fiel zwar auch regelmäßig ein, macht dabei aber lange nicht so ein Getöse wie bei uns. In unseren regelmäßigen Funkrunden Mittags und Abends schwärmten sie davon, was für eine tolle Zeit sie doch haben, endlich mal Zeit zum Lesen, und wie entspannt die Segelei doch ist.
So unterschiedlich kann das Empfinden sein. Zugegeben, für den Wind fehlt uns das richtige Segel. Unseren kleinen Gennaker haben wir aus Platzgründen zu Hause gelassen. Er ist für die Krassy eigentlich zu klein, nicht größer als unsere große Genua, und wir haben ihn auch so gut wie nie benutzt, weil wir den richtigen Wind für ihn nur ganz selten hatten. Letztes Mal hatten wir ihn dabei und nicht ein einziges Mal oben. Und auch hier und jetzt wäre er eigentlich nicht passend, da wäre ein Spinnaker das Segel der Wahl.
Immerhin schafften wir es, die Tage mit der Carinya Schritt zu halten, die ja recht flott unterwegs war mit ihrem Leichtwindsegel. Seit gestern Abend stabilisierte sich der Wind allmählich bei knapp über 10 Knoten, und wir kamen endlich wieder ruhig durch die Nacht. Auch heute scheint uns der Wind erhalten zu bleiben, und ab morgen soll er auf Passat-mäßige 15 Knoten aufdrehen. Fingers crossed.
Ansonsten tröpfelt hier der Alltag vor sich hin. Wir essen gut, auch wenn wir mit unseren knappen frischen Vorräten haushalten müssen, hören Hörbücher und liegen in der Sonne rum. Fisch stand nach unserem letzten großen Fang leider nicht mehr auf dem Speiseplan. Angeln ist momentan nur schwer möglich, weil wir seit ein paar Tagen durch mehr oder weniger dichte Teppiche von Saragossa-Seegras fahren. Das verfängt sich ganz schnell im Köder, der dann zur Oberfläche steigt und dort wie ein hüpfendes Meerschweinchen hinter der Krassy herschwimmt. Da beißt jedenfalls kein Fisch rein. Auch unsere Windsteueranlage sammelt mit ihrem Pendelruder das Seegras ein und funktioniert dann nicht mehr richtig. Daher hatte sie nun auch ein paar Tage Pause, und der elektronische Autopilot musste wieder ran. Was das mit dem Seegras auf sich hat, und wo es herkommt: Keine Ahnung. Das hatten wir bei unserer letzten Reise mal recherchiert, aber mittlerweile wieder vergessen. Wir werden halt auch älter.
In der kommenden Nacht sollten wir meilenmäßig Bergfest feiern, dann haben wir noch etwa 1000 Seemeilen vor uns. Zeitmäßig sollte es bereits hinter uns liegen, wenn der Passat morgen endlich wieder das Gaspedal findet und wir mit hoher Geschwindigkeit nach Westen rauschen!
Christian

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2 thoughts on “Passat mit angezogener Handbremse

  1. Moin an die Windsüchtigen,

    Don’t Panic – der Wind wird schon wieder kommen! Ich hatte das 2017 auf der „Alex II“ auch: 3 Tage Schwachwind mit elender Rollerei – das ist auf einem Rahsegler auch nicht besser – und Etmalen unter 70 nm. Gab sich aber und dann haben wir’s in den letzten Tagen mit mehreren Etmalen > 180 nm so richtig krachen lassen. Wir waren dann nach 2440 nm (davon 2 nm unter Motor) sogar 2 Tage vor unserer Deadline in Marigot. Also: Geduld haben …

    Lieben Gruß,

    Jürgen

    PS: Nicht zu laut meckern, sonst rächt sich Rasmus auf der Rückreise …

    1. Moin Jürgen,
      gut zu wissen, dass wir nicht die einzigen mit Schwachwind im Passat waren! Wir dachten schon da sei was kaputt…
      Den Hinweis auf Rasmus nehmen wir uns gerne zu Herzen, das war auch Jammern auf hohem Niveau…
      Liebe Grüße!

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