Leben in der Lage

La Coruña, Spanien

Als wir Falmouth verließen begleiteten uns die Delfine noch stundenlang, tollten um die Krassy herum, verschwanden immer mal wieder für ein halbes Stündchen oder so und kamen dann zurück. Es ist egal, wie oft man schon Delfine gesehen hat, dem Charme dieser tollen Tiere kann man sich einfach nicht widersetzen. 

Unser Ziel für die Überfahrt war eigentlich erst mal Frankreich und so steuerten wir die Krassy in Richtung des Chenal Dufour, einer Durchfahrt zwischen dem französischen Festland und den Îles d‘Ouessant. Hier gibt es eine ziemliche Strömung und man sollte auf keinen Fall mit gegenläufigem Strom hier hindurch fahren. Als wir aus der Nacht kamen passte es aber bei uns zeitlich super und so ballerte die Krassy mit bis zu 10 Knoten durch die Engstelle. 

Die Nähe zum Land ermöglichte es uns auch noch mal kurz ins Mobilfunknetz zu kommen und so konnten wir auch direkt ein neues Wetterupdate herunterladen. Der für die Biskaya vorhergesagte Wind passte super und zudem war ein komisches Tiefdruckgebiet angekündigt, das in den nächsten Tagen durchziehen sollte. Die Gelegenheit vorher noch nach Spanien durchzuhuschen war also super. 

Wir gaben noch schnell unseren Familien Bescheid, dass wir für die nächsten 3 Tage offline sein würden und schon war unser Netz auch wieder weg. 

Viele von euch folgen uns im AIS über Marine Traffic oder andere Apps. Hier muss man wissen, dass die Daten manchmal nicht ganz zuverlässig sind. Entlang der Küsten gibt es überall Empfangsstationen, die das Signal unseres AIS auffangen und weitergeben. Verlässt man den küstennahen Bereich oder hat aus anderen Gründen eine schlechte Verbindung zu diesen Stationen, dann bricht das Signal ab und es sieht in den Trackern so aus als wären wir stehengeblieben. Leider ist das AIS in diesem Fall kein Präzisionswerkzeug. Wir senden übrigens trotzdem weiter und werden von den Schiffen um uns herum immer noch empfangen. Es gibt professionellere AIS-Geräte, z.B. für die Berufsschifffahrt, die ihr Signal mit deutlich mehr Leistung aussenden und so auch über Satelliten empfangen werden können, deshalb sieht man zum Beispiel auch Schiffe mitten auf dem Atlantik im Tracker. Unseres kann das leider nicht, daher verschwinden wir auf Überfahrten wie dieser hier einfach für eine Weile und tauchen wieder auf, sobald der Empfang wieder da ist. Also nicht erschrecken, wenn ihr uns mal nicht im AIS finden solltet. 

Von Falmouth aus hatten wir eine sehr entspannte Überfahrt. Nachts war es zwar wie erwartet eiskalt, aber wir konnten ziemlich genau auf unser Ziel zu fahren und begegneten unterwegs nur wenig Verkehr. Um Brest herum schlief der Wind dann für ein paar Stunden ein und wir mussten den Motor bemühen, allerdings nicht für allzu lange. Mit Halbwind flogen wir südwärts und begegneten unterwegs kaum anderen Schiffen. Unsere zweite Nacht auf See war immer noch kalt, aber längst nicht mehr so eisig wie die erste. 

Der nächste Tag wurde dann richtig anstrengend, denn der Wind hatte gedreht und so wurde aus dem schönen Halbwind plötzlich ein Am-Wind-Kurs. Segelt man am Wind, dann bekommt das Boot Schräglage, denn der Wind wird sozusagen durch einen Kanal zwischen Vor- und Großsegel geströmt und sorgt so einerseits für Vortrieb und andererseits eben auch für Schräglage. Und Lage ist richtig nervig! Da in der Biskaya nicht nur die lange Atlantikdünung ungebremst heranrollt, sondern in unserem Fall noch eine Windsee dazu kam, rollte und stampfte die Krassy ganz ordentlich. Unter Deck zu gehen hieß jedes Mal eine Mischung aus Akrobatik, Klettern und Krafttraining. Da die Krassy auf dem Backbordbug lag rutschte quasi ihr gesamter Inhalt auf diese Bootsseite, inklusive uns. Wer schon mal versucht hat sich mit einer Hand eine Hose anzuziehen, der darf sich das ganz jetzt noch mal in einem bockenden Segelboot vorstellen. 

Einfachste Aufgaben werden zu echten Herausforderungen und verlangen einem einiges an Kraft und Geduld ab. Wir schliefen während unserer Freiwachen im Salon (was wir sonst nie tun!), denn in der Bugkajüte war an Schlaf nicht zu denken. Es rumste und krachte in einer Tour, wenn der Bug in die Welle einbrach und auf der Matratze flog man hin und her wie ein willenloser Flummi… 

Zusätzlich zum Rollen und Stampfen haben wir ja neuerdings auch noch unser flötendes Radar, das uns den letzten Nerv raubt. Auf Am-Wind-Kursen pfeift der Wind offenbar in einem ganz speziellen Winkel durch die Halterung im Achterstag und sorgt so dafür, dass das blöde Ding ein Dauer-Pfeif-Konzert von sich gibt. Es klingt als hätte man einem 5-jährigen mit ADHS eine Blockflöte in die Hand gedrückt… Unser Radar spielt dabei auch nicht nur einen durchgehenden Ton ab, sondern flötet verschiedene Töne, von denen wir langsam fast schon einen Ohrwurm bekommen. Wir haben schon von unten alle Löcher und Ritzen mit Klebeband verschlossen und die Spalte zwischen Radar und Halterung mit Schaumstoff ausgestopft, aber das blöde Ding flötet immer noch fröhlich vor sich hin. Wir geben nicht auf, da müssen wir noch eine Lösung für finden! 

Zum Morgen drehte der Wind zum Glück und ließ dann langsam nach bis er schließlich ganz einschlief. Für die letzten Meilen musste also noch mal der Motor mitschieben, aber ausnahmsweise störte uns das so gut wie garnicht. 

Die Nächte waren Stück für Stück wärmer geworden, je weiter wir nach Süden kamen und aus 3-4 Kleidungsschichten wurden irgendwann nur noch 1-2 Schichten. Richtig sommerlich ist es zwar noch nicht, aber die Luft duftet phantastisch nach See, fast so, als hätten wir den Duft gefunden, den Waschmittel- und Seifenhersteller gern als „Ocean Breeze“ oder ähnliches bezeichnen, nur in schön. 

Unsere Überfahrt von Falmouth aus über die Biskaya war anstrengend, aber wir konnten einen sehr großen Teil der Stecke segeln und pünktlich zu unserer Ansteuerung nach La Coruña empfingen uns auch wieder die Delfine. Da wir keine Windsee mehr hatten konnten wir jetzt sehr deutlich sehen, was hier so los war: Delfine, kleine Wale und erschreckenderweise auch so einige Portugiesische Galeeren. Letztere sind eine besonders fiese Art Quallen, die zwar echt hübsch aussehen, aber sau-gefährlich sind. Diese Quallen tragen eine Art Segel auf ihrer Oberseite, das in bunten Farben über der Wasseroberfläche leuchtet. Mit diesem Segel bewegen sich die Quallen fort, denn sie lassen sich tatsächlich vom Wind anschieben. Das sieht extrem cool aus, denn meist sind die Quallen grell pink, lila oder bläulich, gefährlich machen sie aber ihre Tentakeln, die bis zu 8 Meter lang werden können und sich bei Berührung anfühlen sollen wie Peitschenhiebe. Vor einigen Jahren wurden im Sommer sogar mal alle Strände auf der Ferieninsel Mallorca für Badegäste geschlossen, denn man hatte vor der Küste EINE Portugiesische Galeere gesichtet. Wir sahen während unserer Ansteuerung bestimmt 10 Stück… Baden geh ich hier auf jeden Fall nicht. 

Wir hielten natürlich auch Ausschau nach Orcas, denn die sollen sich hier in der Gegend auch gelegentlich aufhalten. Als zwei große Rückenflossen auf uns zu kamen blieb mir also kurz das Herz stehen, aber es waren Delfine, die uns gezielt ansteuerten um dann eine ganze Weile mit uns mitzuschwimmen. Wir beendeten unsere Überfahrt also so, wie wir sie begonnen hatten: in der Gesellschaft einer Gruppe Delfine. 

Angekommen im Hafen von La Coruña liegen wir beinahe auf dem selben Liegeplatz wie schon damals vor 7 Jahren, als wir das erste Mal hier waren. Dieser Hafen ist ein echter Langfahrt-Hafen, denn fast alle Boote, die hier als Gäste liegen, fahren weiter Richtung Süden ins Mittelmeer oder in die Karibik oder kommen gerade aus dieser Richtung. Seit langem sehen wir mal wieder richtig viele deutsche Boote, die waren in England eher rar. Hier kommt man auch leicht mit anderen Seglern ins Gespräch. Gleich heute früh brachte uns unser Stegnachbar zum Frühstück ein frisches Baguette vorbei. Einfach so um mal Hallo zu sagen! Unsere Nachbarn sind ein junges Pärchen, das auf Sylt mit einer wunderschönen HR 94 Kutter gestartet und jetzt ins Mittelmeer unterwegs ist.

Nach unserer Ankunft gab es für uns erst mal ein paar Prioritäten: 

  1. Duschen
  2. Essen
  3. Schlafen. 

Frisch geduscht liefen wir also in die Stadt um uns was zu Essen zu fangen und landeten ganz zufällig wieder im gleichen Restaurant, in dem wir auch nach unserer ersten Biskaya-Querung gegessen hatten. Das fiel uns erst so richtig auf, als wir am Tisch saßen. So schnell entstehen Traditionen. 

Wir haben uns schon bei unserem ersten Besuch Hals über Kopf in La Coruña und Galizien verliebt. Die Stadt ist einfach wunderschön und vermittelt einem ein echtes Urlaubs-Feeling. Trotz des Kreuzfahrtterminals hat man hier nicht den Eindruck, dass die Stadt von Touristen überflutet ist. Besonders abends sind die vielen kleinen Bars voll mit Menschen, die meist im milden Klima draußen sitzen, Tapas essen und dazu einen Drink nehmen. Wir werden auf jeden Fall ein paar Tage hier bleiben, denn jetzt ist Zeit zum Genießen! 

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5 thoughts on “Leben in der Lage

  1. Hallo ihr beiden, zum Glück hatte ich zwischendurch nicht geguckt, sondern euch direkt in La Coruña gesehen. Hier macht sich langsam der Herbst bemerkbar, da ist man noch neidischer auf euch im Süden. Wir sind gespannt auf euer nächstes Ziel und weitere Sehnsucht-Fotos.
    Liebe Grüße von Armin und Anja

  2. Hallo ihr zwei.

    Ich verfolge sehr begeistert eure spannende Reise und finde, dass das Blog sehr lesenswert ist. Das Ansehen der Fotos machen auch viel Spaß und vermitteln einen guten Eindruck was für fantastische Erlebnisse ihr habt.

    Der Newsletter ist eine tolle Idee.
    Habe ihn direkt abonniert. Der wievielte Abonnent war ich? 😉

    Da hinterlasse ich mal ein paar Fragen an euch:
    – Habt ihr einen Link auf das AIS? (Bestimmt habe ich was übersehen)
    – Wenn ich Christian als Brillenträger sehe, frage ich mich wie er die Brille auf See vor Verlust schützt?

    Völlig profane Fragen aber die kamen mir gerade beim Lesen.

    Gute Fahrt und weiterhin viel Freude auf eurem 2. Großen Abenteur.

    Grüße Thomas

    1. Moin Thomas,

      freut uns sehr, dass dir unser Blog gefällt! Das motiviert uns (also vor allem Steffi :D) zu weiteren literarischen Höchstleistungen!

      Du warst als Abonnement ziemlich weit vorne dabei, nämlich die Nummer 5, und wenn man uns selbst rausnimmt, sogar die Nummer 3! Ich hoffe, wir spannen dich nicht zu sehr zu. 🙂

      Nun zu deinen Fragen:

      Ja, es gibt einen Link zum AIS in der Rubrik „Kontakt“ (entweder auf der Hauptseite nach unten scrollen oder über das Menü).

      Und zur Brille: Ich mache momentan nix, um die Brille zu sichern. Das wird mir vielleicht noch teuer zu stehen kommen. Ein paarmal ist sie mir schon beinahe in den Bach gefallen. Jetzt ist sie aber besser eingestellt und sitzt sicherer. Es gibt natürlich so schicke Bändchen, aber die finde ich nervig. Und für den Fall der Fälle habe ich auch Ersatz dabei.

      LG!

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